Oberding/Amsterdam (Niederlande)/Berlin. Der Krieg in der Ukraine zeigt täglich die wachsende Bedeutung von unbemannten, ferngesteuerten Luftfahrzeugsystemen, auch bekannt als Drohnen. Die Autonomie am Boden blieb lange Zeit eine nur langsam voranschreitende Entwicklung. Das im oberbayerischen Oberding beheimatete Start-up ARX Robotics, gegründet 2021 von aktiven und ehemaligen Bundeswehrangehörigen, will dies ändern. Das ARX-Team hat nach eigenen Angaben „ein kostengünstiges modulares Bodensystem entwickelt, das in Serie produziert und sowohl im militärischen als auch im zivilen Bereich eingesetzt werden kann“. Vor Kurzem gab das junge Unternehmen den erfolgreichen Abschluss einer Seed-Finanzierungsrunde bekannt, die alles in allem neun Millionen Euro einbrachte.
Die meisten finanziellen Mittel für ARX Robotics wurden bei der Finanzierungsrunde vom NATO Innovation Fund (NIF) bereitgestellt. Der NFI war am 30. Juni 2022, dem letzten Tag des damaligen NATO-Gipfels in Madrid, von 23 Staats- und Regierungschefs der Allianz ins Leben gerufen worden. Mit dem rund eine Milliarde umfassenden Fonds, eingezahlt durch die NFI-Vertragsunterzeichner, will die NATO vor allem Start-ups in den Bereichen „Verteidigung“ und/oder „Cybersicherheit“ unterstützen.
Zuvor hatte die ARX-Mannschaft bereits Gelder von den Investor-Firmen Project A Ventures GmbH & Co. KG, einem der führenden europäischen Early-Stage-Tech-Investoren mit Büros in Berlin und London, sowie Discovery Ventures Management GmbH, ebenfalls ein Berliner Kapitalgeber, erhalten.
Insgesamt konnte der deutsche Hersteller von skalierbaren Roboter-Systemen für den militärischen und auch zivilen Einsatz in der nun abgeschlossenen Finanzierungsrunde gut neun Millionen Euro „einsammeln“ – der bisher größte Gesamtbetrag für ein europäisches Gründerunternehmen im Bereich „Defence-Tech“. Die finanziellen Mittel sollen vor allem für den Ausbau des ARX-Teams und die Steigerung der Produktionskapazität für europäische Kunde verwendet werden.
ARX Robotics – vormals ARX Landsysteme – bietet vor allem mit seiner modularen Plattform „Gereon UGV“ (UGV = Unmanned Ground Vehicle) ein Bodensystem an, das in Serie produziert und sowohl im zivilen als auch im militärischen Umfeld genutzt werden kann (wir berichteten).
Die „Gereon“-Produktpalette, die unter anderem aus den Varianten „Gereon 2“, „Gereon 3“, „Gereon ATR“ und „Gereon RCS“ besteht (die Varianten unterscheiden sich voneinander in Gewicht, Nutzlast, Geschwindigkeit und Reichweite), kann eine Vielzahl von Aufgaben durchführen. Im militärischen Bereich wären dies beispielsweise der Materialtransport, die Bergung von Verletzten auf dem Gefechtsfeld, der Einsatz als Target-Roboter (mobiler Zielträger für die taktische Schießausbildung im Innen- und Außenbereich) oder der Einsatz als Träger von Sensoren oder Drohnen für Aufklärungsmissionen.
Kundennationen von ARX Robotics und „Gereon“-Nutzer sind bis jetzt Deutschland, Österreich, die Schweiz, Ungarn und mittlerweile auch die Ukraine.
In einer Pressemitteilung zum erfolgreichen Abschluss der Seed-Finanzierungsrunde erklärt ARX-Mitbegründer Marc Wietfeld: „Die Armeen der westlichen Demokratien sind nicht auf die robotergestützte Kriegsführung vorbereitet. Um die Fähigkeiten unserer Streitkräfte deutlich zu verbessern, ist eine vernetzte kritische Masse autonomer unbemannter Bodensysteme erforderlich, die einfach und dezentral hergestellt werden können. ARX Robotics hat es sich zum Ziel gesetzt, einen Beitrag zur technologischen Souveränität Europas zu leisten. Dies soll durch die Entwicklung softwaredefinierter Systeme und die Herstellung anpassungsfähiger Hardware erreicht werden, um der Nachfrage nach robusten und autonomen unbemannten Systemen gerecht zu werden.“
Die Robotersysteme von ARX für den Einsatz am Boden kombinieren miteinander robuste Hardware, modulares Design und hochmoderne Software. Das Unternehmen sei in der Lage, „in kürzester Zeit kosteneffiziente unbemannte Bodensysteme für Einzel- oder Mehrzweckzwecke zu entwickeln“, heißt es in dem Pressetext weiter. Die anpassungsfähigen Plattformen könnten vor Ort innerhalb von Minuten und ohne jegliche Hilfsmittel nahtlos konfiguriert werden. Die ARX-Software kombiniere handelsübliche Hardware-Komponenten mit Künstlicher Intelligenz und schaffe so vernetzte Roboter für Bodenmissionen. Software-Updates würden „Over-the-Air“ eingespielt.
Unternehmensgründer brauchen oftmals Fremdkapital, um das Fundament für das eigene Start-up zu festigen und für Wachstum zu sorgen, Eine Möglichkeit, um an notwendiges Kapital zu kommen, ist die sogenannte Seed Round, auch Seed-Finanzierungsrunde genannt. Die Seed Round findet in der Regel in der frühen Phase eines Start-ups statt. Dabei werden Investoren angesprochen, die bereit sind, in das neue Unternehmen zu investieren. Im Gegenzug erhalten diese meist Firmenanteile.
Die Höhe des Investments bei einer Seed Round variiert je nach Startup und Branche im Bereich von einigen Hunderttausend bis zu einigen Millionen Euro. Eine erfolgreiche Seed-Finanzierungsrunde kann dazu beitragen, weitere Investoren auf das Unternehmen aufmerksamer zu machen. Insgesamt ist eine Seed Round eine wichtige Finanzierungsmöglichkeit für Start-ups in der frühen Phase. Sie bietet die Möglichkeit, das notwendige Kapital für den Aufbau der Firma zu beschaffen und damit maßgeblich zum Erfolg beitragen.
Drei Investoren, die ARX Robotics finanziell unter die Arme gegriffen haben, wurden in unserem Beitrag bereits genannt: NATO Innovation Fund/NIF, Projekt A Ventures und Discovery Ventures.
Discovery Ventures, wie Project A Ventures in Berlin mit einem Büro vertreten, unterstützt als sogenannte Micro-VC (Micro Venture Capital), eine Art Risikokapitalgesellschaft, mit überschaubaren Finanzmitteln in Start-ups in der Frühphase. Die geografischen Investitionsschwerpunkt von Discovery Ventures liegen nach eigenem Bekunden auf „Silicon Valley/Kalifornien/USA, Israel und Europa“. Eine Zukunftstechnologie, auf die sich Discovery Ventures fokussiert hat, ist der Bereich „Künstliche Intelligenz“ (KI).
Project A Ventures ist – wie eingangs bereits erwähnt – einer der führenden Early-Stage-Tech-Investoren in Europa mit Büros in Berlin und London. Project A bietet laut eigener Darstellung seinen Portfolio-Unternehmen neben Kapital exklusive operative Unterstützung durch mehr als 100 hauseigene Experten, so etwa aus den Bereichen Softwareentwicklung oder Business Intelligence. Investiert wird in Gründer, die den Status Quo in ihren Branchen nachhaltig verändern wollen. Fokus-Themen sind beispielsweise “Klima und Energie“ oder „Verteidigung und Resilienz/Widerstandsfähigkeit“. Auch das Münchener Start-up Quantum Systems wird von dem Frühphaseninvestor unterstützt: Quantum Systems liefert seine Drohnen unter anderem in die Ukraine, wo das Militär damit russische Stellungen auskundschaftet.
Abschließend zum NATO-Innovationsfonds, mit dem das Bündnis militärnahe Technologien fördern will. Hauptsitz des NATO Innovation Fund/NIF ist die niederländische Hauptstadt Amsterdam. Aufsichtsratschef von NFI ist der von der Allianz ins Amt berufene Deutsche Klaus Hommels, Gründer der Risikokapitalgesellschaft Lakestar (Lakestar investiert vornehmlich in Technologieunternehmen, die von außergewöhnlichen Gründern geführt werden; zu den ersten Investitionen gehörten beispielsweise Skype, Spotify, Facebook oder Airbnb).
In einem Beitrag über den NATO-Innovationsfonds und Militärtechnologie schrieb das Handelsblatt im März 2023: „Vor allem in Europa sind Start-ups, die dezidiert militärische Anwendungen entwickeln, bislang selten. Doch der Krieg in der Ukraine zeigt die enorme Bedeutung neuer Technologien bei der Kriegsführung: Ohne ,Battle-Management‘-Software, Satelliteninternet, Drohnen und Cloud-Technologien wäre die Ukraine den russischen Panzern und Raketenangriffen womöglich längst unterlegen.“
NIF-Chef Hommels sagte zu seiner Berufung: „Der NATO-Innovationsfonds ist der erste multistaatliche Risikokapitalfonds, der neuartige Technologien und dringend benötigte Innovationen fördern wird, die die strategischen Ziele des Bündnisses berühren.“ Im Fokus des Fonds sollen Schlüsseltechnologien wie Künstliche Intelligenz stehen, Quantentechnologien, die Analyse von Big Data, autonome Systeme, neue Werkstoffe, Biotechnologie, Energie, Antriebstechnik und Raumfahrt.
Die nun 24 von 32 NATO-Staaten, die das NIF-Dokument unterschrieben haben, kommen ausschließlich aus Europa. Dazu das Handelsblatt: „Die USA zählen nicht dazu. Dort sind aus der Start-up- und Wagniskapitalszene bereits bekannte Sicherheits- und Militärtechnologiefirmen wie Palantir und Anduril hervorgegangen. Auch Kanada beteiligt sich noch nicht.“ Schweden wurde im April dieses Jahres NIF-Partner.
ARX Robotics ist erst die zweite Gründerfirma, die von der neuen Einrichtung der NATO gefördert wird. Zuvor erhielt iCOMAT ein britisches Start-up aus Bristol, das Leichtbaumaterialien für Raumfahrzeuge, Autos und militärische Anwendungen herstellt, eine Finanzspritze vom NIF.
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Zu unserem Bildmaterial:
1. Unterzeichnung des NATO Innovation Fund (NIF) am letzten Tag des Gipfeltreffens in Madrid (28. bis 30. Juni 2022) durch zunächst 23 Mitgliedsländer des Bündnisses, im Bild Bundeskanzler Olaf Scholz.
(Foto: NATO)
2. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg am 30. Juni 2022 mit der NIF-Schlussakte.
(Foto: NATO)
3. und 4. Die „Gereon“-Roboterfahrzeuge konnten sich in der Vergangenheit bereits mehrfach bei Übungen der Bundeswehr bewähren.
(Fotos: ARX Robotics)
Kleines Beitragsbild: Das Herz der ARX-Produktpalette – die modularen „Gereon-UGV“.
(Foto: ARX Robotics)