Berlin. Deutschland sollte nicht nur bei der Verteidigung stärker auf eigenen Beinen stehen – auch bei der Arbeit der Geheimdienste. Das fordert der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums des Deutschen Bundestages, Konstantin von Notz, im ARD-Interview. „Wir müssen in Deutschland mehr Eigenverantwortung entwickeln“, so der Politiker von Bündnis 90/Die Grünen in der Sendung „Interview der Woche“. Das Gespräch mit dem Bundestagsabgeordneten führte ARD-Korrespondent Oliver Neuroth.
Von Notz (Wahlkreis Herzogtum Lauenburg – Stormarn-Süd, Schleswig-Holstein), der das Parlamentarische Kontrollgremium seit der konstituierenden Sitzung am 24. März 2022 leitet (siehe hier), beklagte gegenüber Neuroth, dass man habe sich in den vergangenen Jahrzehnten zu sehr auf die Arbeit der ausländischen Nachrichtendienste verlassen habe, vor allem auf die der USA.
„Ohne da jetzt Freundschaften aufkündigen zu wollen: Die Gewissheit, dass das in den nächsten Jahren so partnerschaftlich abläuft, ist in den letzten Monaten stark geschwunden“, erklärte von Notz mit Blick auf den außenpolitischen Kurs von US-Präsident Donald Trump.
Der Politiker hält es für zwingend notwendig, dass die deutschen Geheimdienste mehr gutes Personal und gute Technik bekommen. Das Ziel sei, eigenständig mehr Informationen und Nachrichten generieren zu können.
Von Notz brachte auch eine Reform der deutschen Geheimdienste ins Spiel: „Wir müssen in der Beschaffung besser werden, wir müssen auch in der ganzen Art und Weise, wie unsere Dienste arbeiten, uns meiner Ansicht nach verändern – das alles natürlich im rechtsstaatlichen Rahmen.“
Mehr Geld für die Arbeit der deutschen Geheimdienste dürfte bald vorhanden sein. Bundestag und Bundesrat haben eine Lockerung der Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben auf den Weg gebracht. Die Grünen hatten im Bundestag ihre Zustimmung zur nötigen Grundgesetzänderung an die Bedingung geknüpft, dass die Schuldenbremse auch für Investitionen in die Nachrichtendienste ausgesetzt werden kann.
Im Jahr 2025 gelte ein erweiterter Sicherheitsbegriff, sagte von Notz. Es gehe nicht nur um die Bundeswehr und die Polizei, sondern auch um Katastrophenschutz und die Cyber-Abwehr. „Es ist wirklich kurios, dass man dies der SPD und der Union abverhandeln musste.“ Von Notz erwähnte gegenüber seinem Gesprächspartner in diesem Zusammenhang auch Sabotageversuche Russlands – beispielsweise im Bundestagswahlkampf – gegen die sich Deutschland unbedingt besser aufstellen müsse.
Vergangene Woche erst hatte der Bundesnachrichtendienst (BND) für Schlagzeilen gesorgt. Es ging um die Frage, wo das Coronavirus seinen Ursprung hat. Nach Medienberichten hatte der BND bereits zu Pandemie-Beginn deutliche Hinweise darauf, dass das Virus aus einem chinesischen Labor stammt. Die Wahrscheinlichkeit für diese sogenannte Labor-These soll laut BND „bei 80 bis 95 Prozent“ liegen.
Geheimdienstexperte von Notz zeigt im ARD-Interview Verständnis dafür, dass die Bundesregierung im Jahr 2020 mit diesem Verdacht nicht an die Öffentlichkeit gegangen war. „Das ist ein schwerwiegender Vorwurf“, erklärte er. „Damit rauszugehen, ist ein hohes Risiko.“ Wenn diese These nicht stimme, „rede danach nie wieder jemand mit Deutschland“, meint von Notz. „Und zwar zurecht.“
Der Grünen-Politiker stellte allerdings auch klar: „Wenn sich bewahrheitet, dass diese Pandemie durch fahrlässiges Verhalten menschengemacht ist, muss man daraus dringend Konsequenzen ziehen.“ Dass China nach wie vor eine Aufklärung des Corona-Ursprungs durch unabhängige Kontrolleure verweigert, kritisierte von Notz mit Nachdruck. „Man muss alle Wege der Diplomatie beschreiten, um da voranzukommen.“
Die Partei des Parlamentariers, die Grünen, rutschen im Bundestag – Stand jetzt – von der Regierungs- auf die Oppositionsseite. Ein Umstand, den der langjährige Abgeordnete Konstantin von Notz bedauert. Aber er sagte auch: „Auch das Regieren ist nicht schmerzfrei, wie wir in den letzten dreieinhalb Jahren gesehen haben.“
Von Notz kündigte an, dass die Grünen keine Fundamentalopposition anstreben werden. Man werde gute Projekte unterstützen und weniger gute kritisieren. Die Grünen hätten „eine klare Aufgabe in der Opposition als links-mittige progressive und rechtsstaatliche Partei, die eine klare Kante gegen diese schwarz-rote Selbstgefälligkeit fahren sollte.“
Der Politiker selbst freut sich nach eigenem Bekunden, auch im 21. Deutschen Bundestag ein Mandat zu haben. „Ich liebe das Parlament und ich finde, die Erste Gewalt ist die coolste. Ich möchte nicht anderes machen als Bundestagsabgeordneter zu sein“, so von Notz, der seit 2009 Mitglied des Hohen Hauses ist.
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Die Aufnahme zeigt den Vorsitzenden des Parlamentarischen Kontrollgremiums (kurz PKGr), Konstantin von Notz. Das Gremium überwacht die Nachrichtendienste des Bundes: den Bundesnachrichtendienst (BND), den Militärischen Abschirmdienst (MAD) und das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV). Die Bundesregierung ist nach dem Kontrollgremiumgesetz dazu verpflichtet, das PKGr umfassend über die allgemeinen Tätigkeiten der Nachrichtendienste und über Vorgänge von besonderer Bedeutung zu unterrichten. Das PKGr kann von ihr außerdem Berichte über weitere Vorgänge verlangen.
(Foto: Stephan Pramme/für das Abgeordnetenbüro von Notz; grafische Bearbeitung: mediakompakt)
Kleines Beitragsbild: ARD-Grafik „Interview der Woche“ und Porträt von Notz.
(Bild: Material ARD; grafische Bearbeitung: mediakompakt)