Taufkirchen/Ulm/Weßling-Oberpfaffenhofen. Der Rüstungskonzern Hensoldt AG, Anbieter von Sensor-Komplettlösungen für Verteidigungs- und Sicherheitsanwendungen, hat den Zuschlag einer Ausschreibung des Instituts für Hochfrequenztechnik und Radarsysteme des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) erhalten. Das DLR-Institut, ansässig im oberbayerischen Oberpfaffenhofen (einem Ortsteil der Gemeinde Weßling im Landkreis Starnberg), ist federführend bei der DLR Quantencomputing-Initiative (DLR QCI) für das Forschungsprojekt „QUA-SAR“. Beteiligt daran ist auch die junge Ulmer Hightech-Firma Tensor AI Solutions GmbH.
Das Projekt „QUA-SAR“ hat zum Ziel, komplexe Szenarien der Radarfernerkundung zu optimieren. Die DLR QCI wird noch bis Ende dieses Jahres vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz gefördert – letztmalig mit 78 Millionen Euro aus der befristeten Sonderfinanzierung aus Ziffer 44 („Quantentechnologien“) des Konjunktur- und Zukunftspakets 2020.
Zum Thema „Quantencomputer“ schreiben die Verantwortlichen der DLR QCI in einer Pressemitteilung: „Radar-Systeme der Zukunft sind Multiplattform- und Multisensor-Verbünde, die in hochdynamischen Umfeldern einsatzfähig sein müssen. Eine bestmögliche Verteilung der Aufgaben auf Sensoren und Sensorverbünde wird dabei zu einem Problem, das mit klassischen Computern nicht mehr in Echtzeit gelöst werden kann. Quantencomputer können eine Lösung sein.“
Im Projekt „QUA-SAR“ erforscht das DLR-Institut für Hochfrequenztechnik und Radarsysteme neuartige Quantenalgorithmen, welche die Leistungsfähigkeit zukünftiger Radarsensoren steigern und die Radardatenverarbeitung beschleunigen sollen. Hensoldt soll das Vorhaben bei der Entwicklung von realistischen Anwendungs- und Nutzungsszenarien, bei der Störunterdrückung sowie beim Ressourcenmanagement unterstützen. Dazu will das Unternehmen simulierte und reale Daten beisteuern und zusätzlich Ansätze von Quanten-maschinellem Lernen (QML) vorstellen. Die Daten können sowohl bei der SAR- als auch bei der Mikro-Doppler-basierten Klassifikation und beim Tracking angewendet werden.
Beim ersten Arbeitstreffen Ende vergangenen Jahres am DLR-Standort Oberpfaffenhofen stellte Hensoldt gemeinsam mit Partner Tensor AI Solutions die Herausforderungen und möglichen Ansätze für Quantencomputing dar: beim Quanten-optimierten Ressourcenmanagement und der Störunterdrückung, beim Tracking und der Mikro-Doppler- und SAR-Klassifikation.
Eine besondere Herausforderung sei – so bestätigten alle Teilnehmer der Fachveranstaltung – die beschränkte Leistungsfähigkeit der ersten Quantencomputer. Ein künftiges zentrales Thema sei deshalb auch, mit welchen Strategien bereits mit Hilfe der einfachen, bald zur Verfügung stehenden Hardware ein Quantenvorteil ermöglicht werden könne.
Quantentechnologien sind ein innovatives und dynamisches Forschungsfeld für die Radarfernerkundung. Sowohl die Radar-Hardware also auch die Radar-Signalverarbeitung werden sich nach Meinung der Experten dabei fundamental weiterentwickeln. Im Forschungsprojekt „QUA-SAR“ wollen die Beteiligten „Möglichkeiten von Quantencomputern für die Lösung komplexer Prozessierungs- und Optimierungsaufgaben in der Radarfernerkundung“ finden und austesten.
In Ergänzung hierzu ein Auszug aus einem Hensoldt-Pressetext: „Die Radarfernerkundung nutzt Radiowellen zur Erhebung von Daten über Objekte oder Gelände aus der Distanz. Da sich die Gegebenheiten auf dem Gefechtsfeld in immer kürzeren Zyklen ändern, ist Zeit ein wichtiger Faktor. […] Quantencomputer versprechen diese Herausforderung in Zukunft lösen zu können, was einen entscheidenden Vorteil im Bereich des Radar Resource Management bringen würde.“
Durch die Mitarbeit am Projekt „QUA-SAR“ will Hensoldt nach eigener Aussage sein seit Anfang 2024 bestehendes Technologiefeld „Quantum Sensing and Technologies“, in dem die technologische Ausrichtung des Konzerns im Bereich der Quantentechnologien erarbeitet wird, ergänzen.
Oliver Dörre, Vorstandsvorsitzer der Hensoldt-Gruppe, erklärte dazu: „Wir leisten Pionierarbeit im Bereich ,Software Defined Defence‘. Im Mittelpunkt unserer Arbeit stehen dabei die Digitalisierung und Vernetzung von Sensoren.“ Quantencomputing sei in diesem Feld ein wichtiges Zukunftsthema, dem sich das Unternehmen Hensoldt intensiv in der Forschung widmen müssen, so Dörre weiter. Das Forschungsvorhaben „QUA-SAR“ im Rahmen der DLR Quantencomputing-Initiative sei daher eine große Chance, das Thema im Konzern auf das nächste Level zu heben.
Was ist Quantencomputing? Quantencomputing braucht spezielle Technologien (einschließlich Computerhardware und Algorithmen, die die Vorteile von Quantenmechaniken nutzen), um komplexe Probleme zu lösen, die klassische Computer oder Supercomputer nicht oder nicht schnell genug lösen können. In einem Text des Branchenverbandes der deutschen Informations- und Telekommunikationsbranche Bitkom heißt es unter anderem: „Quantencomputing (kurz QC) hat in den letzten Jahren enorme Fortschritte gemacht – damit wird diese Technologie zunehmend wirtschaftlich relevant. […] Es ist davon auszugehen, dass Quantencomputing in Zukunft zu den zentralen Grundlagentechnologien zählen wird. Eine führende Stellung in diesem Technologiefeld und bei industrierelevanten Anwendungen für Quantencomputing leistet damit auch einen wichtigen Beitrag zur Stärkung der sogenannten Digitalen Souveränität.“ Bitkom prophezeit: „In der QC-Grundlagenforschung ist Deutschland bereits heute gut aufgestellt und hat das Potenzial, sich auch in der Industrie und darauf aufbauenden Ebenen der Wertschöpfungskette zu einem führenden Standort zu entwickeln. Der Plan muss sein, Deutschland in einem europäischen Kontext zum Weltmarktführer im Bereich der Quantentechnologien zu machen.“
Was ist Radarfernerkundung? Per Definition ist „Fernerkundung“ die „Bezeichnung für alle Techniken, die Informationen über ein bestimmtes Objekt oder ein Gebiet auf der Erdoberfläche oder im Weltall erheben, ohne in direktem Kontakt mit diesem zu stehen“. Ein satellitengestütztes Radar mit synthetischer Apertur (Synthetic Apertur Radar, SAR) tastet die Erdoberfläche mittels Mikrowellenstrahlung in unterschiedlichen Wellenlängen ab. Die SAR-Antenne sendet dafür Mikrowellenpulse aus und empfängt das von der Erdoberfläche zurückgestreute Echo. Aus diesem Echo lassen sich räumlich hochauflösende Bilddaten und Datenprodukte herstellen. Die SAR-Technologie hat mehrere Besonderheiten im Vergleich zu anderen bildgebenden Fernerkundungsverfahren. Einerseits ist es möglich, auch bei Bewölkung und Dunkelheit die Erdoberfläche zu beobachten. Andererseits können physikalische Messwerte (wie Rückstreukoeffizient oder Entfernungsdifferenzen) in Blickrichtung der SAR-Antenne abgeleitet werden.
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Zur Grafik: Radar-Systeme der Zukunft sind Multiplattform- und Multisensor-Verbünde, die in hochdynamischen Umfeldern einsatzfähig sein müssen. Quantencomputer könnten dabei einen entscheidenden Vorteil bringen.
(Bild: Hensoldt AG)
Kleines Beitragsbild: Symboldarstellung „Quantencomputing“ aus dem Bildangebot von Pixabay. Quantencomputing wird es in absehbarer Zukunft möglich machen, bestimmte rechenintensive Aufgaben im Vergleich zu klassischen Computern in exponentiell verkürzter Laufzeit zu lösen. Das eröffnet viele neue Lösungswege auch für die anspruchsvolle und hochkomplexe Radarsignalverarbeitung und Datenauswertung.
(Bild: Gerd Altmann/unter Pixabay License = freie kommerzielle Nutzung, kein Bildnachweis erforderlich)