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Koblenz/Kiel/Überlingen. Unter der Projektbezeichnung „Interactive Defence & Attack System for Submarines“, kurz IDAS, entwickeln die beiden Unternehmen ThyssenKrupp Marine Systems und Diehl Defence derzeit einen mehrrollenfähigen Lenkflugkörper, der erstmals die Selbstverteidigung getauchter Unterseeboote gegen Bedrohungen aus der Luft – etwa Ujagd-Hubschrauber – erlaubt. Zu den weiteren IDAS-Einsatzszenarien soll der Angriff auf Schiffe sowie die präzise Wirkung gegen küstennahe Landziele gehören. IDAS wird aus dem Torpedorohr gestartet und bekämpft mittels Autopilot und Infrarotsuchkopf Ziele selbständig. Gleichzeitig ermöglicht eine Glasfaser-Lichtwellenleiterverbindung den Datenaustausch zwischen Flugkörper und Uboot. So kann die Besatzung jederzeit in den Missionsablauf eingreifen, um beispielsweise einen Zielwechsel vorzunehmen. Das Koblenzer Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) hat Ende letzten Jahres den Vertrag über die Entwicklung und Qualifizierung von IDAS unterzeichnet.

Das „Interactive Defence & Attack System for Submarines“ wird von ThyssenKrupp Marine Systems (TKMS) und Diehl Defence in enger Zusammenarbeit in einer Eigenentwicklung realisiert. Beide Unternehmen bündeln ihre Expertise im „IDAS Consortium“.

IDAS setzt nach Ansicht des Konsortiums, des Beschaffungsamtes und der Deutschen Marine „neue Maßstäbe in der maritimen Sicherheit“. In einer TKMS-Pressemitteilung heißt es: „Durch die Kombination eines fortschrittlichen Lenkflugkörpers und eines neuartigen Ausstoßgeräts erhalten Uboot-Besatzungen zukünftig die Fähigkeit zur Abwehr von Angriffen und Detektionsversuchen aus der Luft.“ Mit dem jetzt durch das BAAINBw beauftragten IDAS-Projekt „Entwicklung und Qualifizierung einer Lenkflugkörpereinheit bestehend aus Lenkflugkörper und Ausstoßgerät zur aktiven Selbstverteidigung von Ubooten gegen Angriffe aus der Luft“ erreiche die Uboot-Verteidigung eine neue Ebene.

Eine völlig neue Befähigung bei der Selbstverteidigung von Ubooten

Oliver Burkhard, Vorstandsvorsitzender von TKMS, wird in dem Pressetext aus Kiel mit den Worten zitiert: „Wir freuen uns, dass auch dieses Innovationsprojekt nun an den Start gehen kann. Wir tragen im Bereich der Uboot-Selbstverteidigung [mit IDAS] zu einer völlig neuen Befähigung bei und stärken gleichzeitig die Sicherheit von Mensch und Material in zukünftig anspruchsvollen Einsatzszenarien.“

Die (Weiter)entwicklung und Qualifizierung von IDAS soll verschiedenen Fachmedien zufolge „mit 67 Millionen Euro aus dem Verteidigungsetat bis 2029 gesichert“ sein. Der Haushaltsausschuss des Bundestages hatte am 18. Dezember 2024 in seiner 98. Sitzung die finanziellen Mittel für das IDAS-Vorhaben freigegeben. Daraufhin konnte das BAAINBw zum Jahresende den eingangs bereits erwähnten Vertrag mit TKMS und Diehl schließen.

Lenkflugkörper wird hydraulisch aus dem Torpedorohr ausgestoßen

Das Lenkflugkörpersystem IDAS soll – wie bereits beschrieben – vor allem der Selbstverteidigung von Ubooten gegen Bedrohungen aus der Luft dienen. Dies können beispielsweise Hubschrauber sein, die mit Leichtgewichtstorpedos zur U-Boot-Jagd ausgerüstet sind. In einer solchen Bedrohungssituation hatten Ubooten in der Vergangenheit in getauchtem Zustand bisher keine Abwehrmöglichkeit. Es blieb nur die Option, sich unter Wasser zu „verstecken“ und zu hoffen, von dem U-Jäger nicht entdeckt zu werden.

Die Funktionsweise von IDAS erklärte die Bundeswehr vor Kurzem in einem Onlinebeitrag so: „Die Identifikation des angreifenden Hubschraubers erfolgt durch das Sonar des Ubootes. Anschließend werden die Zieldaten auf der Lage- und Bedienkonsole dargestellt. Im nächsten Schritt wird der Lenkflugkörper (LFK) hydraulisch aus dem Torpedorohr ausgestoßen. Nachdem sein Triebwerk in sicherer Entfernung zum Uboot gezündet hat, bewegt sich der Flugkörper bereits unter Wasser in Zielrichtung. Schon zu diesem Zeitpunkt ist auch ein Richtungswechsel möglich, um das Ziel von der Seite oder von hinten zu bekämpfen. Mithilfe eines Booster-Triebwerks stößt der LFK durch die Wasseroberfläche und steigt auf Marschflughöhe an.“

Weiter beschreibt der Beitrag: „Bei der Zielsuche fliegt IDAS mit maximaler Geschwindigkeit in Richtung des vorher eingewiesenen Zielerwartungsgebiets. Während des gesamten Einsatzes stellt das System dem Bediener im getauchten Uboot über den Lichtwellenleiter die vom LFK-Suchkopf wahrgenommene Umgebung mit seinen Zielen grafisch dar. Im Bedarfsfall kann der Bediener so jederzeit eingreifen und sowohl einen operativen Zielwechsel oder Zielkorrekturen als auch ein Missionsabbruch jederzeit durchführen. Die Zielbekämpfung erfolgt am Ende des Einsatzes durch Auslösen des Gefechtskopfs, der eine entsprechende Splitterwirkung entfaltet.“

Erster Testflug aus einem getauchtem Uboot heraus bereits im Mai 2008

Der Uboot-Lenkflugkörper IDAS wurde übrigens am 29. Mai 2008 zum ersten Mal von einem getauchten Uboot der Deutschen Marine („U33“) aus gestartet. Der Test war erfolgreich. Zuvor hatte es bereits – ebenfalls erfolgreich – Versuche von Land aus gegeben. Das Boot der Klasse 212A hatte den LFK vor der Eckernförder Bucht aus einem Torpedorohr verschossen. Noch unter Wasser hatte IDAS seine Flügel entfaltet, das Triebwerk gezündet und kurz darauf die Wasseroberfläche durchstoßen. Danach war das Testsystem in einen kontrollierten Flug übergegangen. Nach Versuchsende hatte man Teile des Flugkörpers wieder geborgen.

Das System IDAS war im Jahr zuvor, am 29. November 2007, mit dem Technologiepreis der wehrtechnischen Industrie in der Kategorie „Sonderpreis“ ausgezeichnet worden. Der Preis „würdigt innovative technologische Konzepte, die der Sicherheitsvorsorge Deutschlands dienen“.

Von der Idee über die Konzeptstudie bis hin zur Umsetzung und Qualifizierung

Über den langen Weg des „Interactive Defence & Attack System for Submarines“ von der Idee über die Realisierung bis hin zur Qualifizierung berichtete Hans Uwe Mergener unlängst in der Fachzeitschrift Europäische Sicherheit & Technik (Publikation für Sicherheitspolitik, Strategie, Wehrtechnik und Rüstung, herausgegeben vom Mittler Report Verlag in Bonn – wir bedanken uns für die Nachdruckerlaubnis).

Mergener, früherer Marineoffizier (1974 bis 2012), danach Bundesgeschäftsführer des Reservistenverbandes (2013 bis 2016) und seit 2018 Redakteur des Verlages, führte aus: „Die Entwicklung [von IDAS] geht auf die Mitte der 2000er-Jahre und auf eine Arbeitsgemeinschaft aus Diehl BGT Defence, Howaldtswerke Deutsche Werft/HDW und der norwegischen Firma Kongsberg zurück.“ Und: „In der Nachfolge der HDW setzten ThyssenKrupp Marine Systems und Diehl Defence als Konsortium die Arbeit an IDAS fort, 2012 als ein ,Initial Development Program‘ (IDP). Im Mai 2013 schlossen sie eine Kooperationsvereinbarung mit der türkischen Roketsan, welche die Verantwortung bei der Entwicklung und Qualifikation des IDAS-Gefechtskopfes übernahm. Gleichzeitig wurde die norwegische Firma Nammo, ein führender Anbieter von Antriebs- und Raketensystemen, als Partner für die Entwicklung des Antriebssystems von IDAS gewonnen. Im Jahr 2016 wurden Be- und Entladetests des Systems und später auch Auswurftests auf [dem norwegischen Unterseeboot S305 ,Uredd‘] erfolgreich durchgeführt. Das Konsortium schloss die IDP mit technischen Entwicklungstests im Mai 2017 in Zusammenarbeit mit der Königlich Norwegischen Marine ab.“


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Zu unserem Bildmaterial:
1. Grafische Darstellung eines IDAS-Lenkflugkörper-Einsatzes.
(Bild: IDAS Consortium)

2. Abschusstest im Mai 2008: „U33“ wird mit dem Waffensystem IDAS – bestehend aus Lenkflugkörper und Ausstoßgerät – beladen.
(Foto: ThyssenKrupp Marine Systems)

3. Das Einsatzkonzept des neuen Marine-Verteidigungssystems IDAS.
(Bild: ThyssenKrupp Marine Systems; grafische Bearbeitung: mediakompakt)


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