Berlin. Seit dem 27. Januar 1967 gibt es den sogenannten Weltraumvertrag der Vereinten Nationen. Er ist heute ein Bestandteil des internationalen Sicherheitskonzepts und soll das Wettrüsten im All verhindern. Er gilt zudem als Schlüsseldokument für eine friedliche Nutzung des Weltraums und für Rüstungskontrolle. Derzeit haben laut Auswärtigem Amt 112 Staaten den Vertrag ratifiziert, darunter auch Deutschland (Stand 3. Mai 2023). Mit dem Themenkomplex „Nationales Weltraumgesetz und militärische Sicherheitsstrategie“ befassten sich vor Kurzem die Bundestagsabgeordneten der Linken Ralph Lenkert, Gesine Lötzsch und Petra Sitte. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz beantwortete am 11. Juli die Kleine Anfrage auch mit Blick auf die Bundeswehr …
In ihrer Vorbemerkung weisen die Fragesteller darauf hin, dass die Regierungskoalition die Raumfahrt und Weltraumforschung als ein zentrales Innovationsfeld identifiziert hat. Nunmehr liege eine neue nationale Raumfahrtstrategie vor, die unter anderem eine Stärkung der zivil-militärischen Zusammenarbeit vorsehe, um bei der Bereitstellung und beim Betrieb von Weltraum-Infrastruktur Synergien durch gemeinsame Nutzung zu schaffen.
Darüber hinaus – so die Linken weiter – werde ein nationales Weltraumgesetz angestrebt, im Zuge dessen die Aufnahme sicherheitsrelevanter Aspekte geprüft werden solle. Unklar ist nach Ansicht der Fragesteller allerdings, in welchem Umfang dies geschehen solle und mit welchen konkreten Zielsetzungen.
Der erste Fragenkomplex der Parlamentarier befasste sich unter anderem mit der militärischen Nutzung von Raumfahrttechnologie sowie mit Strategien und Sicherheitsaspekten der NATO. Dazu führt die Regierung aus: „Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz hat die Eckpunkte für ein nationales Weltraumgesetz in die Ressortabstimmung gegeben. Diese ist noch nicht abgeschlossen. Auf Grundlage des abgestimmten Eckpunktepapiers wird das Ministerium einen Referentenentwurf für ein Weltraumgesetz erstellen. Da sich selbst die Eckpunkte für ein nationales Weltraumgesetz noch in der Ressortabstimmung befinden, können nähere Angaben hierzu und zu dem späteren Gesetzgebungsverfahren für ein Weltraumgesetz derzeit nicht erfolgen.“
Auf die Frage, „in welchem Maß, zu welchem Zweck und in welchen Themenfeldern die Bundesregierung die militärische Nutzung von Raumfahrttechnologie vorantreiben und im nationalen Weltraumgesetz verankern“ will, lautete die Antwort: „Die Bundesregierung erkennt die Bedeutung der Raumfahrttechnologie für eine Vielzahl von Anwendungen an und verfolgt einen umfassenden Ansatz, um deren Potenziale zu maximieren. In welchem Ausmaß und in welchen spezifischen Themenfeldern dies geschieht, wird kontinuierlich geprüft und an die aktuellen Anforderungen angepasst. Ziel ist es, durch den Einsatz von Raumfahrttechnologie die wissenschaftliche Forschung, die wirtschaftliche Entwicklung und die nationale Sicherheit zu stärken.“
Wissen wollten die Bundestagsabgeordneten der Linken auch, ob die Bundesregierung einen finanziellen Aufwuchs und strukturellen Ausbau des Weltraumlagezentrums und des Weltraumkommandos der Bundeswehr plant.
Die Antwort hierzu dürfte die Verantwortlichen am Standort Uedem freuen – die Regierung erklärte: „Das ressortgemeinsame Weltraumlagezentrum – betrieben durch das Bundesministerium für Verteidigung und das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz – soll in den kommenden Jahren weiter auf- und ausgebaut werden. Hierzu hat sich die Bundesregierung auch in ihrer Raumfahrtstrategie bekannt.“ Wie in der Antwort weiter ausgeführt wird, plane das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, in den nächsten drei Jahren Personalkapazitäten zum Betrieb des Weltraumlagezentrums sowie den Bereich der Sensorverfügbarkeit aufzustocken. Die Finanzierung müsse aus dem sogenannten Nationalen Programm für Weltraum und Innovation erfolgen, konkrete Umsetzungsschritte dazu würden sich noch im laufenden internen Abstimmungsverfahren befinden. Abschließend heißt es: „Darüber hinaus ist derzeit kein Ausbau der bereits gebilligten Zielstruktur des militärischen Anteils des Weltraumlagezentrums und des Weltraumkommandos der Bundeswehr vorgesehen.“
Von Interesse für die Abgeordneten war auch, ob die Bundesregierung eine verstärkte Kooperation der Bundeswehr mit Hochschulen und Forschungseinrichtungen im Bereich Weltraumaktivitäten und Weltraumnutzung oder mit etablierten Unternehmen der Raumfahrtindustrie sowie „New Space“-Unternehmen plant. Nach Regierungsauskunft ist allerdings „eine Verstärkung der Kooperation über das bestehende Maß hinaus aktuell nicht vorgesehen“.
Abschließend erkundigten sich die Fragesteller noch nach der dezidierten Förderung von Dual-Use-Forschung analog zur EU-Weltraumstrategie. Die Regierungsantwort hierzu: „Mit dem am 15. März 2024 veröffentlichten Positionspapier zur Forschungssicherheit im Lichte der Zeitenwende leitete das Bundesministerium für Bildung und Forschung einen Diskurs zum Umgang mit Dual-Use relevanter Forschung und einer Stärkung der Kooperation zwischen ziviler und militärischer Forschung ein. Als Teil der Operationalisierung des Positionspapiers wurde ein intensiver Stakeholder-Prozess aufgesetzt und gestartet.“ Im Anschluss werde man die Erkenntnisse aus diesem Prozess bewerten und potenzielle, daran anknüpfende Maßnahmen entwickeln. Grundsätzlich sei nach Einschätzung der Regierung festzustellen, dass anwendungsorientierte Raumfahrttechnologien in den überwiegenden Fällen ein Dual-Use-Potenzial aufwiesen.
Vor knapp 70 Jahren war der Wettlauf ins Weltall zwischen den USA und der damaligen UdSSR ein Wettstreit um Prestige und Dominanz. Bei den heutigen Weltraumoperationen geht es um etwas völlig anderes. In einem Fachbeitrag der Bundeswehr beziehungsweise Deutschen Luftwaffe heißt es: „Jetzt geht es um eine neue Dimension der Globalisierung – darum, unseren Wirtschaftsraum ins All auszudehnen.“ Daher sei es nur logisch gewesen, die Dimension „Weltraum“ prominent in der am 14. Juni 2023 von der Bundesregierung beschlossenen ersten Nationalen Sicherheitsstrategie zu verankern, auch mit deutlichem Bezug auf die militärische Bedeutung. Die Nationale Sicherheitsstrategie betont, dass die umfassende Befähigung der Bundeswehr zur Landes- und Bündnisverteidigung deutsche Staatsräson und oberste sicherheitspolitische Aufgabe sei. Dazu solle sie in allen Dimensionen – Land, Luft, See, Cyber- und Weltraum – noch resilienter werden. Es brauche eine moderne, in allen Bereichen voll ausgestattete und umfassend einsatz- und kampfbereite Bundeswehr und eine starke Reserve.
Auf Seite 62 dieses obersten sicherheitspolitischen Dachdokuments Deutschlands findet sich die Passage: „Eine wachsende Bedeutung für unsere Sicherheit kommt seit einigen Jahren auch dem Weltraum zu. Die sichere Nutzung des Weltraums, insbesondere die Satellitenkommunikation und -navigation sowie Erdbeobachtungsdaten, ist für viele zivile Lebensbereiche unerlässlich geworden. Zugleich hat die militärische Nutzung des Weltraums für moderne Streitkräfte eine erhebliche Bedeutung gewonnen. Die Bundesregierung wird dem Weltraum als strategische Dimension daher verstärkte Aufmerksamkeit widmen und ihre Fähigkeiten auf diesem Gebiet ausbauen.“
Bereits 2016 hat die Bundesregierung in ihrem Weißbuch „Sicherheitspolitik und Zukunft der Bundeswehr“ die Bedeutung des Weltraums „als globales Gemeinschaftsgut für die Funktionsfähigkeit unseres Staates und den Wohlstand unserer Bevölkerung“ definiert. Die Überwachung kritischer Weltraum-Infrastrukturen wurde in dem Dokument deshalb auch „in einem gesamtstaatlichen Ansatz als Aufgabe der Bundeswehr“ festgeschrieben.
Eine besondere Rolle kommt dabei dem im Juli 2009 im nordrhein-westfälischen Uedem aufgestellten Weltraumlagezentrum zu, das seit Juli 2021 Teil des neuen Weltraumkommandos der Bundeswehr ist. Das Weltraumlagezentrum hat die Aufgabe, deutsche weltraumgestützte zivile und militärische Systeme zu schützen. Der zivile Anteil der ressortgemeinsamen Einrichtung, die in Verantwortung der Deutschen Luftwaffe steht, wird vom Raumfahrtmanagement im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) gestellt. Das Weltraumlagezentrum fungiert als die zentrale Ansprechstelle der Bundesregierung für die Weltraumlage.
Es bewertet Risiken durch Weltraumschrott (der Satelliten treffen und beschädigen könnte), mögliche Wiedereintritte von Weltraumobjekten (wodurch sich Risiken für Menschen und Infrastruktur auf der Erde ergeben könnten) sowie die Einflüsse des Weltraumwetters (ausgelöst durch die Aktivitäten der Sonne). Dazu werden alle erdnahen Objekte im Weltraum überwacht und bei Bedarf aufgeklärt, um einen verlässlichen und eindeutigen Objektkatalog zu erstellen. Warnungen des Weltraumlagezentraums versetzen Bundes- und Landesbehörden ebenso wie Satellitenbetreiber in die Lage, rasch reagieren zu können.
Am 13. Juli 2021 wurde in Uedem durch die damalige Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer das Weltraumkommando der Bundeswehr als (inzwischen) eigenständige, streitkräftegemeinsame Institution in Dienst gestellt. Das Weltraumlagezentrum ist ein Teil des Kommandos.
Das Weltraumkommando hat die militärischen Anteile an der langjährigen erfolgreichen Kooperation mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt im Lagezentrum übernommen, ohne diese national wie international hoch anerkannte Organisation zu vereinnahmen. Im Gegenteil: Die im Weltraumlagezentrum abgebildete Situation im erdnahen Weltraum dient nach wie vor zur Berichterstattung an die Ressortebene und bildet zusätzlich die Basis, um den militärischen Absichten und Maßnahmen Dritter angemessen begegnen zu können.
Dabei stimmt sich das Kommando mit den anderen Dimensionen (vor allem mit dem Kommando Cyber- und Informationsraum) ab. Es arbeitet übergeordneten Dienststellen wie beispielsweise dem Einsatzführungskommando oder dem Territorialen Führungskommando fachlich zu. Im Fokus stehen dabei stets die Sicherheit deutscher Weltraumsysteme und die Warnung sowie der Schutz der deutschen Bevölkerung vor sicherheitsrelevanten Ereignissen im Weltraum.
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Unsere Aufnahmen zeigen:
1. Ärmelpatch „Weltraumlagezentrum“.
(Foto: Jennifer Heyn/Bundeswehr)
2. Vom Weltraumlagezentrum in Uedem aus überwachen Fachkräfte der Deutschen Luftwaffe gemeinsam mit Mitarbeitern des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt zivile und militärische Systeme der Bundesrepublik im Weltraum.
(Foto: Francis Hildemann/Bundeswehr)
Kleines Beitragsbild: Eingangsbereich des am 13. Juli 2021 in Uedem in Dienst gestellten Weltraumkommandos der Bundeswehr.
(Foto: Christian Timmig/Bundeswehr)