Rostock/Kiel-Holtenau/Nordholz. Mehr als 50 Jahre leistete der Mehrzweck-Transporthubschrauber Westland Sea King Mk.41 unseren Marinefliegern hervorragende Dienste. Dabei lag die Hauptfähigkeit und Schwerpunktrolle der 21 Maschinen auf dem Such- und Rettungsdienst (SAR = Search and Rescue) im Bereich der nationalen Seegebiete. Hierfür nutzte und nutzt die Deutsche Marine neben ihrer Basis in Nordholz bei Cuxhaven auch Außenstationen auf den Nordseeinseln Borkum und Helgoland sowie an der Ostseeküste in Warnemünde. Der Hubschrauber kann auf allen Schiffen der Flotte, die ein Flugdeck haben, landen. Die Einsatzgruppenversorger können ihn darüber hinaus auch als Bordhubschrauber im Hangar unterbringen. Ab 2020 ersetzt bereits der Nachfolger MH90 Sea Lion, die Marineversion des NH90, nach und nach den Flugveteran. Bald soll die Außerdienststellung des Sea King Mk.41 erfolgen. Im Vorgriff dazu bietet das Presse- und Informationszentrum der Teilstreitkraft Medienvertretern am kommenden Donnerstag (18. Juni) auf dem Marinefliegerstützpunkt Nordholz einen ganz speziellen Termin an: „Ende einer Marineflieger-Ära“.
Der Sikorsky H-3 Sea King (auch als S-61 bezeichnet) ist ein mit zwei Wellenturbinen ausgestatteter Mehrzweckhubschrauber des amerikanischen Hubschrauberherstellers Sikorsky Aircraft Corporation. Er hatte seinen Erstflug im März 1959 und kam ab Juni 1961 bei der U.S. Navy zum Einsatz, dabei von Anfang an vorgesehen für schiffsgestützte Missionen.
In der Navy wurde der Hubschrauber ab Anfang der 1990er-Jahre in der SAR- und ASW-Rolle durch den SH-60F Sea Hawk ersetzt (ASW = Anti-Submarine Warfare/Ubootjagd). Das U.S. Marine Corps setzt heute den Sea King nur noch zu Trainings- und Testzwecken ein. Auch dienen einige Maschinen mit spezieller Ausrüstung und Sonderanstrich – ebenfalls betrieben vom Marine Corps – als offizielle Hubschrauber des US-Präsidenten
Später wurde der Sea King von Sikorsky in Großbritannien von Westland Helicopters Ltd. in Lizenz gefertigt. Westland hatte dazu eine modifizierte Version für die Royal Navy entwickelt (ausgestattet mit britischen Rolls-Royce-Bristol-Gnome-Turbinen sowie britischer Avionik- und ASW-Ausrüstung). Der britische Westland WS-61 Sea King flog zum ersten Mal auf der Insel am 7. Mai 1969 und war ein Jahr später einsatzbereit. Er wurde auch von der Royal Air Force genutzt und in die ganze Welt exportiert. Zu den ersten Kunden gehörte die Bundesrepublik Deutschland mit ihrer damaligen Bundesmarine.
Die ersten Planungen zur Beschaffung der Sea-King-Hubschrauber für die Bundeswehr hatten bereits im Jahr 1964 begonnen. Deutschland bestellte schließlich 22 Westland WS-61 Sea King unter anderem als Ersatz für die in Kiel-Holtenau stationierten Amphibienflugzeuge Grumman HU-16 Albatros. Die 22 Sea-King-Hubschrauber wurden im Zeitraum April 1973 bis September 1974 an das Marinefliegergeschwader 5 (MFG 5) in Holtenau ausgeliefert.
(Anm.: Im Rahmen der ab 2010 vollzogenen „Neuausrichtung der Bundeswehr“ war beschlossen worden, das MFG 5 von Kiel-Holtenau auf den Fliegerhorst Nordholz zu verlegen. Der Umzug begann im Juni 2012 und wurde im November 2012 abgeschlossen. Am 22. August 2012 gab es einen Abschiedsempfang auf dem Marinefliegerhorst in Kiel; das „Fly-Out“ aus der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt erfolgte am 6. November 2012.)
Von den 22 von Westland gelieferten Maschinen an die Bundeswehr existieren heute nur noch 21. Ein deutscher Sea King (taktisches Kennzeichen „89+59“) war am 17. November 1998 in die Nordsee gestürzt. Er sollte nach einem Hauptgetriebeschaden, unter einem CH-53-Transporthubschrauber des Deutschen Heeres hängend, nach Kiel zur Reparatur transportiert werden. Nach wenigen Seemeilen hatte sich der Sea King jedoch derartig aufgeschaukelt, dass der Verlust beider Hubschrauber drohte. Das Transportgeschirr musste gekappt werden, die „89+59“ zerbrach nach einem Sturz aus rund 100 Metern Höhe auf der Wasseroberfläche.
Ein weiterer Hubschrauber („89+61“) war bereits zuvor nach einem Unfall durch eine neue Maschine ersetzt worden. Die alte „89+61“ wurde all die Jahre danach noch als SAG (Schul- und Ausbildungsgerät) in der Technikerausbildung genutzt.
Seit 1975 ist der Sea King nun schon im SAR-Dienst im Einsatz und fliegt bis jetzt – auf der Zielgeraden seiner Dienstjahre – letzte Missionen über der Nord- und Ostsee. Beeindruckend sind nicht nur die zur Zeit der Indienstellung herausragenden Fähigkeiten. Auch die Tatsache, dass die Sea-King-Flotte der Deutschen Marine diese besonderen Qualitäten bis in die Gegenwart hinein immer wieder neu unter Beweis stellen konnte, ist erstaunlich.
Bei nationalen Naturkatastrophen stellte der Sea King eine verlässliche Säule des deutschen Rettungswesens dar. So war das MFG 5 mit seinen Maschinen sowohl bei den Schneekatastrophen 1978/79 in Schleswig-Holstein sowie 2010 auf Rügen und Hiddensee im Einsatz. Bei den Hochwasser-Ereignissen 1997 (Oder), 2002 (Elbe) und 2013 (Elbe, Donau) brachte der Sea King ebenfalls dringend benötigte Hilfe. Auch an einer internationalen humanitären Hilfsmission in Indonesien zur Jahreswende 2004/2005 nach der verheerenden Tsunami-Katastrophe war der Hubschrauber beteiligt.
Insgesamt flogen die SAR-Hubschrauber Sea King der Deutschen Marine seit ihrer Indienststellung bis heute 14.645 Such-, Rettungs- und Noteinsätze.
„Unsere Sea King Mk.41 waren bei ihrer Einführung technologisch ihrer Zeit weit voraus und haben bis heute – also in mehr als 50 Jahren im Dienst der Deutschen Marine – regelmäßig durch ihre Zuverlässigkeit, Robustheit und herausragende Fähigkeiten in zahlreichen nationalen und internationalen Missionen und zuletzt vor allem in Such- und Rettungseinsätzen überzeugt“, sagt der Kommodore des MFG 5, Kapitän zur See Carsten Holtgreve, zur Außerdienststellung seiner „fliegenden Arbeitstiere“.
Der Marineoffizier ergänzt: „Mit der Außerdienststellung der Sea King endet zwar eine Ära bedeutender Einsätze und tiefgehender Verbundenheit der Marineflieger mit ihrem Hubschrauber. Das Selbstverständnis aber bleibt und wird bereits von den gleichen Menschen auf dem wieder einmal seiner Zeit vorneanstehenden Nachfolger, dem NH90 Sea Lion, weitergelebt.“
Während der 50-jährigen Dienstzeit flogen insgesamt 349 Besatzungsangehörige auf dem Sea King Mk.41 – davon waren 199 Piloten, 88 Luftoperationsoffiziere und 62 Bordmechaniker. Ein letztes Mal wird eine deutsche Sea King am 31. August 2024 in Nordholz bei der feierlichen Außerdienststellung landen. Für Medienvertreter ist schon jetzt der 18. Juli reserviert …
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Zu unserem Bildmaterial:
1. Das Marinefliegergeschwader 5 stellt mit einer Sea-King-Flotte bereits seit mehr als 50 Jahren den SAR-Dienst über See sicher. Die Zuständigkeit für den Such- und Rettungsdienst erstreckt sich dabei im Bereich der Nordsee von den Niederlanden bis weit in die Deutsche Bucht hinein und hinauf bis nach Dänemark. Über der Ostsee reicht das Einsatzgebiet der Marineflieger bis nach Schweden und Polen. Die Aufnahme, entstanden im Juli 2004, zeigt einen Sea King am SAR-Standort der Deutschen Marine auf Helgoland.
(Foto: Presse- und Informationszentrum Deutsche Marine)
2. Am 6. Juli 2023 hatte das Presse- und Informationszentrum der Teilstreitkraft mitgeteilt, dass der Sea-King-Nachfolger MH90 Sea Lion Tage zuvor die Aufgabe „Search and Rescue“ übernommen hat. Der neue Helikopter (im Bildvordergrund), dessen 18. und damit letztes Exemplar Anfang des Jahres an unsere Marine ausgeliefert wurde, wird mittelfristig die Westland Sea King Mk.41 komplett ablösen. Was geschieht mit den alten Maschinen? Wie im Januar 2024 bekanntwurde, soll die Ukraine für ihren Verteidigungskampf gegen den russischen Aggressor sechs der demnächst außer Dienst gestellten Sea King erhalten. Das teilte das Bundesministerium der Verteidigung mit. In der Lieferung enthalten sind laut Ministerium „Ersatzteile, Ausbildung für Boden- und fliegerisches Personal sowie die Sicherstellung von ausreichend Restflugstunden“.
(Foto: Kim Brakensiek/Bundeswehr)
3. Landung eines deutschen Sea King am 13. April 2023 in der Abenddämmerung auf dem Deck des US-Lenkwaffenzerstörers „Porter“. Das Manöver fand in der Ostsee statt.
(Foto: Sawyer Connally/U.S. Navy)
4. „Farewell Sea King“ – Maschinen des MFG 5 mit Sonderlackierungen, die auf die geplante feierliche Außerdienststellung des Waffensystems am 31. August 2024 in Nordholz aufmerksam machen sollen.
(Foto: Sascha Linkemeyer, sharpeye-media.com/für Presse- und Informationszentrum Deutsche Marine)
Kleines Beitragsbild: Der Sea King der Deutschen Marine mit der taktischen Kennung „89+63“ bei der Kieler Woche 2024. Einen vielbeachteten Auftritt hatte die Maschine mit der Sonderlackierung „50 Jahre SAR“ bereits beim „SAR-Meet 2023“ auf dem früheren Stützpunkt Kiel-Holtenau. Am Heckausleger des Hubschraubers zu sehen: das Geschwaderwappen. Das MFG 5 stellt nun schon seit fünf Jahrzehnten die Sea-King-Maschinen und Besatzungen für den Such- und Rettungsdienst über See.
(Foto: Julia Kelm/Bundeswehr)