menu +

Nachrichten



Koblenz/Bonn/Hawthorne (Kalifornien, USA)/Gao (Mali). Der Einsatz der Bundeswehr im westafrikanischen Mali zählt zu den gefährlichsten Missionen unserer Streitkräfte überhaupt. Sprengfallen, Autobomben und Minen stellen dabei die größte Bedrohung für die deutschen Soldaten, die unter anderem Teil des Kontingents der Vereinten Nationen (VN) in Mali sind, dar. Jetzt hat das Koblenzer Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) gemeinsam mit der Firma steep GmbH einen Vertrag zur Beschaffung einer modernen Röntgenanlage geschlossen. Das System – offizielle Bezeichnung „Fahrzeugdurchleuchtungsanlage“ – kann Transporter bis zu einer Höhe von rund 4,50 Meter komplett überprüfen. Auch kleinste Drähte einer möglichen Sprengfalle sind darstellbar.

Das Beschaffungsamt und das in Bonn ansässige Unternehmen steep unterzeichneten den Vertrag am 8. Juli (die steep GmbH, 1961 unter dem Namen „Elektronik- und Luftfahrtgeräte GmbH“ gegründet, ist heute ein international agierender Dienstleister mit mehr als 30 Standorten und rund 800 Mitarbeitern in Deutschland und Europa). Die Bundeswehr erhält künftig ein mobiles, für den VN-Einsatz in Mali bestimmtes System, mit dem Fahrzeuge bis LKW-Größe geröntgt und somit auf Sicherheit überprüft werden können.

Aktuell (Stand 11. Juli) beteiligt sich Deutschland an der Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen MINUSMA (United Nations Multidimensional Integrated Stabilization Mission) mit 1097 Kräften, davon 90 Frauen und 54 Reservisten. Im Rahmen der militärischen Ausbildungs- und Beratungsmission der Europäischen Union (European Union Training Mission, EUTM) hat die Bundeswehr derzeit weitere 263 Kräfte in Mali, darunter 21 Frauen und 14 Reservisten.

Scanner kann organische und anorganische Stoffe voneinander unterscheiden

Das neue System besteht aus drei handelsüblichen Fahrzeugscannern Eagle M60 der US-Firma Rapiscan Systems (Rapiscan hat seinen Firmensitz im kalifornischen Torrance; in Deutschland hat das Unternehmen mit der Rapiscan Systems GmbH/Rapiscan Germany im hessischen Hofheim eine Niederlassung). Bis zu 30 Zentimeter dicke Stahlwände stellen kein Hindernis beim Erkennen und Identifizieren einzelner Objekte dar. Auch kleinste Drähte einer möglichen Sprengfalle können dargestellt werden.

Der Scanner kann organische und anorganische Stoffe farblich voneinander unterscheiden, was die Detektion beispielsweise von Explosivstoffen deutlich erleichtert.

Zwei Einheiten im Einsatz, eine Einheit in der Heimat zur Ausbildung

Zeitgleich zur Fahrzeugüberprüfung können Personen auf versteckte Gegenstände am Körper sowie im Handgepäck untersucht werden. Auch biometrische Merkmale, wie etwa Fingerabdrücke, und Iris-Scans können verarbeitet werden. Zum Einsatz kommen dabei unter anderem ein Metalldetektorbogen, ein Gepäckröntgenscanner sowie ein Millimeterwellenscanner (von Flughäfen umgangssprachlich bekannt als „Nacktscanner“).

Die mobile Anlage ist in klimatisierten 20-Fuß-Containern verbaut. Der Transport erfolgt auf dem Land-, Luft- oder Seeweg. Eine Anlage besteht aus dem Durchleuchtungstruck und einer abgesetzten Einheit (Container), in der das Personal aus bis zu 500 Metern Entfernung die Kontrolle geschützt überwachen kann. Ein Servercontainer vervollständigt das System.

Ein Lkw mit den zugehörigen Containern (einschließlich Kontrolleinheit) verbleibt zur Ausbildung in Deutschland, für den Auslandseinsatz selbst sind zwei Einheiten vorgesehen. Die Lieferung der Ausbildungs- und Einsatzanlagen ist für das dritte Quartal 2023 vorgesehen.


Hintergrund                           

Mali ist ein äußerst gefährliches Land. In einer aktuellen Reise- und Sicherheitswarnung des Auswärtige Amtes heißt es: „Von nicht dringend erforderlichen Reisen in [zahlreiche] Landesteile von Mali einschließlich der Hauptstadt Bamako wird abgeraten.“ Anschläge seien in Mali überall und jederzeit möglich. Insbesondere im Norden und im Zentrum Malis (Region Mopti) komme es regelmäßig zu Anschlägen und militärischen Kampfhandlungen, so das Auswärtige Amt weiter. In den nord-östlichen und zentralen Landesteilen sowie in Gebieten entlang der Grenzen zu Mauretanien, Burkina Faso und Côte d’Ivoire seien Terrorgruppen aktiv. Für Angehörige westlicher Staaten bestehe ein erhebliches Risiko, Opfer von Entführungen und gezielten Anschlägen, aber auch von Sprengfallen sowie Landminen zu werden. Selbst in der Hauptstadt Bamako und deren Umgebung bestehe eine generelle Gefährdung durch terroristische Gruppen, warnt das Ministerium.

Das in London ansässige Unternehmen Delta Business Media, das einen regelmäßigen Report „Counter-IED“ herausgibt, hat für die vergangenen Wochen und Monate folgende Mali-Bilanz erstellt:

Am 4. März kamen in der Landgemeinde Mondoro in der Region Mopti bei einem Terrorangriff auf ein Militärcamp 27 Soldaten der Regierungstruppen ums Leben, 33 wurden verwundet. Bei dem Angriff wurden auch Autobomben eingesetzt. In der Region sind al-Qaida und der „Islamische Staat“ (IS) äußerst aktiv.

Am 7. März wurde ein Fahrzeugkonvoi der Vereinten Nationen auf dem Weg nach Timbuktu in der Nähe von Mopti von einem Sprengsatz am Straßenrand getroffen. Zwei Blauhelme starben, vier weitere wurden verletzt. Alle Opfer kamen aus Ägypten. Bei einer weiteren Attacke am selben Tag starben außerdem zwei malische Soldaten.

Am 15. März wurden vier VN-Soldaten bei der Explosion eines selbstgebauten Sprengsatzes schwer verletzt. Der Vorfall ereignete sich in der Nähe von Tessalit in der Region Kidal im Nordosten von Mali.

Selbstmordattentäter steuerten am 24. April mit Sprengstoff beladene Fahrzeuge bei einer konzertierten Aktion in drei Militärlager in Zentralmali. Sechs malische Militärangehörige kamen dabei ums Leben, insgesamt wurden 20 Menschen verletzt.

Zwei VN-Soldaten starben am 3. Juni durch eine Sprengfalle in Zentralmali. Zwei weitere Blauhelme wurden dabei verletzt. Die Opfer gehörten zum ägyptischen MINUSMA-Kontingent.

Am 19. Juni wurde ein VN-Angehöriger bei der Explosion einer Mine in der Kidal-Region schwer verletzt. Der MINUSMA-Soldat aus Guinea starb später im Krankenhaus.

Am 23. Juni wurden acht MINUSMA-Angehörige, allesamt aus Burkina Faso, bei der Explosion einer Mine rund 50 Kilometer von Timbuktu entfernt verletzt. Die Blauhelmsoldaten patrouillierten in der von Dschihadisten beherrschten Gegend.

Zwei VN-Soldaten erlagen ihren Verletzungen und fünf weitere wurden teilweise schwer verwundet, als ihr Fahrzeug am 5. Juli auf eine Mine fuhr. Die Soldaten waren Teil eines Konvois, der auf der Strecke von Tessalit nach Gao unterwegs war.

Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat die Friedensmission in Mali im vergangenen Monat um ein Jahr verlängert. Das Mandat für den Einsatz läuft nun bis zum 30. Juni 2023. Mit Stand 22. Juni 2022 zählt MINUSMA bereits 275 Todesopfer in den eigenen Reihen. Der Sicherheitsrat äußerte bei der Abstimmung zur Mandatsverlängerung „tiefe Besorgnis“ über die sich zunehmend verschlechternde politische Situation und Sicherheitslage in dem westafrikanischen Land (siehe auch unseren früheren Beitrag).


Zu unserem Bildmaterial:
1. Der handelsübliche Fahrzeugscanner Eagle M60 der US-Firma Rapiscan Systems ist Bestandteil des neuen Bundeswehr-Gesamtsystems „Fahrzeugdurchleuchtungsanlage“, das ab Herbst 2023 in Mali eingesetzt werden soll.
(Foto: Rapiscan Systems, AS&E/für BAAINBw)

2. Deutlich erkennt man das Ergebnis der Durchleuchtung bei einem mit Altreifen beladenen Transportfahrzeug.
(Foto: BAAINBw)

Kleines Beitragsbild: Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen äußerte im Juni 2022 einmal mehr seine „tiefe Besorgnis“ über die schlechte politische Situation und Sicherheitslage in Mali.
(Bild: nr)


Kommentieren

Bitte beantworten Sie die Frage. Dies ist ein Schutz der Seite vor ungewollten Spam-Beiträgen. Vielen Dank *

OBEN