Wunstorf/Brunssum (Niederlande). Generalleutnant Holger Neumann hat am heutigen Dienstag (27. Mai) auf dem Fliegerhorst Wunstorf das Kommando über die Deutsche Luftwaffe von Generalleutnant Ingo Gerhartz übernommen. Verteidigungsminister Boris Pistorius und Generalinspekteur Carsten Breuer würdigten in ihren Reden die Leistungen des bisherigen Luftwaffenchefs. Dem neuen Inspekteur der Luftwaffe wünschten sie „many happy landings“. Am feierlichen Appell nahmen Abordnungen der Luftwaffe, Vertreter der übrigen Teilstreitkräfte und Organisationsbereiche der Bundeswehr, Alliierte sowie Gäste aus dem politischen und gesellschaftlichen Bereich teil.
Als 17. Inspekteur der Luftwaffe übernimmt Neumann die Teilstreitkraft in einer herausfordernden Zeit. Für ihn steht nach eigenem Bekunden „der klassische Kernauftrag von Luftstreitkräften, das Erringen und Erhalten der Luftüberlegenheit und das Erhalten der Nutzbarkeit des Weltraums, im Mittelpunkt.“ Dazu will Neumann die Fähigkeiten der Luftwaffe zu Landes- und Bündnisverteidigung weiter konsequent ausbauen.
Sein Vorgänger Gerhartz wird künftig bei der NATO das Allied Joint Force Command in Brunssum (Niederlande) führen.
Verteidigungsminister Pistorius würdigte in einer sehr persönlichen Weise in Wunstorf die Verdienste von Generalleutnant Gerhartz. Er sagte: „Lieber Ingo, du warst der 16. Inspekteur der Luftwaffe und mit sieben Jahren Amtszeit auch am längsten in dieser Rolle. Als Du im Jahr 2018 das Kommando über das Team ,Luftwaffe‘ übernommen hast, war die Welt noch eine andere. Krisen und Kriege schienen für viele weit weg zu sein. In der deutschen Luftwaffe hingegen herrschte Krisenstimmung.“ Dort habe es zu der Zeit wenige flugfähige Eurofighter gegeben, so der Minister. Hinzu seien Unsicherheit in der Truppe, hohe Abwanderung, kritische Schlagzeilen über Technik, Material und Stimmung gekommen. Dies sei die Ausgangslage beim Amtsantritt von Gerhartz gewesen.
Pistorius fuhr fort: „Heute, sieben Jahre später, sehe ich eine Luftwaffe, die höchst respektiert ist im Land, im Bündnis und im internationalen Vergleich. Eine Luftwaffe, die fliegt, wenn es darauf ankommt. Eine Luftwaffe, die sich einmischt, wenn es zählt. Eine Luftwaffe, die führt, wenn andere vielleicht noch zögern. Und das Wichtigste: eine Luftwaffe, auf die ihre Truppe wieder mit Stolz schauen kann.“
Diesen Mentalitätswechsel habe der scheidende Luftwaffeninspekteur angestoßen, erklärte der Minister danach. „Mit klarem Kurs, mit klaren Worten, mit offenem Visier und dem unerschütterlichen Willen, es besser zu machen. Und das wohlgemerkt viele Jahre vor der Zeitenwende.“ Damit sei aus der deutschen Luftwaffe wieder das geworden, was sie sein müsse: jederzeit einsatzbereit, und „combat ready“. Generalleutnant Gerhartz habe dies alles auch selbst verkörpert – „immer authentisch, als aktiver Pilot, als überzeugter Teamplayer und erfahrener Menschenführer“. Pistorius erinnerte in diesem Zusammenhang an die fliegerischen Leistungen des Luftwaffengenerals: „Mehr als 3000 Flugstunden in Kampfflugzeugen des Typs Phantom, MiG 29, Tornado und Eurofighter sprechen eine eindrucksvolle Sprache. Alle konnten sehen, dass die Deutsche Luftwaffe nicht nur vom Schreibtisch aus geführt wird, sondern eben auch aus dem Cockpit.“
Generalleutnant Ingo Gerhartz übergebe eine Luftwaffe, die einsatzbereit sei, so das abschließende Urteil des Verteidigungsministers. Eine Luftwaffe, die hochmodern ausgerüstet sei und die man im Bündnis als verlässlichen Partner schätze. Eine Luftwaffe, die geführt worden sei mit Leidenschaft, mit Erfahrung, mit Format und immer ganz nah an den Menschen. Dies hinterlasse große Fußstapfen.
Mit Generalleutnant Holger Neumann sei der richtige Nachfolger, der diese Fußstapfen ausfüllen könne, gefunden worden, wandte sich der Minister schließlich an den Nachfolger. „Sie, Herr General Neumann, übernehmen heute eine Luftwaffe, in der Sie den Job von der Pike auf gelernt haben. Als Tornado-Pilot in Memmingen sind Sie damals gestartet. Im Eurofighter haben Sie später noch einmal beschleunigt und setzen sich heute verdient an die Spitze der Formation. In der Truppe werden sie geschätzt – smart, souverän, unaufgeregt, humorvoll und den Menschen zugewandt. Ich habe mir sagen lassen, die Truppe freut sich auf ihren neuen Inspekteur.“
Geboren am 10. September 1968 in Ulm, trat Holger Neumann 1988 seinen Grundwehrdienst bei den Fallschirmjägern an. 1989 wechselte er in die Offizierslaufbahn der Deutschen Luftwaffe. Unter anderem in den USA zum Kampfpiloten ausgebildet, begann Neumann 1993 seine Ausbildung auf dem Tornado im ehemaligen Jagdbombergeschwader 34 in Memmingen. Nach dem Generalstabslehrgang 2001 übernahm er verschiedene Führungsverwendungen in der Luftwaffe, im Bundesministerium der Verteidigung und in der NATO. 2013 erfolgte die Umschulung auf den Eurofighter.
Insgesamt hat der neue Luftwaffeninspekteur bisher mehr als 2800 Stunden im Cockpit von Kampfflugzeugen verbracht. 2014 nahm er am ISAF-Einsatz in Afghanistan teil. 2015 erfolgte die Ernennung zum Kommodore des Taktischen Luftwaffengeschwaders 74 in Neuburg an der Donau.
Nach weiteren Stationen im Verteidigungsministerium und im Kommando Luftwaffe war Neumann seit 2024 Kommandeur der Fliegenden Verbände im Luftwaffentruppenkommando in Köln. Ihm unterstanden dabei die Taktischen Luftwaffengeschwader, Lufttransportverbände sowie die Ausbildungseinrichtungen für die lehrgangsgebundene fliegerische Ausbildung der Luftfahrzeugbesatzungen. Neumann trug damit die Verantwortung für rund 14.000 Luftwaffenangehörige.
Der Kommandowechsel am 27. Mai auf dem Fliegerhorst Wunstorf war zugleich eine Gelegenheit für das Presse- und Informationszentrum der Luftwaffe, auf die zukünftigen Projekte der Teilstreitkraft zu blicken. So heißt es in einem Onlinebeitrag von Autor Kevin Geiken, erschienen am Tag des feierlichen Appells: „Mit der F-35 erhält unsere Luftwaffe das modernste Kampfflugzeug der Welt; es wird nicht nur die deutsche Verpflichtung zur nuklearen Teilhabe sicherstellen, sondern der Luftwaffe auch den Weg in die digitale Luftkampfführung ebnen. Erneuerung wird es auch bei den Hubschraubern geben. Mit der CH-47F, besser bekannt als ,Chinook‘, erhält die Luftwaffe einen Nachfolger für die traditionsreiche CH-53. Auch die Flugabwehr bekommt Verstärkung: Neben dem Luftverteidigungssystem IRIS-T SLM wird die Luftwaffe demnächst mit dem israelische Flugabwehrsystem Arrow ausgestattet – mit Arrow kann eine wichtige Fähigkeitslücke zur Abwehr weitreichender ballistischer Raketen geschlossen werden.“
Zudem erweitert das zur Luftwaffe gehörende Weltraumkommando seine Fähigkeiten, an anderer Stelle wird massiv gebaut und in Infrastruktur investiert, geübt wird – vor allem vor dem Hintergrund einer Bedrohung durch Russland – nahezu rund um die Uhr. Dazu Autor Geiken: „Mit der Eröffnung eines neuen Lagezentrums wird das Kommando sich weiter der Aufgabe widmen, die Weltraumaktivitäten zu überwachen. Auf den Luftwaffenstandorten wird fleißig gebaut: Während Holzdorf durch Arrow und die CH-53 fast schon amerikanische Dimensionen annimmt, bereitet Büchel den neuen F-35-Campus vor. Das Team ,Luftwaffe‘ ist in Bewegung, das zeigt auch der Blick in den Himmel: Ob Nacht- oder Tiefflüge, die Deutsche Luftwaffe übt täglich, das NATO-Bündnisgebiet im Ernstfall verteidigen zu können.“
Am 6. Juni wandte sich der neue Inspekteur der Deutschen Luftwaffe erstmalig mit einem Tagesbefehl an die Truppe. Wir dokumentieren das Schreiben von Generalleutnant Holger Neumann auszugsweise – dort heißt es nach der Anrede Männer und Frauen des Teams „Luftwaffe“ unter anderem:
(…) Die Rückkehr des Krieges nach Europa zeigt unmissverständlich, dass militärische Stärke erneut ihre Bedeutung als Instrument der Politik unter Beweis stellen muss. In dieser fordernden Zeit demonstriert unsere Luftwaffe, so wie die gesamte Bundeswehr, ihre außerordentliche Leistungsfähigkeit und -bereitschaft – ob in Deutschland, an der NATO-Ostflanke oder auch im Indopazifik. Hierbei kommen die inhärenten Eigenschaften von Luftstreitkräften zu ihrer vollen Geltung: Geschwindigkeit, Reichweite, Agilität, Präzision und Flexibilität. Diese Charakteristika sind sowohl Teil unserer DNA, als auch der von uns erwartete Beitrag für andere Streitkräfte.
Luftstreitkräfte wurden im Internationalen Krisenmanagement der vergangenen Jahre hauptsächlich in einer unterstützenden Rolle eingesetzt und nicht im klassischen Sinne in der dritten Dimension herausgefordert. Dies ist heute im Rahmen von Landes- und Bündnisverteidigung anders: Der Kernauftrag von Luftstreitkräften – das Erringen und Erhalten von Luftüberlegenheit (im Fall der Luftwaffe ergänzt durch den Erhalt der Nutzung des Weitraums) – steht im Mittelpunkt.
In dem Verständnis und der Notwendigkeit von „Fight Tonight“ muss es uns gelingen, unsere Luftwaffe im Rahmen derzeit verfügbarer Ressourcen schnellstmöglich kriegstüchtig zu machen. Die absehbare Zukunft der Luftwaffe steht eindeutig unter diesen Vorzeichen. Unsere Ziele sind klar gesteckt: Die bereits entschiedenen Weichenstellungen sowie die Modernisierung bewährter, als auch die Einführung neuer Waffensysteme, werden unser Fähigkeitsprofil deutlich erweitern und das Gesicht unserer Luftwaffe nachhaltig verändern.
Es kommt jetzt darauf an, den Steigflug der Luftwaffe weiter fortzusetzen, vorhandene Pläne in die Realität umzusetzen sowie den eingeschlagenen Vektor immer wieder zu überprüfen und, wo nötig, an aktuelle Rahmenbedingungen anzupassen. Diese Worte glaubwürdig und zeitgerecht mit Fähigkeiten in und aus der dritten Dimension zu untermauern, wird die kommenden Monate und Jahre bestimmen und unseren Hauptauftrag darstellen.
Meine Orientierungspunkte für den Beitrag der Luftwaffe zur Landes- und Bündnisverteidigung lauten: Ready. Fight. Win. Together. – in Air and Space. Was sich hinter diesen Begriffen im Einzelnen verbirgt, werde ich Ihnen in den kommenden Wochen erläutern.
Bei allen Veränderungen wird eine Konstante bleiben: Unser gesamtes Team „Luftwaffe“ wird weiterhin stark gefordert sein, um als „First Responder“ unser Land, unser Bündnis, unsere Werte sowie die Art und Weise wie wir leben, zu verteidigen. Ich weiß, dass ich mich hierbei auf Sie verlassen kann. Dafür gebühren Ihnen allen mein Dank und meine Anerkennung. Von meiner Seite versichere ich Ihnen als Ihr neuer Inspekteur, dass ich alles in meiner Kraft Stehende zum Wohle unserer Luftwaffe, mit ihren herausragenden Männern und Frauen, einsetzen werde.
Die NATO, unser Land und unsere Bundeswehr senden eine wichtige Botschaft: „Stronger together“ – gemeinsam stärker! Wir, das Team „Luftwaffe“, sorgen mit dafür, dass diese Botschaft ankommt – auch weit über den Horizont hinaus und, wenn es sein muss, schneller als der Schall.
Neumanns Vorgänger Gerhartz übernahm am 11. Juni in Brunssum das Kommando über das Allied Joint Force Command von dem italienischen General Guglielmo Luigi Miglietta. Der 59 Jahre alte deutsche Luftwaffenoffizier, der vor dem Wechsel ins NATO-Hauptquartier noch zum Vier-Sterne-General befördert worden ist, befehligt in den kommenden Jahren operativ den Schutz der Ostflanke des Bündnisses.
Nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine ist die Fähigkeit der NATO-Staaten zur Abschreckung und Verteidigung im Osten des Bündnisgebietes wieder ein Kernauftrag. Zuletzt sind Warnungen, Moskau könne die Beistandsverpflichtung der NATO-Mitgliedstaaten untereinander testen, wieder lauter geworden. Gerhartz steuert in der Allianz das Militär entlang einer fast 3900 Kilometer langen Grenze zu Russland und Weißrussland; die Grenze führt von Norwegen und Finnland über das Baltikum bis nach Ungarn.
In Brunssum befindet sich eines von insgesamt drei operativen Hauptquartieren der NATO. Die anderen beiden sind in Neapel (Italien) und Norfolk (USA) und werden von US-Befehlshabern geführt. In Brunssum unterstehen General Gerhartz unmittelbar rund 800 Männer und Frauen aus 30 der 32 NATO-Staaten. Im Ernstfall würden von dort aus etwa eine Million Soldaten geführt.
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Zu unserer Bilderfolge:
1. Hoch über der deutschen Nordsee: Generalleutnant Ingo Gerhartz und Generalleutnant Holger Neumann führen in den Cockpits ihrer Eurofighter-Kampfflugzeuge (Gerhartz „31+46“ und Neumann „31+42“) symbolisch den „Lead Change“ über das Kommando der Deutschen Luftwaffe durch.
(Foto: Christian Timmig/Bundeswehr)
2. Feierlicher Appell am 27. Mai 2025 auf dem Fliegerhorst Wunstorf – Einmarsch der verschiedenen Abordnungen der Luftwaffe mit ihren Truppenfahnen zum Kommandowechsel.
(Foto: Francis Hildemann/Bundeswehr)
3. Der Generalinspekteur der Bundeswehr, General Carsten Breuer (Bildvordergrund), verabschiedet Generalleutnant Ingo Gerhartz. Dieser wechselt zur NATO und wird Befehlshaber des Allied Joint Forces Command im niederländischen Brunssum. Das Command ist eines von zwei operationalen Hauptquartieren der Allianz in Europa und hat dort den Auftrag, die Nord- und Ostflanke zu schützen.
(Foto: Francis Hildemann/Bundeswehr)
4. Übergabe der Kommandogewalt über die Luftwaffe an Generalleutnant Holger Neumann durch den Generalinspekteur.
(Foto: Cora Mohrdieck/Bundeswehr)
5. Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius am 27. Mai 2025 auf dem Fliegerhorst Wunstorf bei seiner Ansprache. Er prognostizierte: „Die Aufgaben für die Teilstreitkraft im Besonderen und für die Bundeswehr insgesamt bleiben herausfordernd und werden weiter wachsen.“
(Foto: Francis Hildemann/Bundeswehr)
6. Unmittelbar nach dem Kommandowechsel (von links): Generalleutnant Holger Neumann, Verteidigungsminister Boris Pistorius, General Carsten Breuer, Generalleutnant Ingo Gerhartz.
(Foto: Francis Hildemann/Bundeswehr)