Bonn/Kiel/Bremen-Vegesack. Das Bundeskartellamt hat am heutigen Montag (2. September) Pläne für ein Joint Venture im maritimen Rüstungsbereich genehmigt. Gründer des Gemeinschaftsprojekts sind die ThyssenKrupp Marine Systems GmbH und die NVL B.V. & Co. KG. Das in Kiel ansässige Unternehmen ThyssenKrupp Marine Systems – kurz TKMS – ist eine indirekten 100-prozentige Tochtergesellschaft der ThyssenKrupp AG. Die in Bremen-Vegesack beheimatete NVL ist eine 100-prozentige Tochter der Lürssen Maritime Beteiligungen GmbH & Co. KG der Lürssen-Gruppe. Die neue Projektgesellschaft steht vor allem für die gemeinsame Bewerbung der beiden beteiligten Unternehmen für das deutsche Rüstungsprojekt „Fregatte 127“ (F127) und dessen spätere Realisierung.
Die Marineschiffbauaktivitäten von ThyssenKrupp sind bei der TKMS gebündelt. NVL ist auf den Bau und die Reparatur von Marineschiffen spezialisiert.
Das Bundeskartellamt merkt dazu in einer Pressemitteilung zum F127-Joint-Venture an: „Die Marktstruktur im Marineschiffbau ist durch langfristige Großaufträge geprägt, bei denen eine Vergabe über Ausschreibungen erfolgt. Beide [am Joint Venture beteiligten] Unternehmen haben in der Vergangenheit bereits kooperiert, unter anderem beim Bau der Fregatten der Klasse F125.“
Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes, wird im Pressetext der Bonner Behörde mit den Worten zitiert: „Die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens ist in einem spezifischen Marktumfeld wie dem des Marineschiffbaus eine gängige und wirtschaftlich notwendige Praxis. Die Komplexität und das Volumen solcher Projekte erfordern oft die Bündelung von Ressourcen und Expertise, um den anspruchsvollen Anforderungen der Ausschreibungen gerecht zu werden. Der Arbeitsgemeinschaftsgedanke, der hinter diesem Zusammenschluss steht, dient auch der Sicherstellung, dass solche Großprojekte überhaupt realisierbar sind.“
Das Rüstungsprojekt „Fregatte 127“ unserer Marine soll die Fähigkeiten der bisherigen Fregattenklasse F124 ersetzen und erweitern. Im Rahmen des Vorhabens ist die Konstruktion und der Bau von fünf Fregatten geplant, mit der Option auf ein sechstes Schiff. Das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) in Koblenz plant die Vergabe des Auftrags für Mitte 2025.
TKMS hat sich bereits früh in die Debatte um die neue deutsche Luftverteidigungsfregatte F127 eingebracht. Das Unternehmen macht die Planer und Entscheider auf Seiten der Bundeswehr beziehungsweise im Beschaffungsbereich seit längerer Zeit schon mit Nachdruck auf seine neue Fregatte MEKO® A-400 AMD aufmerksam, deren Design – so TKMS – bereits heute verfügbar sei.
So führt der Schiffsbauer in einem Pressetext beispielsweise folgende Argumente ins Feld: „Die Stärke der MEKO® A-400 AMD liegt im Einsatz gegen Bedrohungen aus der Luft. Sie ist aber auch Teil des Wirkverbunds für boden- und luftgestützte Luftverteidigung. Und sie leistet einen Beitrag zur territorialen Flugkörperabwehr. Darüber hinaus kann die MEKO® A-400 AMD auch gegen Uboote eingesetzt werden.“
Die MEKO® A-400 AMD sei ein in jeder Hinsicht anspruchsvolles Schiff – im Hinblick auf sowohl die Performance als auch ihren Bau, heißt es weiter. ThyssenKrupp Marine Systems sei die einzige deutsche Werft, die eine derart komplexe Aufgabe aus einer Hand bewältigen könne. Dies gelte sowohl für den Bau der hochkomplexen Fregatte als auch für die spätere Systemintegration.
Das Designkonzept „MEKO® A-400 AMD“ spielte auch am heutigen Dienstag (3. September) eine große Rolle bei der Unterzeichnung des Kooperationsvertrages zum künftigen Gemeinschaftsunternehmen durch Oliver Burkhard, CEO von ThyssenKrupp Marine Systems, und Friedrich Lürßen, Gesellschafter der Unternehmensgruppe NVL. Burkhard und Lürßen schlossen die Vereinbarung im Rahmen der Weltleitmesse der maritimen Wirtschaft SMM (SMM = Schiffbau, Maschinen und Meerestechnik), die vom 3. bis zum 6. September in Hamburg stattfindet.
In einer gemeinsamen Presseerklärung wird gleich zu Beginn darauf hingewiesen, dass die Kooperation zum Ziel habe, „gemeinsam den Bau der MEKO® A-400 AMD zu realisieren“. TKMS-Chef Burkhard erklärte nach der Unterzeichnung dazu: „Wir haben bereits erhebliche Investitionen in die Entwicklung der MEKO®-A-400-Technologie und in die Erweiterung der Baukapazitäten am Standort Wismar getätigt. Jetzt ist die Politik am Zug, um das Projekt zur Nachfolge der F124 erfolgreich voranzutreiben und es mit den notwendigen Finanzmitteln zu hinterlegen. Mit der Unterzeichnung dieses Vertrags setzen wir einen wichtigen Meilenstein für den Bau und die Einsatzreife eines vollkommen neuen Fregattentyps.“ Der CEO fügte hinzu: „Die Beauftragung des Baus der neuen F127 ist sicherheitspolitisch dringend geboten. Die ernste geopolitische Lage erzwingt eine möglichst schnelle Realisierung und das Schließen einer Fähigkeitslücke.“
Vertragspartner Lürßen betonte bei der Messe in Hamburg: „Die neue Luftverteidigungsfregatte ist ein Schlüsselprojekt für den Überwasserschiffbau in Deutschland. Durch unsere Kooperation schaffen wir die industriellen Voraussetzungen, uns technologisch auf hohem Niveau weiterzuentwickeln, unsere Wettbewerbsfähigkeit im militärischen Überwasserschiffbau nachhaltig zu stärken und wichtige Industriearbeitsplätze auf den Werften und in der nationalen Zulieferindustrie zu sichern und auszubauen.“
Als Hauptanteilseigner des Joint Ventures will TKMS mit seinem MEKO®-A-400-Design eine führende Rolle bei der Entwicklung und Produktion der F127 übernehmen, während die NVL ihre umfangreichen Fertigungskapazitäten und ihre langjährige Erfahrung im Bau von Marineschiffen in die Kooperation einbringen will. Die genaue Ausgestaltung der Leistungspakete soll laut TKMS noch festgelegt werden.
Das Gemeinschaftsunternehmen wird seinen Sitz in Hamburg haben und als Projektgesellschaft zum Bau der zukünftigen Fregatten vom Typ F127 fungieren. Die Vertragspartner wollen die Voraussetzungen dafür schaffen, dass der Bau der neuen Fregatte schon im Jahre 2025 beginnen könnte. Der Bau der Schiffe wird nach jetzigem Stand unter anderem bei ThyssenKrupp Marine Systems in Wismar und bei NVL an den Standorten Hamburg und Wolgast erfolgen. Das erste Schiff soll nach den Vorstellungen der Deutschen Marine 2034 einsatzbereit sein. „Voraussetzung dafür ist ein zeitnaher Auftragseingang“, mahnen die beiden Joint-Venture-Partner.
MEKO®, eine Marke der deutschen ThyssenKrupp Marine Systems für eine Reihe von Kriegsschiffen, steht für „Mehrzweck-Kombination“ und damit für die denkbaren Module des jeweiligen Schiffes. In der Praxis bedeutet dies, dass jeder potenzielle Kunde eine an seine Bedürfnisse angepasste Mischung aus Baugröße, Waffensystemen und Elektronik auswählen kann. Da ähnliche Konzepte beim Bau verwendet werden, sind die Schiffe laut Hersteller „entsprechend preisgünstig“. Die MEKO®-Reihe umfasst Patrouillenschiffe, Korvetten, Fregatten und (kleine) Zerstörer.
Das MEKO®-Konzept wurde in den 1970er-Jahren von der Werft Blohm + Voss in Hamburg entwickelt. Auch Schiffe der Deutschen Marine sind an das MEKO®-Design angelehnt. So die Fregatten F123 („Brandenburg“-Klasse), die Fregatten F124 („Sachsen“-Klasse), die Fregatten F125 („Baden-Württemberg“-Klasse) oder die Korvette K130 („Braunschweig“-Klasse).
Besuchen Sie uns auf https://twitter.com/bw_journal
Zu unserem Bildmaterial:
1. Die künftige Fregattenklasse F127 der Deutschen Marine könnte auf das MEKO®-A-400-Design von ThyssenKrupp Marine Systems „aufsetzen“. In der Pressemitteilung zur Unterzeichnung der Zusammenarbeitsvereinbarung zwischen TKMS und NVL wird noch einmal für die MEKO®-Lösung geworben: „Die MEKO®-A-400 AMD erweitert bestehende Fähigkeitsprofile durch eine verbesserte Energieversorgung für zukünftige Waffen- und Führungssysteme; zudem bietet der neuartige Schiffsrumpf mehr Raum für die Installation von Lenkflugkörpern sowie eine höhere Marschgeschwindigkeit für multinationale Einsatzverbände. Damit kann das neue Fregattenmodell mit einer Kombination neuer Abwehrflugkörper zur Bekämpfung von Bedrohungen aus der Luft ausgestattet werden und durch weitreichende Flugkörper mehrere Ziele gleichzeitig in großen, bisher nicht erreichbaren Entfernungen bekämpfen. Zugleich kann die Fregatte auch gegen See- und Landziele sowie zur Ubootjagd eingesetzt werden. Mit der Ausrüstung mit NATO-Anforderungen entsprechenden Systemen wird zudem die Integration und Zusammenarbeit in der transatlantischen Strategie der NATO mit dem Schiffsdesign sichergestellt.“
(Bild: ThyssenKrupp Marine Systems)
2. Unterzeichnung der Joint-Venture-Vereinbarung am 3. September 2024 anlässlich der SMM in Hamburg: Oliver Burkhard und Friedrich Lürßen (rechts; die Tischflaggen sind vertauscht).
(Foto: ThyssenKrupp Marine Systems)