menu +

Nachrichten



Northwood (England)/Glücksburg. Der Name „Lisco Gloria“ steht noch heute exemplarisch für ein Schiffsunglück auf hoher See, das eigentlich alle Vorzeichen einer schrecklichen Katastrophe trug. Die Ostseefähre hatte am Abend des 8. Oktober 2010 Kiel verlassen und Kurs auf Klaipeda in Litauen genommen. Kurz nach Mitternacht brach rund sechs Seemeilen nördlich der Insel Fehmarn nach einer Explosion ein verheerendes Feuer an Bord aus. Nach Eingang des Notrufes der „Lisco Gloria“ leiteten das Maritime Rescue Coordination Center (MRCC) der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger in Bremen und das militärisch besetzte Air Rescue Coordination Center (ARCC) in Glücksburg erste Rettungsmaßnahmen ein …

Das Havariekommando in Cuxhaven, eine gemeinsame Einrichtung des Bundes und der Küstenländer, koordinierte damals sofort eine Rettungskette. Seenotrettungskreuzer der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger sowie alle verfügbaren SAR-Hubschrauber der umliegenden Anrainerstaaten wurden zur Unterstützung angefordert (SAR: Search and Rescue/Suchen und Retten). Die 204 Passagiere und 32 Besatzungsmitglieder der Ostseefähre konnten allesamt gerettet werden, es gab lediglich 28 Verletzte. Als Unglücksursache identifizierten die Behörden später ein brennendes Lastwagenaggregat.

Das rasche, umsichtige und effektive Handeln aller an dieser Rettung beteiligten Stellen und Kräfte hatte im Oktober 2010 eine Schiffskatastrophe großen Ausmaßes verhindert. Heute gilt der Fall „Lisco Gloria“ als „Blaupause“ für eine erfolgreich koordinierte Rettung, an der mehrere Nationen beteiligt sind. Die NATO übt solche Szenarien alljährlich im Rahmen ihres Manövers „Dynamic Mercy“.

Such- und Rettungsmissionen über Ländergrenzen hinweg

Die Übungsserie „Dynamic Mercy“ wird vom Allied Maritime Command (MARCOM) im englischen Northwood ausgerichtet und findet abwechselnd in der Ostsee und Nordsee statt. An „Dynamic Mercy“ beteiligen sich SAR-Leitstellen und -Kommandos der NATO und NATO-Partner. Trainiert werden zum einen multinationale Rettungseinsätze. Der zweite Schwerpunkt liegt auf der multinationalen Kommunikation zwischen verschiedenen SAR-Zentren.

In diesem Jahr wurde „Dynamic Mercy“ mit CPX- und LIVEX-Anteilen im Zeitraum 2. bis 13. Mai durchgeführt, an mehreren Tagen fanden Einzelübungen statt (CPX: Command Post Exercise/Stabsrahmenübung; LIVEX: Live Exercise/Übung mit realen Kräften). Am Mittwoch vergangener Woche (11. Mai) dann der Höhepunkt: Militärische und zivile Kräfte übten im Seegebiet vor der Insel Helgoland die Massenevakuierung von einem in Seenot geratenen Schiff. Dem Szenario lag – wir ahnen es – das Unglück der „Lisco Gloria“ zugrunde.

Übungsschwerpunkt: Koordinierung der Hubschrauberrettungsflüge

Laut Übungsdrehbuch havarierte das Kreuzfahrtschiff „MS Realistica – dargestellt vom Einsatzgruppenversorger „Berlin“ – auf dem Transit kurz vor Helgoland. Nach Wassereinbruch droht es nun schnell zu sinken. An Bord befinden sich fiktiv rund 4000 Passagieren und 1000 Besatzungsangehörige (für die Übung halten sich an Deck der „Berlin“ rund 200 Darsteller auf, die „auf Rettung warten“).

Die Übung beginnt mit dem Notruf des Einsatzgruppenversorgers. Bereits wenige Minuten später treffen die ersten Seenotrettungskreuzer und Helikopter ein. Bei der Massenevakuierung der „MS Realistica“-Passagiere sind insgesamt vier Hubschrauber gleichzeitig in der Luft: neben den beiden SAR-Hubschraubern Sea King Mk.41 des Marinefliegergeschwaders 5 in Nordholz ein niederländischer Hubschrauber sowie eine Maschine der Bundespolizei aus Fulendorf. Eine dänische Challenger übernimmt vom ARCC Glücksburg die Koordination der beteiligten SAR-Hubschrauber in der Luft.

Von See aus unterstützen die deutschen Seenotrettungskreuzer „Hermann Marwede“, „Bernhard Gruben“ und „Theodor Storm“ sowie der niederländische Rettungskreuzer „Jan en titia Visser“ die Evakuierung. Nach insgesamt 24 Hubschrauberflügen zur Insel Helgoland sind alle 200 Übungsdarsteller sicher an Land gebracht worden. Alles in allem dauerte ihre „Rettung“ knapp fünf Stunden.


Video-Hinweis: Das Video des YouTube-Kanals der Bundeswehr entstand bei der Übung „Dynamic Mercy 2016“ vor der Insel Helgoland. Die beteiligten Kräfte trainierten dabei vor allem die Koordinierung mehrerer Hubschrauber verschiedener Nationalitäten für eine Massenevakuierung von Bord eines Schiffes.
(Video 16e17101: Redaktion der Bundeswehr)

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden



Zu unserem Bildmaterial:
1. Die brennende Ostseefähre „Lisco Gloria“ in der Nacht des 9. Oktober 2010.
(Foto: Havariekommando Cuxhaven)

2. NATO-Manöver „Dynamic Mercy 2016“ im Seegebiet vor der Insel Helgoland. Der Einsatzgruppenversorger „Berlin“ hat die Rolle eines havarierten Kreuzfahrtschiffes übernommen, von dem die Passagiere gerettet werden müssen.
(Foto: Sascha Jonack/Bundeswehr)

3. Übungsteilnehmer werden von einem deutschen Sea King-Hubschrauber im Korb-Winch-Verfahren von Bord des „havarierten“ Schiffes geborgen.
(Foto: Sascha Jonack/Bundeswehr)

4. Hubschrauber und Seenotretter der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger übernehmen Schiffspassagiere.
(Foto: Sascha Jonack/Bundeswehr)

5. Die ausgebrannte „Lisco Gloria“ am 10. Oktober 2010, das Ausmaß der Schäden ist erschreckend. Das gewaltige Feuer hat zwei Löcher in die Außenwand des Schiffs gefressen. Betroffen ist unter anderem ein Bereich an einem Außengang auf der Steuerbordseite. An der Außenhaut des Schiffs waren in der Unglücksnacht Temperaturen von bis zu 300 Grad gemessen worden.
(Foto: Havariekommando Cuxhaven)


Kommentieren

Bitte beantworten Sie die Frage. Dies ist ein Schutz der Seite vor ungewollten Spam-Beiträgen. Vielen Dank *

OBEN