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München/Mérignac (Bordeaux Métropole, Frankreich). Der Technologiekonzern Rohde & Schwarz hat sich mit der französischen Firma Milton auf eine strategische Partnerschaft verständigt. Das in der Gemeinde Mérignac nahe Bordeaux ansässige Unternehmen ist ein führender Anbieter von autonomen luftgestützten Systemen. Die Kooperation soll laut einer Pressemitteilung von Rohde & Schwarz „die Integration fortschrittlicher SIGINT-Technologien in die Drohnen von Milton ermöglichen und so die Art und Weise, wie Sicherheitskräfte Überwachungs- und Aufklärungsmissionen durchführen, revolutionieren“. Rohde & Schwarz bringt in die Partnerschaft sein breites fachliches Know-how im Bereich der elektromagnetischen Überwachung mit ein.

Die Kooperation wurde am Rande der diesjährigen Fachmesse SOFINS (SOFINS = Special Operations Forces Innovation Network Seminar) besiegelt. Die Messe, die im Zeitraum 1. bis 3. April im Camp de Souge nahe Bordeaux stattfand, richtet sich in erster Linie an Special Operations Forces (SOF) und deren Ausrüster. Organisator der alle zwei Jahre stattfindenden SOFINS ist das Verteidigungsministerium Frankreichs.

Die Milton-Drohnen sollen dank der Technik aus Deutschland elektromagnetische Signale, die von taktischen oder strategischen Kommunikationsanlagen und „bösartigen“ elektronischen Geräten ausgesendet werden, erkennen, lokalisieren und analysieren. Die Technologie von Rohde & Schwarz wird dabei die Fähigkeiten der französischen Drohnen erheblich verbessern und es ermöglichen, Übertragungen – wie beispielsweise geheime Funkverbindungen oder feindliche Drohnen-Sendungen – zu identifizieren.

Den Ursprung einer verdächtigen Kommunikation lokalisieren

Über die Integration von SIGINT-Nutzlasten in Milton-Drohnen heißt es im Pressetext von Rohde & Schwarz: „[Die Integration] bietet zahlreiche praktische Anwendungsmöglichkeiten. So kann eine solche mit SIGINT-Komponenten ausgerüstete Drohne in einem städtischen Umfeld den Ursprung einer verdächtigen Kommunikation lokalisieren und diese Information an die Einheiten vor Ort weitergeben. In einem Einsatzgebiet kann die Drohne Störsender oder elektromagnetische Geräte aufspüren, so dass die eigenen Streitkräfte ihre Strategie entsprechend anpassen können.“

Die deutsch-französische Zusammenarbeit werde die Fähigkeiten von Sicherheits- und Spezialkräften in Bezug auf die Erkennung und Antizipation von Bedrohungen erheblich verbessern, so Rohde & Schwarz weiter. Durch die geringere Abhängigkeit von herkömmlichen luftgestützten Plattformen wie etwa Überwachungsflugzeugen biete diese Herangehensweise nun „eine diskretere, flexiblere und kostengünstigere Lösung“ für die Aufklärung und den Schutz sensibler Infrastrukturen.

Störsignalsuche und Operationen der elektronischen Kampfführung

Gehen wir kurz ins Detail. Verbaut wird in die Drohne von Milton ein UMS400 und eine ADD507, beide Systeme von Rohde & Schwarz.

Das Universelle Monitoring System UMS400 dient der Überwachung und Funkortung im Frequenzbereich 8 kHz bis 8 GHz (optional bis 20 GHz). Der Hersteller erläutert hierzu: „Das UMS400 eignet sich durch sein kompaktes Außengehäuse und den geringen Stromverbrauch ideal für temporäre Einsätze wie die Überwachung von Ereignissen und die Funkortung von sporadischen Störern.“ Das Gerät ermögliche insgesamt eine breite Palette von Anwendungsmöglichkeiten, darunter die Überwachung des festen und mobilen Spektrums, die Funkortung sporadischer Störquellen oder kurzer Funksprüche bei Großveranstaltungen, die Suche nach Sendern und den Schutz von Einsatzkräften. Dank seiner offenen Schnittstelle könne das UMS400 in Überwachungssysteme integriert werden, auf denen die Spektrum-Überwachungssoftware ARGUS von Rohde & Schwarz oder eine andere Steuersoftware laufe.

ADD507 ist eine kompakte Breitband-Peilantenne (VHF/UHF-Bereich), laut Hersteller Rohde & Schwarz „ideal geeignet für die Funkortung von sich bewegenden Fahrzeugen während Einsätzen zur Störsignalsuche und kleineren Operationen der elektronischen Kampfführung wie beispielsweise dem Aufspüren von Emittern und der langfristigen Überwachung in Zielnähe“.

Vereinfachung von Missionen und Verbesserung der Einsatzsicherheit

Zum Schluss noch zwei Stimmen aus den an der strategischen Partnerschaft beteiligten Häusern. Stéphane Bringue, Geschäftsführer von Rohde & Schwarz Frankreich, erklärte bei der SOFINS 2025: „Wir freuen uns über die Zusammenarbeit mit Milton – unsere Partnerschaft basiert auf einem gemeinsamen Engagement für Innovation und Fachwissen, wobei der Schwerpunkt auf der Vereinfachung von Missionen und der Verbesserung der Sicherheit von Einsätzen liegt. Gemeinsam verschieben wir im Bereich der autonomen luftgestützten Systeme die Grenzen des Möglichen.“

Charles Gillibert, Chief Operating Officer von Milton, ergänzte: „Wir bei Milton sind der Meinung, dass Technologie im Dienste der Anwender stehen sollte, um deren Aufgaben zu vereinfachen und deren Sicherheit zu verbessern. In der Partnerschaft mit Rohde & Schwarz kombinieren wir unser Fachwissen und können dadurch modernste Überwachungsfunktionen bereitstellen.“


Hintergrund                           

Die Aufklärung und Analyse elektromagnetischer Emissionen, die durch die Kommunikation und andere Aktivitäten des Gegners entstehen, wird als signalerfassende Aufklärung (Signals Intelligence, kurz SIGINT) bezeichnet. Datenströme können dabei ausschnittsweise gefiltert und elektronisch auf bestimmte Inhalte untersucht werden. Die technische Beschaffung erfolgt rezeptiv und ist nur begrenzt steuerbar. Bei dieser Art der Informationsbeschaffung sollen Informationen über das Bedrohungspotenzial, strategische und taktische Begrenzungen sowie die Absichten des Gegners gewonnen werden.

SIGINT besteht in der Regel aus folgenden Hauptkategorien:
Fernmeldeaufklärung (Communication Intelligence/COMINT) zum Abhören von Funksignalen;
Elektronische Aufklärung (Electronic Intelligence/ELINT) zur Erfassung und Analyse anderer elektronischer Signale;
Signalaufklärung ausländischer Instrumente (Foreign Instrumentation Signals Intelligence/FISINT) zur Aufklärung und Auswertung von Emissionen, die bei der Entwicklung und dem Test neuer Plattformen und Waffensystemen eines Gegners einhergehen.

SIGINT wird vom Boden, auf See, aus der Luft und auch von Satelliten aus betrieben. Die luftgestützte signalerfassende Aufklärung als Teil des Fähigkeitsbereichs SIGINT wird dabei immer wichtiger.

Den Anfang luftgestützter SIGINT bei der Bundeswehr markiert der Marine-Fernaufklärer Breguet Atlantic BR 1150, der 1963 von den NATO-Mitgliedsländern Belgien, Deutschland, Frankreich und Niederlande beschafft worden war. Die Breguet Atlantic überwachte die See, indem sie gegnerische Seestreitkräfte aus der Luft aufklärte. Sie wurde auch als Uboot-Jagd-Flugzeug und als Messflugzeug bei der Erfassung elektromagnetischer Signale eingesetzt. Aufgrund ihres hohen Alters wurde in den 1990er-Jahren überlegt, die Maschinen durch ein unbemanntes Luftfahrzeug zu ersetzen. Hierzu wurde eine deutsche Delegation 1999 zu einem Testflug der RQ-4A Global Hawk in die USA eingeladen. Das Projekt wurde am Ende jedoch wegen Schwierigkeiten mit der Software abgesagt. Am 20. Juni 2010 endete mit dem letzten Flug der SIGINT-Maschine „61+03“ das Kapitel der Breguet Atlantic in der Bundeswehr.

Im August 2004 unterzeichnete der damalige Generalinspekteur der Bundeswehr, General Harald Kujat, eine „Abschließende funktionale Forderung“ an ein neues Signal Intelligence-System. In Frage für eine Beschaffung kam schließlich das unbemannte US-Luftfahrzeug Global Hawk mit einem Aufklärungssystem von EADS (dem Airbus-Vorläufer). Die eingereichten Angebote erwiesen sich zunächst zwar „als kommerziell unbrauchbar“, dennoch entschied sich die damalige Bundesregierung für das Projekt „Euro Hawk“. Parallel wurden die Breguet Atlantic durch acht gebrauchte niederländische P-3C Orion ersetzt, um die Zeit bis zur Indienststellung der Euro-Hawk-Drohne zu überbrücken. Die Orion galt von Beginn an als veraltet und musste nach dem Kauf von Grund auf teuer saniert werden.

Nur zwei Jahre nach der Auftragserteilung erfolgte am 8. Oktober 2009 der Roll-out des ersten Euro-Hawk-Systems. Es wurde in der Folge aber nicht für den deutschen Luftraum zugelassen, da unter anderem wichtige Informationen zum Aufbau der Drohne fehlten. 2013 scheiterte das Projekt Euro Hawk endgültig. Das benötigte „Detect-and-avoid“-System, mit dem die Drohne allen Luftfahrzeugen selbstständig hätte ausweichen können, konnte nicht verbaut werden – unter anderem verweigerte der Hersteller in den USA die Herausgabe wichtiger Baupläne.

2017 fiel die Wahl für die Bundeswehr auf das Modell PEGASUS (Persistent German Airborne Surveillance System). PEGASUS basiert auf der maritimen Version der Global Hawk, genannt Triton. Verbaut dabei ist das Aufklärungssystem ISIS (Integrated Signal Intelligence System). Aufgrund schwieriger Verhandlungen unter anderem mit dem US-Hersteller, erneuten Unsicherheiten der Zulassung, erheblich höheren Lieferkosten und langen Wartezeiten verkündete das BMVg im Frühjahr 2020 dann die vorzeitige Beendigung des Beschaffungsprojekts PEGASUS.

Seit Abbruch des PEGASUS-Vorhabens soll SIGINT nun an Bord bemannter Flugzeuge betrieben werden. Die Wahl fiel dabei auf die Global 6000 Bombardier. Doch wie sich bereits 2002 herausstellte, ist dies nur eine Notlösung. Die Global 6000 ist als Businessjet für den Personentransport ausgelegt und insgesamt personalintensiver. Im Oktober 2024 berichteten Fachmedien über den Start der ersten bei Bombardier in den USA modifizierten Global 6000. „Damit rückt zugleich die Indienststellung der ersten Global-Maschine für die Bundeswehr mit dem Signalsystem ,Kalætron Integral‘ für luftgestützte Überwachungsmissionen einen Schritt näher“, so die beteiligten Unternehmen Bombardier Defense, Lufthansa Technik Defense und Hensoldt in einem gemeinsamen Pressetext.


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Zu unserem Bild: Eine Drohne der französischen Firma Milton, ausgerüstet mit einer SIGINT-Nutzlast von Rohde & Schwarz. Das Gesamtsystem kann den Ursprung einer verdächtigen Kommunikation lokalisieren.
(Milton)


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