Berlin. Der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages hat am 27. Januar seinen Jahresbericht 2014 an Bundestagspräsident Norbert Lammert übergeben. Bereits der erste Satz im Vorwort von Hellmut Königshaus verheißt wenig Gutes. Da lautet der Auftakt zu einem 79 Seiten starken Druckwerk mit 36 Seiten Anhang: „Das Jahr 2014 war für die Bundeswehr ein Jahr der Wahrheit.“ Denn, so erklärt uns Königshaus: „Alterungsbedingte Ausfälle bei Bewaffnung und Material machten ebenso wie der zunehmende Sanierungsstau bei der baulichen Infrastruktur deutlich, wie dringlich nach den Jahren der notwendigen Schwerpunktsetzung zugunsten der Ausstattung und Ausrüstung in den Einsatzgebieten nunmehr eine Konzentration auf die Situation im Grundbetrieb geworden ist.“ Will heißen: Die Bundeswehr ist nur bedingt einsatzbereit – im Auslandseinsatz inzwischen äußerst gut ausgestattet, in der Heimat aber fast schon ein Sanierungsfall. Die Einsatzbereitschaft ganzer Verbände sei mangelhaft, weil zugunsten der Auslandseinsätze notwendige Investitionen zurückgestellt worden seien, beklagt der Wehrbeauftragte. Die Bundeswehr insgesamt sei „an der Grenze der Leistungsfähigkeit“ angelangt. Wahrheit, ungeschminkt!
Der scheidende Wehrbeauftragte legte bei seinem fünften und letzten Jahresbericht den Schwerpunkt auf die allgemeine Einsatzbereitschaft der Truppe. In den Jahren zuvor waren es oft die persönlichen Belange der Soldatinnen und Soldaten gewesen, die im Mittelpunkt standen.
Die Bundeswehr sei zwar „in vielen Bereichen leistungsfähig“, sagte Hellmut Königshaus bei der Pressekonferenz nach Übergabe seines Berichts an den Bundestag. Zu beklagen sei aber auch diesmal wieder vor allem die Doppelbelastung der Soldaten durch Auslandseinsätze und Neuausrichtung. Zur scheinbaren Endlosschleife „Reform“ heißt es im Jahresbericht 2014: „Die Bundeswehr wird seit der Deutschen Einheit kontinuierlich umgebaut. Heeresstruktur 5, Erneuerung, Transformation, Neuausrichtung – die Begrifflichkeiten haben sich geändert, die weitgehenden Auswirkungen eines jeden Umbaus auf die Soldatinnen und Soldaten und ihre Familien hingegen nicht.“
Bei der hohen Einsatzbelastung wandele die Bundeswehr insgesamt auf einem schmalen Grat, warnt Königshaus bei der Pressekonferenz. Er wies darauf hin, dass sich die Neuausrichtung der deutschen Streitkräfte konzeptionell in hohem Maß an den Erfahrungen aus dem Afghanistaneinsatz orientiere. Die neuen beziehungsweise möglichen künftigen Auslandseinsätze der Bundeswehr erforderten jedoch teilweise andere Fähigkeiten. Der operative Bedarf und die strukturelle Ausplanung klafften auseinander. Besonders belastet seien im Moment beispielsweise die Flugabwehrraketentruppe durch den Türkeieinsatz, Schnell- und Ubootfahrer, Personal aus dem Bereich der Marineflieger, Luftumschlagkräfte, Marinetechniker oder die Führer der Bordeinsatzteams.
In seinem Bericht legt der Wehrbeauftragte dar: „Die Neuausrichtung der Bundeswehr wird von der Vorgabe geleitet, dass die Breite des Fähigkeitsprofils gegenüber anderen Faktoren einen höheren Stellenwert hat – Stichwort ,Breite vor Tiefe‘. Diese Maßgabe darf nicht dazu führen, dass bestimmte Soldatengruppen regelrecht verbraucht werden. […] In den Mangelbereichen müssen also entweder ausreichend Dienstposten ausgeplant und auch besetzt sein, oder aber es können bestimmte Einsatzverpflichtungen durch die Bundeswehr nicht mehr übernommen werden.“
Stark beeinträchtigt wurde im Jahr 2014 nach Ansicht des Wehrbeauftragten die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr auch „durch den alterungsbedingten Ausfall bei Bewaffnung und Material sowie durch den Sanierungsstau in vielen Kasernen“. Dies führe zu erheblichen Mehrbelastungen für das Personal und verringere die Aussichten auf eine baldige Umsetzung der Attraktivitätsoffensive des Verteidigungsministeriums, so Königshaus gegenüber den Medien. Die derzeit im Verteidigungshaushalt eingeplanten Mittel für den Erhalt und den Neubau von Infrastruktur seien „bestenfalls ausreichend, die Dynamik des Verfalls aufzuhalten“.
Im Wehrbeauftragtenbericht 2014 liest sich dies so: „Die Rückstände bei der baulichen Unterhaltung und der Instandhaltung des Gerätes haben einen nicht länger hinzunehmenden Umfang erreicht. Die Entscheidung, ob die zur Beseitigung dieser Probleme erforderlichen Mittel durch Umschichtungen innerhalb des derzeitigen Budgetrahmens gewonnen werden können oder aber zumindest für eine begrenzte Zeit eine Anhebung des Verteidigungsetats nötig ist, mag noch zu prüfen sein. Unzweifelhaft aber würde ein weiteres Zuwarten zu noch mehr Ausfällen bei Waffen und Gerät und zu einem weiteren Verfall der baulichen Infrastruktur führen. Die ,Agenda Attraktivität‘, welche unter anderem die Verbesserung des Unterbringungsstandards zum Gegenstand hat, müsste dann scheitern.“
Wie die Realität der Wohninfrastruktur in deutschen Kasernen aussieht, dokumentiert der Königshaus-Report schonungslos: „Nach einer unter anderem vom Wehrbeauftragten veranlassten Begutachtung im August 2014 durch das Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr weisen 38 Prozent der Unterkunftsgebäude noch immer größere Mängel auf, bei denen der Schwerpunkt der Investitionen in den Jahren 2014 bis 2017 liegt. […] Neun Prozent der Gebäude – das heißt 269 von 3000 Gebäuden – sind derzeit eigentlich nicht nutzbar, aber dennoch teilweise bewohnt. Weitere erkannte Missstände – wie die Überbelegung von Stuben, Rost- und Schimmelbefall, Kloakengeruch und im Winter defekte Heizkörper in Sanitärbereichen – sind exemplarisch für die an vielen Standorten seit Jahren vernachlässigte Infrastruktur. Die Instandsetzung ist eine Daueraufgabe, die seit Jahren nur schrittweise vorankommt.“
Zur umfangreichen Liste der bitteren Wahrheiten über den Zustand der Truppe gehört auch das Kapitel „Verfügbarkeit von Großgerät und Fahrzeugen“. Erst im September vergangenen Jahres hatte Generalinspekteur Volker Wieker dem Verteidigungsausschuss dazu Aufstellungen über die materielle Einsatzbereitschaft der Streitkräfte bei den Hauptwaffensystemen vorlegen müssen. Diese offenbarten gravierende, von den Abgeordneten so nicht erwartete Defizite. Königshaus merkt dazu jetzt an, dass „die Situation teilweise bei einigen der in den Listen nicht behandelten Waffensysteme noch unbefriedigender“ sei.
Der Wehrbeauftragte hatte übrigens in den vergangenen Jahren mehrfach dargelegt, dass „die vorhandene Ausrüstung den Grundbetrieb nicht zu unterhalten vermag und die Rüstungsplanung die sach- und zeitgerechte Deckung des künftigen Einsatzbedarfs nicht gewährleistet“. Die Ursachen hierfür seien nicht zuletzt in Priorisierungen durch den Afghanistaneinsatz zu finden, hätten aber auch strukturelle Gründe. Auch in seinem Jahresbericht erklärt Königshaus dazu: „Die bessere Ausstattung der Truppe im Einsatz war dringend notwendig und richtig. Doch vieles, was nicht unmittelbar für die laufenden Einsätze relevant war, wurde vernachlässigt. Der Grundbetrieb litt darunter sehr und muss nunmehr durch eine Erneuerungsinitiative auf den neuesten Stand gebracht werden.“
Die massiv zutage getretenen Mängel und Defizite bei militärischem Großgerät betreffen unter anderem den Eurofighter, den Transporthubschrauber NH90, das Transportflugzeug Transall oder Minenjagdboote der Marine.
Einige Beispiele und Zahlen aus dem Jahresbericht 2014 veranschaulichen das Desaster. So musste in einer Spezialeinheit eine komplexe Übung mit NATO-Partnern abgesagt werden, weil ein Hubschrauber vom Typ CH-53 GS/GE nicht zur Verfügung stand. Von neun infrage kommenden Maschinen des beauftragten Geschwaders waren acht Maschinen zu diesem Zeitpunkt nicht einsatzbereit, der einzig einsatzklare Hubschrauber verfügte nur noch über drei Flugstunden bis zur nächsten verpflichtenden Wartungsinspektion.
Im Taktischen Luftwaffengeschwader 51 „Immelmann“ konnten bis Ende Oktober 2014 von den insgesamt 1498 geplanten Flügen nur 924 Flüge tatsächlich durchgeführt werden. Dies entspricht einem Ausfall von 38 Prozent. Bereits die Anzahl der geplanten Flüge hätte kaum ausgereicht, um alle Luftfahrzeugbesatzungen dem NATO-Standard entsprechend auszubilden.
Im Heer litt die einsatzvorbereitende Ausbildung an der eingeschränkten Verfügbarkeit von geschützten Fahrzeugen. Dazu Königshaus erstaunt: „Es ist offensichtlich nicht unüblich, dass in der einsatzvorbereitenden Ausbildung Transportpanzer durch Kleintransporter Mercedes Vito simuliert werden, geschützte Einsatzfahrzeuge Eagle IV durch Nissan Pathfinder und Allschutztransportfahrzeuge Dingo durch Geländefahrzeuge vom Typ Wolf.“
Seit Juni 2014 ist die gesamte Flotte der Marinehubschrauber Sea Lynx Mk.88A wegen aufgetretener Risse im Bereich des Heckkonus für die militärische Nutzung gesperrt. Dazu hält der Wehrbeauftragtenbericht fest: „Zum Ende des Berichtsjahres bestand nach Aussage des Inspekteurs der Marine kein Zulassungshemmnis für eine Wiederinbetriebnahme. Nach Mitteilung der Wehrtechnischen Dienststelle dauert die Untersuchung der Ursache für den aufgetretenen Riss jedoch noch an.“ Wie denn nun?
Die Sea Lynx wurden bislang unter anderem als Bordhubschrauber im Rahmen der europäischen Anti-Piraterie-Mission „EU NAVFOR Somalia – Atalanta“ eingesetzt. Königshaus kritisiert jetzt: „Ohne Bordhubschrauber sind die vom Deutschen Bundestag in seinem Mandat beschlossenen Fähigkeiten nicht oder nur stark eingeschränkt gewährleistet. Die Sinnhaftigkeit des Einsatzes dürfte den Soldatinnen und Soldaten an Bord der seegehenden Atalanta-Einheiten unter diesen Umständen kaum noch vermittelbar sein.“ Zudem bereitet es Sorge, dass Besatzungsangehörige im Falle eines medizinischen Notfalls nicht per Hubschrauber evakuiert werden könnten.
Da zeitgleich auch Probleme an den Hubschraubern des Typs Sea King Mk.41 aufgetreten seien, sei in diesem Bereich der Bundeswehr eine nur eingeschränkte Aufgabenerfüllung möglich, fasst der Wehrbeauftragte frustriert zusammen. Die Marineflieger blieben derzeit überwiegend am Boden.
Die zahlreichen Negativschlagzeilen um aktuelle Rüstungs- und Beschaffungsprojekte verstärken in der Öffentlichkeit zudem den Eindruck, dass der Gesamtzustand der deutschen Landes- und Bündnisverteidigung sowie unsere Möglichkeiten und Mittel zur angemessenen Erfüllung internationaler Verpflichtungen momentan besorgniserregend sind.
Paradebeispiel hierfür: der A400M. Das erste neue Transportflugzeug für die Bundeswehr wurde von Airbus am 19. Dezember mit vier Jahren Verspätung ausgeliefert. Noch immer gibt es mit dieser Maschine massiv Probleme. In einer Ende Januar über die Deutsche Presse-Agentur öffentlich gewordene Mängelliste der Luftwaffe für das ausgelieferte Modell werden gravierende Einschränkungen aufgeführt. Insgesamt soll der erste A400M der Bundeswehr 161 Mängel aufweisen – darunter acht „permanente und temporäre Minderleistungen“.
Dass auch dieser letzte Bericht von Hellmut Königshaus Themen aufgreift, die im gesellschaftlichen Bewusstsein weniger präsent sind, verdient einmal mehr Anerkennung. Dazu zwei Beispiele.
Besorgt zeigt sich Königshaus über die Zahl der Suizide in der Bundeswehr. Im abgelaufenen Jahr sei er über 24 vollendete und 43 versuchte Suizide informiert worden. „Die Gründe für die vollendeten Suizide sind – sofern bekannt – zum weit überwiegenden Teil im privaten Bereich der Verstorbenen zu suchen“, so der Wehrbeauftragte in seinem Jahresbericht. „Allerdings sind Einsatzzeiten, ein heimatferner Dienstort und damit verbundenes Pendeln dienstliche Belastungen, die zwangsläufig auch Rückwirkungen auf das Privatleben haben. […] Eine Auswirkung von Einsatzbelastungen auf die bei einigen Suiziden attestierten Depressionen kann ebenfalls objektiv nicht ausgeschlossen werden.“
In der Pressekonferenz sagte Königshaus zudem, er halte die Zahl als solche bereits für beunruhigend. Und: „Ich wäre froh, man würde intensiver darauf dringen, dass wir die Suizidzahlen in Richtung Null bringen.“
Das zweite Beispiel betrifft ebenfalls ein vermeintliches Nischenthema. Er sehe nach wie vor, so der Wehrbeauftragte, wie wenig fürsorglich Deutschland mit seinen afghanischen Helfern bei Bundeswehr, Polizei und Entwicklungszusammenarbeit umgehe.
Es gleicht einer schallenden Ohrfeige, wenn Hellmut Königshaus schreibt (und dies bereits in seinem Vorwort zum Jahresbericht 2014): „Unser Land nimmt großzügig und völlig zu Recht – und erfreulich unbürokratisch – Menschen aus vielen Krisenregionen auf, ohne aufwendig individuelle Gefährdungsprüfungen durchzuführen. Es ist nicht einzusehen, warum gerade diejenigen, die sich ebenso wie unsere deutschen Einsatzkräfte für unser Land eingesetzt haben, schlechter behandelt und mit bürokratischen Prozeduren überzogen werden. Erst recht ist nicht zu akzeptieren, dass sie – so sie es doch nach Deutschland geschafft haben – oftmals unwürdig behandelt und untergebracht werden. Diese Menschen haben unseren Respekt und unseren Dank verdient und nicht Misstrauen und Missgunst.“
Die Zahl der Eingaben von Bundeswehrangehörigen an den Wehrbeauftragten im Jahr 2014 bewegt sich mit 4645 weiterhin auf einem zahlenmäßig gesehen sehr hohen Niveau. Zwar waren es 2013 noch 5095 Eingaben gewesen, allerdings sank im gleichen Zeitraum auch die durchschnittliche Truppenstärke von rund 184.000 auf 173.000 Soldaten. Somit lag die Eingabenquote 2014 noch immer bei 26,8 je 1000 Soldaten (im Jahr zuvor hatte sie bei 27,7 gelegen).
Mit 21,29 Prozent lagen Eingaben zur „Menschenführung und soldatischen Ordnung“ an der Spitze, gefolgt von den Bereichen „Besoldung und besoldungsrechtliche Nebengebiete“ (11,87 Prozent), „Vereinbarkeit von Familie und Dienst“ (11,62 Prozent), „Verwendungsplanung, Mängel in der Personalführung, Urlaub“ (11,07 Prozent) sowie „Begründung und Änderung von Dienstverhältnissen“ (9,87 Prozent). Unsere Infografiken veranschaulichen das Zahlenmaterial.
Lassen wir nach der Statistik noch die Kommentatoren zu Wort kommen. Auch in diesem Jahr folgte der Veröffentlichung eines Wehrbeauftragtenberichts umgehend ein deutliches Presseecho. Wir haben auch diesmal wieder längere Zeit aufmerksam hingehört und – stellvertretend für die ganze Bandbreite der Meinungen – Klangproben gesammelt.
Die Schwäbische Zeitung lobt den scheidenden Wehrbeauftragten. Hellmut Königshaus verlasse zwar im Mai den Amtssitz in Berlin, habe aber dennoch in seinem letzten Wehrbericht „mit Augenmaß kritisiert“. Das Blatt erläutert danach: „Königshaus lobt Verbesserungen bei der Ausrüstung für Auslandseinsätze, kritisiert aber auch Mängel in der Ausstattung im Inland. Beides hängt zusammen, die Bundeswehr hat sich in den letzten Jahren auf die Auslandseinsätze konzentrieren müssen, doch zu Haus schimmeln manche Kasernen vor sich hin. In Teilen ist die Bundeswehr seit Jahren unterfinanziert, der Sanierungsbedarf lässt sich nicht so schnell aufholen. Umso wichtiger ist die Unterstützung und Wertschätzung von Soldaten, die manchmal mehr Fantasie als Geld erfordert. Veteranenkonzepte und die bessere Vereinbarkeit von Familie und Dienst gehören dazu.“
Ähnlich sieht es die Mittelbayerische Zeitung. Der aktuelle Jahresbericht decke ungeschminkt gravierende Mängel bei der Armee auf. Für die Auslandseinsätze der vergangenen 15 Jahre sei alles aufgeboten worden, um dort für den gefährlichen Job halbwegs gut gewappnet zu sein. Darunter habe freilich „die Heimatfront“ leiden müssen – hier habe sich etwa bei den Kasernen ein riesiger Sanierungsstau aufgebaut. „Auch diesen Stau muss die flotte und ehrgeizige Ministerin Ursula von der Leyen auflösen, wenn sie die Attraktivität der Truppe wirklich erhöhen will“, rät der Verfasser dieses Kommentars.
Die Verteidigungsministerin nehmen auch andere Printmedien in die Pflicht. Die Thüringische Landeszeitung beispielsweise schreibt: „Wehrbeauftragter Königshaus bescheinigt der Bundeswehr substanzielle Probleme, die die Armee an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit gebracht haben. Eine ,Attraktivitätsoffensive‘, wie sie Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen ankündigt, wird da nicht reichen. Hier muss mehr geschehen.“ Die Mängelliste sei ebenso lang wie katastrophal, kritisiert die Zeitung. Die Ausrüstung der Soldaten müsse unbedingt deren Auftrag entsprechen, die Liegenschaften dürften nicht weiter verkommen. Dies alles koste Geld, das derzeit (noch) nicht vorhanden sei und außerplanmäßig lockergemacht werden müsse. Die Bündnisfähigkeit der Bundeswehr sei sonst akut gefährdet. Das Fazit der Thüringischen Landeszeitung: „Das Beschämende daran ist, dass ein im Grunde wohlhabendes Land niemals in eine solch blamable Lage hätte kommen dürfen!“
Der Weser-Kurier meint zum bedauernswerten Zustand der Bundeswehr: „Die Ministerin steht vor ihrer Bewährungsprobe. Kann sie verhindern, dass die Truppe weiterhin das Sparschwein der Nation ist? Denn ebenso wichtig wie die Vereinbarkeit von Dienst und Familie ist die Ausstattung mit funktionierendem Gerät – Hubschrauber, die tatsächlich fliegen, Minenjagdboote ohne Kupplungsschaden. Auch modernere Unterkünfte gehören dazu, wenn die Bundeswehr attraktiver werden soll. Die Soldaten haben es verdient – letztlich halten sie an immer mehr Orten der Welt für Deutschlands Interessen den Kopf hin.“
Die Bundeswehr ein Sanierungsfall? Ja, meint die Südwest Presse und warnt zugleich vor einer Verschärfung der Lage. Was der Wehrbeauftragte in seinem Jahresbericht zusammengetragen habe, sei im Grundsatz nicht neu. Doch die Diskrepanz zwischen den vorhandenen Ressourcen und den an die Truppe herangetragenen Anforderungen wachse immer mehr. „Nicht zuletzt aufgrund der hochfliegenden Ideen von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, die vollmundig ein stärkeres weltweites militärisches Engagement Deutschlands fordert“, so die Zeitung. Wer die „Dynamik des Verfalls“ (Königshaus) aufhalten wolle, dürfe sich nicht mit einer Attraktivitätsoffensive begnügen. Er müsse sich das etwas kosten lassen – im Interesse der Soldaten und der Bündnisfähigkeit des Landes. Denn die stehe längst auf dem Spiel, fürchtet die Südwest Presse.
„Rekruten muss man gewinnen“, rät die Neue Ruhr Zeitung und begründet: „Die Bundeswehr ist ein Spiegelbild unserer Gesellschaft. Auch sie folgt den Gesetzen der Ökonomie, dem ständigen Kostendruck. Früher hatte das wirtschaftliche Denken in der Truppe keinen großen Platz. Heute ist das anders. Zur List des Schicksals gehört es allerdings, dass nach dem Ende der Wehrpflicht auch für die Armee das Gesetz von Angebot und Nachfrage gilt. Rekruten kann man nicht mehr einziehen. Man muss sie gewinnen. Auf Dauer und in der Konkurrenz zur Wirtschaft gelingt das nur mit guten Bedingungen. Die deutschen Streitkräfte müssen moderner werden. Der Bericht des Wehrbeauftragten ist nicht die schlechteste Anleitung dafür.“
Fast schon eine Prise Optimismus beinhaltet der Kommentar der Mitteldeutschen Zeitung. Der Jahresbericht 2014 von Königshaus zeige, dass die Truppe mit bekannten Beschwernissen zu tun habe. Aber die Hoffnung sei größer als früher, dass die bald konsequent beseitigt würden. Weiter falle beim Studium des Berichtes auf: Es gebe sie noch, die Schleifereien durch Vorgesetzte, auch sexuelle Übergriffe; aber diese seien insgesamt weniger geworden. Ob ein neuer Geist in die Truppe eingezogen sei, müsse nun allerdings der nächste Wehrbeauftragte begutachten.
Die Amtszeit des FDP-Politikers Hellmut Königshaus endet vom 19. auf den 20. Mai 2015. Dann übernimmt der Sozialdemokrat Hans-Peter Bartels den Staffelstab für diese Institution.
Der gebürtige Berliner Königshaus (Jahrgang 1950) ist noch und war dann der elfte Wehrbeauftragte des Bundestages. Von 2004 bis 2010 war der Jurist selber Mitglied des Parlaments gewesen und in dieser Zeit unter anderem Sprecher im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, ab September 2009 dann Mitglied des Verteidigungsausschusses.
Vor knapp fünf Jahren, am 20. Mai 2010, war Königshaus im Bundestag als „Anwalt der Soldaten“ vereidigt worden. Sein überzeugendes politisches Wirken und unermüdliches Drängen, so lässt sich schon jetzt in einer ersten Bilanz sagen, haben unter anderem entscheidend zu einer Verbesserung der Ausrüstung der Bundeswehrsoldaten in Auslandseinsätzen beigetragen. Dafür kann Hellmut Königshaus nicht genug gedankt werden.
Video-Hinweis: Das YouTube-Video von phoenix, dem Ereignis- und Dokumentationskanal von ARD und ZDF, zeigt den Wehrbeauftragten Hellmut Königshaus am 27. Januar 2015 in der Bundespressekonferenz mit Ausführungen zum „Jahresbericht 2014“.
(Video: phoenix)
Zu unserem Bildangebot:
1. 27. Januar 2015 – Bundestagspräsident Norbert Lammert (Mitte) nimmt den Jahresbericht 2014 des Wehrbeauftragten, Hellmut Königshaus (links), entgegen. Rechts der Nachfolger von Königshaus, der SPD-Bundestagsabgeordnete Hans-Peter Bartels.
(Foto: Achim Melde/Lichtblick/Deutscher Bundestag)
2. Übergabe des Jahresberichts 2014 im Berliner Reichstagsgebäude. An dem Termin nahmen auch Mitglieder des Verteidigungsausschusses teil. Zum Gruppenfoto (von links): Karl-Heinz Brunner (SPD), Anita Schäfer (CDU), Wehrbeauftragter Königshaus, Bundestagspräsident Lammert, Königshaus-Nachfolger Bartels, Karl A. Lamers (CDU), Agnieszka Brugger (Bündnis 90/Die Grünen), Christine Buchholz (Die Linke) und Doris Wagner (Bündnis 90/Die Grünen).
(Foto: Achim Melde/Lichtblick/Deutscher Bundestag)
3. Das Hintergrundfoto unserer Infografik „Stimmungsbilder – Eingaben an die Wehrbeauftragten des Bundestages in den Jahren 1959 bis 2014“ entstand am 25. Juli 2013 bei der Dankveranstaltung für Hochwasserhelfer in Burg in Sachsen-Anhalt.
(Foto: Sebastian Wilke/Bundeswehr)
4. Das Hintergrundfoto der Infografik „Eingaben 2014 nach Statusgruppen“ zeigt Rekruten beim Feierlichen Gelöbnis am 20. Juli 2014 auf dem Paradeplatz des Verteidigungsministeriums in Berlin.
(Foto: Steve Back/Bundeswehr)
5. Hintergrundbild zur Infografik „Wo der Schnürstiefel drückt – Aufschlüsselung der Eingaben an den Wehrbeauftragten nach Inhalten“: Wehrbeauftragter Königshaus besichtigt die Unterkünfte beim deutschen Einsatzkontingent „Active Fence“ in Kahramanmaras, Türkei. Die Aufnahme wurde am 20. April 2013 gemacht.
(Foto: Bernd Berns/Bundeswehr)
Unser Großbild auf der START-Seite zeigt Hellmut Königshaus im Januar 2011 bei einer Bundestagsdebatte über die Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte am ISAF-Einsatz in Afghanistan.
(Foto: Andrea Bienert/Bundeswehr)