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Berlin. Das Bundeskabinett hat am heutigen Mittwoch (13. Februar) die Verlängerung von vier Auslandseinsätzen der Bundeswehr auf den Weg gebracht. Stimmt das Parlament dem zu, so werden deutsche Soldaten im NATO-Auftrag weiter an „Resolute Support“ in Afghanistan und an „Sea Guardian“ im Mittelmeer teilnehmen. Auch die Beteiligung der Bundeswehr an den Blauhelm-Missionen UNAMID in Darfur sowie UNMISS im Südsudan soll fortgesetzt werden. Die Mandate werden nach derzeitiger Planung am 21./22. Februar im Bundestag eingebracht. Die Abstimmung über die Mandate ist für den 22./23. März geplant.

Besonders die Verlängerung des Mandats zur Teilnahme der Bundeswehr an der NATO-geführten „Resolute Support Mission“ (RSM) bei unveränderter personeller Obergrenze bis zum 31. März 2020 ist in Deutschland umstritten (siehe auch unseren gestrigen Beitrag). Mit der Mission beteiligt sich Deutschland, derzeit zweitgrößter Truppensteller, seit dem 1. Januar 2015 an der Ausbildung, Beratung und Unterstützung der afghanischen nationalen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte.

Afghanische Kräfte können immer noch nicht für die Sicherheit im Land sorgen

Die offizielle Begründung des Kabinetts für den Bundeswehreinsatz in Afghanistan konnte man einmal mehr bei der heutigen Regierungspressekonferenz in Berlin hören. Ulrike Demmer, Stellvertretende Sprecherin der Bundesregierung, trug dort vor: „Eingebunden in den vernetzten Gesamtansatz, dient der militärische Beitrag [der Bundeswehr] dazu, die Leistungsfähigkeit der afghanischen Sicherheitskräfte weiter zu erhöhen, damit diese zu einer flächendeckenden und nachhaltigen eigenverantwortlichen Wahrnehmung der Sicherheitsverantwortung befähigt werden, um damit einem innerafghanischen Friedensprozess, dem zivilen Aufbau und der Entwicklungszusammenarbeit die nötige Zeit und auch den Raum, zu geben“. Sie gestand aber auch ein: „Die afghanischen Sicherheitskräfte sind weiterhin nicht in der Lage, selbsttragend und flächendeckend für Sicherheit zu sorgen, und benötigen unverändert intensive Beratung.“

Zunehmend unruhig macht die Partner der Vereinigen Staaten, dass US-Präsident Donald Trump eine massive Reduzierung seiner Truppen am Hindukusch nach wie vor nicht ausschließt. Bei der Berliner Pressekonferenz war dieses Szenario denn auch ein Schwerpunkt bei den Medienfragen.

Einsame Entscheidungen des amerikanischen Präsidenten

Über Trumps Truppenreduzierungspläne für Afghanistan hatten am 20. Dezember vergangenen Jahres zuerst das Wall Street Journal sowie die New York Times unter Berufung auf „offizielle Quellen innerhalb der Regierung“ berichtet. Am Tag zuvor hatte Trump bereits angekündigt, alle 2000 US-Soldaten aus dem Bürgerkriegsland Syrien nach Hause holen zu wollen.

Den Zeitungsbeiträgen über Afghanistan zufolge beabsichtigt der Präsident, etwa die Hälfte der 14.000 amerikanischen Soldaten vom Hindukusch abzuziehen. Die Pläne wurden öffentlich, kurz nachdem Verteidigungsminister James Mattis seinen Rückzug aus dem Kabinett „wegen Meinungsverschiedenheiten mit Trump“ angekündigt hatte. US-Medien zufolge soll Trumps Entscheidung zu Syrien der Auslöser für die Entscheidung von Mattis gewesen sein. Auch die Überlegungen für eine deutliche Reduzierung der US-Truppen in Afghanistan dürften eine Rolle gespielt haben.

Nach Schätzungen des Geheimdienstes der Kabuler Regierung sind inzwischen etwa 70.000 Taliban-Kämpfer im Land aktiv, die Vereinten Nationen gehen sogar von bis zu 90.000 Aufständischen aus.

Die in Afghanistan erzielten Erfolge keinesfalls gefährden

Regierungssprecherin Demmer versicherte bei der Berliner Pressekonferenz auf Nachfrage mehrfach, dass „mit Blick auf die NATO-Mission ,Resolute Support‘ alle Entscheidungen im Kreise der Verbündeten und Partner im Konsens getroffen“ würden. Wörtlich sagte sie: „Derzeit gibt es keine konkreten Entscheidungen für einen US-Truppenabzug. Sollte sich ein Truppenabzug konkretisieren, werden innerhalb der zuständigen Gremien der NATO natürlich entsprechende Szenarien entwickelt. Hierbei werden wir uns natürlich einbringen. Wichtig ist für uns, dass die in Afghanistan bereits erzielten Erfolge nicht gefährdet werden.“

Rainer Breul, Sprecher des Außenministeriums, berief sich auf die Reise von Außenminister Heiko Maas in die Vereinigten Staaten und dessen Treffen in Washington am 23. Januar mit Amtskollegen Mike Pompeo. Maas sei bei der Begegnung „noch einmal versichert [worden], dass es „zu diesem Zeitpunkt keine konkreten Planungen“ für einen Abzug aus Afghanistan gebe. Außenminister Pompeo habe Maas des Weiteren zugesagt, dass Deutschland als zweitgrößter Truppensteller in Afghanistan rechtzeitig in solche Planungen, falls sie erfolgen, einbezogen werde. Außerdem, so Breul, sei jetzt erst der amtierende US-Verteidigungsminister Patrick Shanahan in Afghanistan gewesen und habe bei seinem Besuch dort noch einmal bestätigt, dass es keine Abzugspläne der USA gebe.

Taliban können aus einer Position der Stärke heraus verhandeln

Das Thema „Afghanistan“ spielt in diesen Tagen bei den Kommentatoren deutscher Tageszeitungen eher eine nachgeordnete Rolle. Eigentlich verwunderlich angesichts der möglichen Entwicklungen. Einiges haben wir aber dennoch gefunden …

So schreibt die Rhein-Neckar-Zeitung aus Heidelberg über Friedensverhandlungen mit den Taliban und einen eventuellen Friedensprozess: „Der Zeitpunkt liegt denkbar ungünstig, da die USA unter Trump offen über einen Teilabzug nachdenken. Dass die anderen NATO-Staaten die Lücke füllen werden, ist unwahrscheinlich, und so könnten die Taliban aus einer Position der Stärke heraus verhandeln. Um das zu verhindern, müssten die NATO-Staaten Geschlossenheit zeigen und eine gemeinsame Strategie für einen schrittweisen Rückzug entwickeln. Ob es dafür allerdings ein Bewusstsein in Washington gibt, ist fraglich.“

Schlecht organisierter Friedensprozess könnte das Land noch weiter zerreißen

Christian Meier kommentiert in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung: „Im 18. Jahr des Krieges […] stehen die Vereinigten Staaten am Hindukusch de facto vor einer Niederlage – wie schon die Sowjetunion und vor ihr andere Großmächte. Ein Friedensschluss böte einen Ausweg. Der Weg dorthin ist jedoch gepflastert mit Unwägbarkeiten: Nach wie vor legen sich die Taliban nicht fest, ob sie bereit sind, mit [der afghanischen Regierung] direkt zu verhandeln. Und auch nicht, wann: Erst nach einem Abzug der verbliebenen 22.000 ausländischen Soldaten? Wer garantiert, dass sie nicht ihr ,Islamisches Emirat‘ wiedererrichten werden, in dem schon einmal – von 1996 bis 2001 – drakonische Gesetze herrschten? Manche Einlassungen von Taliban-Führern dieser Tage klingen, als hätten sie Kreide gefressen. Und auch unter den Islamisten gibt es Radikalere und Moderatere. Es deutet aber wenig darauf hin, dass sie vom Ziel eines rigiden politischen Systems abgerückt wären, in dem viele Menschen nicht gleichberechtigt sind.“

Meier gibt weiter zu bedenken: „Washington versucht zu beruhigen: ,Wir lassen euch nicht allein‘, lautet die Botschaft. Doch wer wollte sich angesichts des Temperaments dieses Präsidenten darauf verlassen? Auch die NATO-Partner rätseln weiter, ob Trump schon bald einen Teil der Truppen aus Afghanistan abzieht. An dieser – bislang unbestätigten – Entscheidung hängt nicht zuletzt das militärische Engagement Deutschlands.“

Der Kommentar in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung endet mit der Warnung: „Ein schlecht organisierter Friedensprozess könnte das Land noch weiter zerreißen. Er muss mit breiter gesellschaftlicher Beteiligung geführt werden. Und jedes Abkommen mit den Taliban muss klare Garantien und Mechanismen enthalten, es kann nicht ausschließlich auf Vertrauen beruhen. Frieden in Afghanistan kann auf absehbare Zeit nur erreicht werden, wenn er mit robusten Mitteln – auch von außen – abgesichert wird. Selbst dann wird es aber ein fragiler Frieden bleiben.“

Der Westen hat für Afghanistan keinerlei Exit-Strategie

In der Rheinischen Post zieht Holger Möhle eine Bilanz: „Vermutlich geht dieser Einsatz auch noch ins 20., ins 21. und ins 22. Jahr. Afghanistan ist die endlose Geschichte der Bundeswehr. Bei der Inspektion eines Vorkommandos Ende 2001 konnte niemand ahnen, dass 18 Jahre später ein deutsches Kontingent – im Verbund mit Alliierten – noch immer den Auftrag hat, in Afghanistan für Frieden zu sorgen. Inzwischen ahnen aber auch die härtesten Krieger: Frieden in Afghanistan wird nicht ohne die Taliban zu machen sein, egal, wie lange die Bundeswehr und andere westliche Armeen noch ihren Einsatzbefehl für Afghanistan haben werden. Bei der NATO gilt ja die alte Devise: gemeinsam rein, gemeinsam raus. Doch genau daran hapert es. Der Westen hat für Afghanistan keine Exit-Strategie.“

Über eine weitere Afghanistan-Konferenz, mit Beteiligung der Taliban, meint Möhle: „Die radikal-islamischen Religionskrieger sind ein Machtfaktor in dem Land am Hindukusch. Machtfaktoren müssen nicht gemocht, aber sie sollten gehört und berücksichtigt werden.“


Unser Symbolbild „Einsatz in Afghanistan“ vom 25. April 2007 zeigt einen Bundeswehrsoldaten mit seinem Team auf Patrouille in der Nähe von Mazar-e Sharif.
(Foto: Ruud Mol/SHAPE)

Kleines Beitragsbild: Ärmelabzeichen der Mission „Resolute Support“.
(Gestaltung: mediakompakt)


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