Berlin. Zum Stand der Ausstattung der Bundeswehr mit dem System „Zellulare Netze verlegefähig“ (kurz ZNV) erkundigte sich am 27. August dieses Jahres die CDU/CSU-Bundestagsfraktion bei der Bundesregierung. Bei ZNV handelt es sich um ein zellular betriebenes Funksystem, welches das sogenannte Tetrapol-System der Truppe ablösen soll. ZNV soll dabei – vergleichbar mit einem zivilen Mobilfunksystem – die Möglichkeiten aus dem Bündelfunkstandard TETRA (Terrestrial Trunked Radio) mit denen des Mobilfunkstandards LTE (Long Term Evolution) vereinen. Auch eine Anbindung an Satelliten-Kommunikationssysteme soll dann möglich sein. Die Union ist der Auffassung, dass der Prozess der Überführung des derzeitigen veralteten Bundeswehr-Truppenfunks in das digitale Zeitalter zu lange dauert und es zu Verzögerungen bei der Auslieferung der dafür nötigen Systeme kommt. In ihrer Antwort vom 16. Oktober verneint die Bundesregierung dies. Gleichzeitig verweist sie darauf, dass viele der von der Fraktion in diesem Zusammenhang erbetenen Informationen der Geheimhaltung unterliegen und deshalb nicht offen beantwortet werden können.
Die Digitalisierung zählt zu den wichtigsten Projekten der deutschen Streitkräfte. Der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages hatte dazu in seiner Sitzung am 13. Januar 2021 die entsprechende 25-Millionen-Euro-Vorlage gebilligt. Der Titel der Vorlage: „Rahmenvereinbarung über die ,Digitalisierung Landbasierter Operationen (DLBO) Anteil Zellulare Netze verlegefähig‘ samt Festbeauftragungsanteil.“
Die neuen digitalen Funknetze sollen – so die Zielvorgabe – der Bundeswehr „eine schnelle, sichere und zuverlässige Kommunikation ermöglichen“. Im Mittelpunkt dabei steht auch die Interoperabilität mit dem Digitalfunknetz deutscher Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) sowie Netzen der NATO und EU (siehe auch unseren Beitrag vom 9. Februar 2021).
Mit dem Beschaffungsvorhaben sollten bis 2024 für rund 254 Millionen Euro insgesamt 120 ZNV-Systeme – gegliedert in 40 ZNV C und 80 ZNV B – beschafft werden. Hinzu sollten eine Ausbildungs- und Referenzanlage für beide Varianten sowie die Ausstattung des Gefechtsübungszentrums des Heeres kommen.
Mit einem Rahmenvertrag wurden die ZNV in zwei gleich große Lose in Auftrag gegeben. Das erste Los umfasst ein Volumen von 151 Millionen Euro und sollte nach ursprünglicher Planung bereits 2020 abgerufen werden.
Die Bundeswehr stellt zu den beiden Losen insgesamt 22.000 TETRA-Hand- und 4000 TETRA-Fahrzeugfunkgeräte mit Zubehör (beispielsweise Ladestationen, Halter und Programmierstationen) bei. Die Aufwendungen hierfür belaufen sich auf eine Höhe von 64,9 Millionen Euro.
Die CDU/CSU-Parlamentarier beziehen sich bei ihrer Kritik vor allem auf Aussagen der Wehrbeauftragten des Bundestages, Eva Högl. Zum Fortschritt des Projekts „ZNV“ hatte die Wehrbeauftragte bereits in ihrem „Jahresbericht 2022“ (64. Bericht) kritisiert: „Das System ,Zellulare Netze verlegefähig‘ […] leidet seit dem Vertragsabschluss Anfang 2021 immer wieder unter Verzögerungen. Verantwortlich dafür ist aus Sicht des Verteidigungsministeriums die Industrie, die wiederum auf die COVID-19-Pandemie, höhere Gewalt und massive Störungen weltweiter Lieferketten verweise.“ Und: „Der gesamte Prozess der Überführung des derzeitigen veralteten Truppenfunks in das digitale Zeitalter – das heißt unter anderem die Anschaffung aller Soldatenfunkgeräte, Führungsfunkgeräte und der Netzwerkaufbau – soll nach derzeitigen Planungen frühestens mit der Beschaffung des zweiten Loses der ,Zellularen Netze verlegefähig‘ 2027 abgeschlossen sein. Das dauert definitiv viel zu lange.“
Im aktuellen „Jahresbericht 2023“ (65. Bericht) stellt die Wehrbeauftragte nun fest, dass „[für das] System ‚Zellulare Netze verlegefähig‘ […] im Berichtsjahr eine weitere Verzögerung für die Auslieferung […] eingetreten ist. Diese sei, so das Bundesministerium der Verteidigung, durch Probleme bei der Integration der Software und daraus resultierende Verzögerungen bei der Erstellung der Dokumentation und der Durchführung der Ausbildung erfolgt. Högl zu diesem Projekt abschließend: „Früheste Auslieferung des ersten Seriensystems sollte November 2023 sein, das letzte Seriensystem [wird voraussichtlich] erst im November 2025 folgen. Vielleicht reicht dies noch für die Ausstattung der Division 2025.“
Die Fragesteller verweisen darauf, dass die von der Wehrbeauftragten beschriebene Problematik durch eigene Berichte der CDU/CSU-Politiker von Truppenbesuchen bestätigt werden könnten. Es erscheine nun „zweckmäßig“, auch das Vergabeverfahren insgesamt „zu rekonstruieren“, um „mögliche Gründe für die stockende Umsetzung ausfindig zu machen“, so die Union.
Auch wenn ein Großteil der 137 Fragen der CDU/CSU nicht in offener Form beantwortet wurde (und laut Bundesregierung die Einstufung „im Hinblick auf das Staatswohl“ vielmehr „als Verschlusssache mit dem Geheimhaltungsgrad ,VS – Nur für den Dienstgebrauch‘ erfolgte), so waren etliche Regierungsantworten doch aufschlussreich.
So ist beispielsweise der Regierungsauskunft zu entnehmen, dass „bisher alle Projekt-Meilensteine gemäß Zahlungs- und Meilensteinplan und Projektplan des bindenden Vertrages eingehalten“ worden sind. Es habe bis jetzt „einen Verzug von etwa zwei Jahren“ gegeben. Denn: „Gemäß Vereinbarung hätte das erste Seriengerät am 24. November 2022 zulaufen müssen.“ Wir erfahren auch, dass „im aktuell bindenden Vertrag der Mittelabfluss momentan rund 47 Millionen Euro“ beträgt.
Weiter informiert die Bundesregierung, dass der Zulauf der ersten Systeme jetzt im November dieses Jahres vorgesehen ist. Die Nutzungsdauer des „alten“ Führungsmittels „Tetrapol Bundeswehr“ soll am 31. Dezember 2026 enden.
Auch eine konkrete Information zum Gefechtsübungszentrum des Heeres liegt vor: Hier soll die Ausstattung mit ZNV im November 2025 abgeschlossen sein.
Aus der Antwort auf die Kleine Anfrage der Bundestagsfraktion der Union geht auch hervor, dass die ESG Elektroniksystem- und Logistik GmbH (Fürstenfeldbruck) inzwischen als Unterauftragnehmer ausgeschieden ist. Hinzu kamen folgende neue Unterauftragnehmer: SMAG Mobile Antenna Masts GmbH (Salzgitter), Drehtainer GmbH (Valluhn) und Elnic GmbH (Rosenheim). Hauptauftragnehmer ist – wie früher schon berichtet – die Motorola Solutions Germany GmbH (Berlin).
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Unsere Symbolaufnahme „Kommunikation“ zeigt ein verlegefähiges Teilnehmer-Netzwerk, gesehen bei der Informationslehrübung „Landoperationen 2017“.
(Foto: Martine Pump/Bundeswehr)