München/Köln. Eigene Agenten nach Deutschland einzuschleusen, ist für russische Geheimdienste schwieriger geworden. Dafür heuern sie nun laut Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) billige Kräfte für Sabotage- und Spionageaktionen an – „Low Level Agents“ genannt, „Wegwerf-Agenten“. Über diese Entwicklung berichtete erst vor wenigen Tagen die Deutsche Presse-Agentur (dpa). Die Agentur sprach mit Sinan Selen, Vizepräsident des BfV. Er sagte der dpa: „Unser Amt und andere europäische Abwehrdienste sehen seit Jahren eine deutliche Zunahme von Aktivitäten russischer Geheimdienste.“ Russland setze dabei auf verschiedene Methoden, kombiniere diese mitunter und passe sie taktisch an die gegnerischen Abwehrmaßnahmen an. Hierbei kämen auch Menschen zum Einsatz, die über Social Media oder auf andere Weise für einzelne Aktionen oder Operationen angeworben würden, sogenannte „Low Level Agents“. Derzeit sind drei Russlanddeutsche – vermutlich von Moskau eingekaufte Söldner – wegen Spionage und geplanter Sabotage vor dem Oberlandesgericht München angeklagt.
Der Prozess gegen die drei Männer, die mutmaßlich für einen russischen Geheimdienst gearbeitet haben sollen, begann vor der Gerichtsinstanz in der bayerischen Landeshauptstadt am heutigen Dienstag, 20. Mai.
Der Hauptangeklagte Dieter S. war bereits am 17. April vergangenen Jahres zusammen mit dem ebenfalls angeklagten Alexander J. in Bayreuth festgenommen worden. Während Dieter S. seitdem in Untersuchungshaft sitzt, kam Alexander J. unter Auflagen vorerst wieder auf freien Fuß. Alex D., der dritte Angeklagte, ist bislang noch nicht festgenommen worden.
Die drei Angeklagten sollen Medienberichten zufolge bis in den April 2024 hinein in Deutschland unter anderem unter anderem Brandanschläge und Sabotageaktionen gegen militärische Infrastruktur und Bahnstrecken geplant haben. Die Männer sollen außerdem Informationen über eine Ölraffinerie in Bayern und über den US-Truppenübungsplatz Grafenwöhr in der Oberpfalz gesammelt haben und Pläne für Sprengstoffanschläge auf Gebäude oder Infrastruktur, die für die Unterstützung der Ukraine im Krieg gegen Russland genutzt werden, verfolgt haben.
Die drei Russlanddeutschen haben bislang vor dem Münchener OLG alle Vorwürfe bestritten, nun darf man auf das Beweismaterial der Anklage gespannt sein.
Erst vergangene Woche ist ein ähnlicher Fall bekanntgeworden: Die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe hat drei ukrainische Staatsbürger wegen des Verdachts der Agententätigkeit vorläufig festnehmen lassen. Ihnen wird vorgeworfen, im Auftrag Russlands Sabotageakte vorbereitet zu haben. Zu den Festnahmen heißt es in einer Presseerklärung der Bundesanwaltschaft vom 14. Mai:
„Die Festnahme von Vladyslav T. erfolgte am 9. Mai 2025 in Köln durch Beamte des Polizeipräsidiums Köln; seine Vorführung vor den Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs fand am Abend desselben Tages statt. Daniil B. wurde am 10. Mai 2025 in Konstanz von Beamten des Landeskriminalamts Baden-Württemberg festgenommen und am Sonntag (11. Mai 2025) vorgeführt. Der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs hat in beiden Fällen die Haftbefehle erlassen und in Vollzug gesetzt. Zudem hat die Bundesanwaltschaft am gestrigen Tag (13. Mai 2025) aufgrund eines Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 11. Mai 2025 den ukrainischen Staatsangehörigen Yevhen B. im Kanton Thurgau (Schweiz) festnehmen lassen.“
Yevhen B., Daniil B. und Vladyslav T. sollen laut Bundesanwaltschaft im Auftrag Russlands geplant haben, Paketbomben in Deutschland zu verschicken. Im Rahmen des Verfahrens, dem die Bundesanwaltschaft nach eigener Aussage „besondere Bedeutung“ zumisst, wird den drei Inhaftierten nicht nur eine „Agententätigkeit zu Sabotagezwecken“ vorgeworfen. Beschuldigt werden sie in diesem Zusammenhang auch, „sich zur Begehung einer schweren Brandstiftung sowie der Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion bereiterklärt zu haben“. Die Brand- und Sprengstoffanschläge sollten nach Erkenntnissen der Anklage vor allem Gütertransporte in Deutschland treffen. Das Bundeskriminalamt ist mit den Ermittlungen betraut.
Der verstärkte Einsatz sogenannter „Low Level Agents“ durch russische Geheimdienste ist – wie eingangs bereits erwähnt – nach Einschätzung des Bundesamtes für Verfassungsschutzes auch eine Reaktion auf Erfolge der hiesigen Spionageabwehr.
Eine aktuelle Analyse des BfV kommt unter anderem zu folgendem Schluss: „Die nachrichtendienstliche Gefährdungslage ist gegenwärtig stark durch die aggressiven Handlungen Russlands geprägt. Mit Spionage, Sabotage und Einflussnahme einschließlich Desinformation gehen die russischen Nachrichtendienste gegen Europa und Deutschland vor.“ Russland habe als langjähriger nachrichtendienstlicher Akteur ein großes Portfolio entsprechender Werkzeuge aufgebaut, dass gegen unliebsame Gegner zum Einsatz komme, so das BfV weiter. In letzter Zeit seien noch weitere Mittel und Methoden hinzugekommen – teils als Reaktion auf Sanktionen und Gegenmaßnahmen europäischer Staaten, teils aber auch, um noch wirkkräftiger auf Konfliktlinien in europäischen Demokratien einwirken zu können (so konnte das BfV beispielsweise im Umfeld der Bundestagswahl 2025 verdeckte russische Einflussnahmeversuche – mit dem Schwerpunkt „Desinformation im Informationsraum“ – aufdecken).
Das Kölner Amt warnt schließlich: „Das gestiegene Informationsbedürfnis der russischen Nachrichtendienste in Folge des Angriffskrieges gegen die Ukraine ist auch durch einen Anstieg an Spionagevorfällen feststellbar, wie auch die gestiegene Bereitschaft für Sabotage. Hierbei nehmen sogenannte ,Low-Level-Agenten‘ eine besondere Rolle ein. Sie werden für Propaganda, Spionage und Sabotage beauftragt, wobei Kollateralschäden bewusst in Kauf genommen werden.“ Und: „Künftig ist im Rahmen des aggressiven Kurses Russlands gegen die europäischen Demokratien mit weiteren Handlungen russischer Spionage, Sabotage und Desinformation zu rechnen.“
Es steht zu befürchten, dass da noch mehr „Wegwerf-Agenten“ auf russische Entlohnung scharf sind und bereits ihr „Ding“ planen. Was kann der Staat dagegen tun? Das BfV versichert abschließend in seiner Analyse: „Die Verfassungsschutzbehörden unterstützen die Resilienzbildung [Resilienz: Anpassungsfähigkeit, Widerstandsfähigkeit, Krisenbewältigung] durch das Identifizieren von Angriffspunkten, Schwachstellen und Einflusssphären, die Härtung von Systemen sowie die Schärfung des Sicherheitsbewusstseins.“
Im Zusammenhang mit der Begrifflichkeit „Resilienz“ bieten wir Ihnen in unserem Servicebereich „bundeswehr-journal (Bibliothek)“ beim Dienstleister Yumpu-Publishing ein Arbeitspapier „Sicherheitspolitik“ (Nr. 19/2016) der Bundesakademie für Sicherheitspolitik Berlin an. Autor der Arbeit „Was ist Resilienz? Unschärfen eines Schlüsselbegriffs“ ist Oberstleutnant i.G. Michael Hanisch, zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung Referent an der Bundesakademie.
Sie können auf der Yumpu-Plattform den Inhalt ansehen und ausdrucken, ein Download der Datei ist jedoch nicht möglich. Über die ESC-Taste in Yumpu kommen Sie hierhin zurück. Zum Arbeitspapier „Was ist Resilienz?“:
Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von www.yumpu.com zu laden.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz/BfV in Köln wird momentan von einer Doppelspitze – Vizepräsidentin Sinan Selen und Vizepräsidentin Silke Willems – geleitet. Vom 15. November 2018 bis zu seiner Versetzung in den Ruhestand zum 31. Dezember 2024 durch die damalige Bundesinnenministerin Nancy Faser (SPD) war Thomas Haldenwang Präsident des Amtes.
Als Haldenwang im Herbst vergangenen Jahres bekanntgab, dass er bei der Bundestagswahl 2025 kandidieren werde, beurlaubte ihn die Ministerin am 13. November 2024, beließ ihn aber noch bis Jahresende formal im Amt. Faeser hatte unter anderem die Mitglieder des Innenausschusses des Parlaments darüber informiert, „dass Herr Haldenwang aufgrund seiner angekündigten Kandidatur für den Deutschen Bundestag ab sofort die Amtsgeschäfte als Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz nicht mehr wahrnimmt“.
Haldenwang habe das BfV „umsichtig geführt und angesichts der erheblich verschärften Bedrohungslagen durch islamistischen Terrorismus, durch die russische Aggression sowie durch Rechts- und Linksextremismus eine wichtige und erfolgreiche Arbeit geleistet“, so ein Sprecher Faesers zur Personalentscheidung.
Der Ex-Chef des BfV verfehlte am Ende ein Bundestagsmandat. Der für die CDU angetretene 64-Jährige landete als Direktkandidat im Wahlkreis Wuppertal I auf dem zweiten Platz. Da Haldenwang nicht über einen Platz auf der CDU-Landesliste abgesichert war, konnte er mit diesem Ergebnis nicht in den Bundestag einziehen.
Besuchen Sie uns auf https://twitter.com/bw_journal
Die Aufnahmen zeigen:
1. Justizgebäude Prielmayerstraße 5 in München mit Oberlandesgericht München und Bayerischem Verfassungsgerichtshof; Aufnahme vom 6. August 2014.
(Foto: Christian Wolf/Wikipedia/Wikimedia Commons/unter Lizenz CC BY-SA 3.0 de –
vollständiger Lizenztext: https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/deed.en;
Bildbearbeitung: mediakompakt)
2. Der Spionageprozess gegen drei Russlanddeutsche – mutmaßlich „Low Level Agents“ mit Russland-Auftrag – begann vor dem Oberlandesgericht München am 20. Mai 2025.
(Bild: nr; grafische Bearbeitung: mediakompakt)
Kleines Beitragsbild: Tafel am Eingang des Oberlandesgerichts München; Aufnahme vom 28. August 2011.
(Foto: AHert/Wikipedia/Wikimedia Commons/unter Lizenz CC BY-SA 3.0 –
vollständiger Lizenztext: https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/;
Bildbearbeitung: mediakompakt)
Russland führt Krieg gegen Europa und in verstärktem Maße gegen Deutschland mit dem Ziel, die EU zu zerstören. Ein Großteil der Bevölkerung weiß und bemerkt es noch nicht. Die politische Kaste in Berlin müsste es wissen, will es aber zum großen Teil nicht wahrhaben. Hoffentlich ändert sich die blauäugige Betrachtung der realen Welt durch die neue Bundesregierung …