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Berlin/Washington. Deutschland hat eine offizielle Anfrage zum Kauf von 41 schweren Transporthubschraubern des Typs Sikorsky CH-53K King Stallion an die US-Regierung gerichtet. Dies berichteten übereinstimmend am Dienstag dieser Woche (17. Mai) das amerikanische Marktforschungsunternehmen Forecast International und das britische Onlineportal Flightglobal, das seinen Lesern unter anderem Nachrichten aus der Luft- und Raumfahrtindustrie anbietet. Die Anfrage aus Berlin soll sich vor allem auf die Verfügbarkeit des Hubschraubers, der am 27. Oktober 2015 seinen Erstflug hatte, und auf die Preisgestaltung beziehen.

Den Berichten zufolge hat sich die Bundesregierung noch nicht endgültig für den CH-53K entschieden. In der Endauswahl ist offenbar auch noch der CH-47F Chinnok von Boeing, der seit 1962 in Serie produziert wird.

In seiner am 19. Januar dieses Jahres veröffentlichten „Militärischen Luftfahrtstrategie“, die unter Federführung von Rüstungsstaatssekretärin Katrin Suder erarbeitet worden ist, weist das Verteidigungsministerium auch auf die Waffensysteme hin, die innerhalb der kommenden zehn Jahre das Ende ihrer Nutzungsdauer erreicht haben werden. So sagt das Dokument über den betagten mittleren Transporthubschrauber CH-53 der Bundeswehr und seinen Nachfolger: „Derzeit werden Vorbereitungen getroffen, einen zukünftigen ,Schweren Transporthubschrauber‘ (STH) aufgrund des sich abzeichnenden Nutzungsdauerendes der CH-53G in der kommenden Dekade zu realisieren. Die Auswahlentscheidung hierzu ist Ende 2016, ein Vertragsschluss in 2018 und der Zulauf beginnend ab 2022 geplant.“

Neuer schwerer Transporthubschrauber für eine Vielzahl von Aufgaben

Der mehrrollenfähige STH soll nach den Zielvorstellungen der Führung „Beiträge zum Lufttransport einschließlich der Luftbeweglichkeit von Landstreitkräften, AirMedEvac, Unterstützung von Spezialkräften und Personnel Recovery inklusive CSAR und MilEvakOp leisten“. (AirMedEvac: Air Medical Evacuation/strategischer und taktischer Verwundetenlufttransport; Personnel Recovery: Befreiung, Evakuierung und Rückführung von deutschen Bürgern und Schutzbefohlenen im Ausland; CSAR: Combat Search and Rescue/militärische, bewaffnete Form von Such- und Rettungsaktionen in Krisen- und Kriegsgebieten; MilEvacOp/MilEvakOp: Military Evacuation Operation/militärische Evakuierungsoperation.)

Laut „Bericht zur materiellen Einsatzbereitschaft der Hauptwaffensysteme der Bundeswehr“ (Klarstandsbericht) vom 2. Dezember 2015 hatte unsere Luftwaffe Endes des vergangenen Jahres noch 75 CH-53 im Gesamtbestand. Diese Flotte befindet sich gegenwärtig in der Reduzierung auf die Zielgröße von 64 Luftfahrzeugen.

Ehrgeiziges deutsch-französisches Projekt unter Federführung der EDA

Lassen Sie uns bei der heutigen Gelegenheit auch in Erinnerung rufen, dass es zur Jahreswende 2003/2004 erste Überlegungen für ein deutsch-französisches Rüstungsprojekt „Future Transport Helicopter“ (FTH) gegeben hatte. Im Frühjahr 2004 waren dann wegen fehlender Geldmittel für die Entwicklung zunächst keine weiteren Schritte mehr unternommen worden.

Anfang 2006 hatte schließlich das damalige Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung – heute Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr – das Unternehmen Eurocopter (heute Airbus Helicopters) um eine Expertise bezüglich des FTH angefragt. Eurocopter war damals zu dem Ergebnis gekommen, dass ein solcher Hubschrauber frühestens 2018 verfügbar sein würde – unter der Voraussetzung einer Zusammenarbeit mit anderen Firmen und einem Entwicklungsbeginn 2010.

2007 unterzeichneten dann Vertreter der Verteidigungsministerien von Deutschland und Frankreich anlässlich des Pariser Luftfahrtsalons in Le Bourget eine gemeinsame Absichtserklärung („Declaration of Interest“), um damit vor allem den Fahrplan für einen zukünftigen FTH zu definieren. In der Erklärung wurde die gemeinsame Vorbereitung eines Rahmenwerks zur FTH-Beschaffung im Zeitraum bis 2020 festgelegt. Vereinbart wurde auch eine Öffnung des Projekts für andere europäische Nationen auf Basis der deutsch-französischen Forderungen und Richtlinien. Die Bearbeitung und Abwicklung des Gesamtprogramms sollte unter Federführung der European Defence Agency (EDA) erfolgen. Eurocopter sollte mit der Programmführung betraut werden.

Komplette Neuentwicklung aus Kostengründen nicht realisierbar

Wie ernst es den Verantwortlichen einst mit diesem Rüstungs- und Beschaffungsvorhaben war, zeigt die Entscheidung der EU-Verteidigungsminister vom Mai 2009. Damals beschlossen die Minister, das Projekt „Future Transport Helicopter“ zu einem europäischen Vorhaben zu machen. Die amerikanischen Partner wurden ausdrücklich eingeladen, sich ebenfalls zu beteiligen.

Nahezu geräuschlos wurde später dann der ehrgeizige Plan „Europäischer FTH“ ad acta gelegt. In einer Antwort der Bundesregierung vom 24. April 2013 auf eine Große Anfrage der SPD zum Thema „Bundeswehr – Einsatzarmee im Wandel“ wurde bekannt, dass man inzwischen an einer vollständigen Neuentwicklung nicht mehr interessiert war. Die Regierung erklärte: „Auf Basis bisheriger Arbeitsergebnisse hat die EDA die Option einer vollständigen Neuentwicklung eines FTH aus Kostengründen verworfen. Es werden daher durch die EDA zurzeit Optionen untersucht, einen künftigen FTH durch Weiterentwicklung bereits bestehender Hubschraubersysteme zu realisieren.“

Winzige Hinweise, warum es keine europäische Neuentwicklung mehr geben wird, enthält auch der Beitrag „Waffensysteme für Streitkräfte im heutigen Einsatz“ von Sascha Lange im Onlineportal des Ministeriums. In dem am 11. März 2014 veröffentlichten Text finden wir die Passage: „Ein europäisches Projekt unter dem Namen [Future Transport Helicopter] verursacht absehbar sehr hohe Kosten, da ausufernde Forderungen an das Nutzraumvolumen – zum Beispiel Transportunterbringung von Fahrzeugen wie dem Dingo innerhalb des Hubschrauberrumpfes – in Betracht gezogen werden.“

Neues System zieht „signifikanten Anstieg des Bedarfs an Besatzungen“ nach sich

Blicken wir zum Schluss noch gemeinsam auf eine Einschätzung des Deutschen Bundeswehr-Verbandes (DBwV). Die Vorstände Heer, Luftwaffe und Marine der Interessenvertretung äußerten sich Anfang des Jahres zum aktuellen Investitionspapier der Verteidigungsministerin.

Ursula von der Leyen hatte darin am 27. Januar erklärt, dass die Ausrüstung der Bundeswehr verbessert werden müsse. Sie werde sich dafür einsetzen, die langfristigen Investitionen in die Streitkräfte in den kommenden 15 Jahren auf insgesamt 130 Milliarden Euro zu erhöhen. Das Ministerium hat mit der Erklärung eine Liste veröffentlicht, in der der „an den derzeitigen Aufgaben orientierte Bedarf“ an Hauptwaffensystemen aufgeschlüsselt wird. Darunter auch der STH.

Oberstleutnant i.G. Detlef Buch, Vorsitzender Luftwaffe im DBwV-Bundesvorstand, vertritt hier die Auffassung: „59 schwere Transporthubschrauber sollen die CH-53 ab 2025 ablösen; die Beschaffungsentscheidung soll Ende des Jahres fallen. Egal, welches System kommt, es wird einen signifikanten Anstieg des Bedarfs an Besatzungen nach sich ziehen. Unterm Strich führt die Forderung nach mehr Waffensystemen nicht automatisch zu höherer Einsatzbereitschaft, mehr ausgebildetem Personal und durchhaltefähigen Strukturen. Worauf es tatsächlich ankommt, ist es, nachhaltige logistische und personelle Prozesse zu schaffen, die die Einsatzbereitschaft der derzeitig schon verfügbaren Waffensysteme der Luftwaffe erhöhen würden.“


Unsere Aufnahmen zeigen die beiden Kandidaten, die Presseberichten zufolge in der Endauswahl als Nachfolgemuster für den in die Jahre gekommenen CH-53G der deutschen Luftwaffe sein sollen:
1. den CH-53K King Stallion von Sikorsky und …
(Foto: Sikorsky Aircraft Corporation)

2. … den CH-47 Chinook von Boeing.
(Foto: Boeing Defense, Space and Security)

Kleines Beitragsbild: Rollout des CH-53K King Stallion am 5. Mai 2014 bei Sikorsky in Bethesda, Maryland/USA.
(Foto: Mallory S. VanderSchans/U.S. Marines)


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