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Luxemburg. Der in Luxemburg ansässige Europäische Rechnungshof (EuRH/European Court of Auditors, eca) hat sich ausführlich mit einem Entwurf der Europäischen Kommission zur Einrichtung eines Programms für die europäische Verteidigungsindustrie – offizieller Titel „European Defence Industry Programme“, kurz EDIP – befasst. Die Prüfer fordern eine solidere politische Programm-Ausgestaltung sowie ein ausgewogeneres Verhältnis zwischen den politischen Zielen, der angedachten Finanzierung und dem Zeitplan. Das vorgeschlagene Programm für die europäische Verteidigungsindustrie soll die Abwehrbereitschaft der EU insgesamt erhöhen und ihre Rüstungsindustrie stärken.

Am 5. März dieses Jahres hat die Kommission den Vorschlag für eine Verordnung zur Einrichtung des Programms für die Verteidigungsindustrie in der EU veröffentlicht. Publik wurde dabei auch der geplante Rahmen „für Maßnahmen zur Gewährleistung der zeitnahen Verfügbarkeit und Lieferung von Verteidigungsgütern“.

Der Europäische Rechnungshof muss zu dem Vorschlag gehört werden. Zudem hat der EU-Ministerrat die Prüfer des EuRH um eine Stellungnahme gebeten, ehe er sich mit dem EDIP-Vorhaben befassen wird. Diese Stellungnahme – der Beitrag des Europäischen Rechnungshofs zum Gesetzgebungsverfahren – enthält nun Empfehlungen zur Klärung bestimmter Teile des Vorschlags, die sich auf die Verwaltung von EU-Mitteln auswirken könnten.

Anreize für Produktionssteigerung und Hilfe bei der Krisenvorsorge

Die Rechnungsprüfer der EU gaben ihre Stellungnahme zur EDIP-Verordnung am heutigen Donnerstag (3. Oktober) ab. Dabei hatte sich ihre Überprüfung lediglich auf den Gesetzentwurf beschränkt; Änderungen, die von den Mitgliedstaaten oder dem Europäischen Parlament vorgenommen wurden, blieben unberücksichtigt.

Das vorgeschlagene Gesetz soll die europäische Rüstungsindustrie bei der Produktionssteigerung und bei der Vorbereitung auf künftige Krisen unterstützen. Dies soll vor allem durch eine gemeinsame Beschaffung der EU-Mitgliedstaaten erreicht werden. Im Fokus steht auch die Sicherstellung der Lieferung von Ausrüstung zur Deckung des Bedarfs im Kriegsfall.

Ausgaben in Höhe von 1,5 Milliarden Euro über einen Zeitraum von zwei Jahren

Die zentralen Empfehlungen des Rechnungshofs: Die zur Verfügung stehenden Gelder sollten bei der Förderung der Verteidigungsindustrie unbedingt gezielter eingesetzt werden, außerdem sollten Gewinne der Unternehmen strenger kontrolliert und auch die Wachsamkeit gegenüber Korruption in der Ukraine erhöht werden.

Die Prüfer weisen darauf hin, dass sich mit den beabsichtigten Ausgaben in Höhe von 1,5 Milliarden Euro über einen Durchführungszeitraum von zwei Jahren möglicherweise nicht das ehrgeizige Ziel erreichen lasse, die Bereitschaft der EU-Verteidigungsindustrie zu stärken und zur industriellen Grundlage für die Verteidigung der Ukraine beizutragen.

Umsetzung einer europäischen Industriestrategie im Verteidigungsbereich

Da auf dem europäischen Kontinent (mit dem Krieg in der Ukraine) wieder intensive Kampfhandlungen stattfinden, messe die EU der Verteidigung jetzt zudem „einen deutlich höheren Stellenwert“ – so heißt es in einer Pressemitteilung des Rechnungshofes zu EDIP – bei.

Der Vorschlag für das Programm für die europäische Verteidigungsindustrie soll der erste Schritt zur Umsetzung einer europäischen Industriestrategie im Verteidigungsbereich sein. Ziel ist es, die sogenannte technologische und industrielle Basis der europäischen Verteidigung (European defence technological and industrial base, EDTIB) nachhaltig zu stärken.

An erster Stelle steht dabei, dass Rüstungsgüter rasch verfügbar sein und geliefert werden sollen. Gleichzeitig soll ein Beitrag zum Wiederaufbau und zur Modernisierung der Verteidigungskapazitäten der Ukraine geleistet werden.

Gesetzesvorschlag der EU-Kommission muss „robuster“ gestaltet werden

Marek Opioła, das für die Stellungnahme zuständige Mitglied des Europäischen Rechnungshofs, äußerte sich zu den im Entwurf des Vorschlags der Kommission bereits ausgemachten Schwachstellen: „Der Gesetzesvorschlag der EU zur Stärkung ihrer industriellen Bereitschaft im Verteidigungsbereich muss robuster gestaltet werden. Außerdem müssen die politischen Ziele, die vorgeschlagene Finanzausstattung und der Zeitplan ins richtige Verhältnis zueinander gebracht werden.“

Den Prüfern zufolge besteht – wie bereits erwähnt – das Risiko, dass mit dem vorgeschlagenen Budget von 1,5 Milliarden Euro die ehrgeizigen Ziele des Programms nicht erreicht werden. Die Kommission habe nicht bewertet, wie viel Geld aus dem EU-Haushalt für die Umsetzung der vorgeschlagenen politischen Maßnahmen erforderlich sei, so die Presseerklärung des EuRH. Außerdem bestehe die Gefahr, dass die gewährten Ressourcen „breit auf unterschiedliche Projekte“ verteilt würden, die „keine messbaren Auswirkungen auf EU-Ebene“ hätten.

Deshalb sei es wichtig, Etappenziele und Zielwerte vorzugeben, die bis 2027 realistischerweise erreicht werden können, so die Forderung der Prüfer. Auch könnten ergänzende Bestimmungen erforderlich sein, um eine solide Grundlage für die Durchführung des Programms und für eine zielgerichtete Mittelzuweisung zu schaffen.

Schließlich solle die Kommission in Betracht ziehen, die aktuelle Industriestrategie für den Verteidigungsbereich im Rahmen des nächsten mehrjährigen EU-Haushalts zu ergänzen, und zwar durch eine langfristige Finanzierungsstrategie für die technologische und industrielle Basis der europäischen Verteidigung. So könnten die Vorzüge einer Unterstützung aus dem EU-Haushalt voll ausgeschöpft werden.

Wille der EU-Länder zur Zusammenarbeit entscheidet über Erfolg des Projekts

Die Experten des Europäischen Rechnungshofs fordern, dass die Bestimmungen zur Rechenschaftspflicht innerhalb des Programms klarer formuliert und verschärft werden, auch in Bezug auf die Prüfungsrechte des EuRH, die gewahrt bleiben müssten. Dies sei wegen der Komplexität der Verwaltungsregelungen im Verteidigungsbereich wichtig, vor allem dann, wenn Programme nicht direkt von der Kommission verwaltet würden, oder wenn die Durchführung in bestimmten Bereichen den ukrainischen Behörden übertragen werde.

Die Prüfer bemängeln ferner, dass es für das „Unterstützungsinstrument für die Ukraine“, ein Teil des Vorschlags, keine feste Finanzausstattung gebe. Da die EU-Länder jedoch vereinbart hätten, die Gewinne aus der Anlage eingefrorener russischer Vermögen zur Unterstützung der Ukraine einzusetzen, könnte ein Teil dieser Einnahmen künftig in dieses Instrument fließen. Bei einer solchen Vorgehensweise ließe sich jedoch nicht vorhersehen, in welcher Höhe und über welchen Zeitraum hinweg diese Finanzierungsquelle genutzt werden könne.

Abschließend heißt es in dem Pressetext aus Luxemburg: „Mit dem Vorschlag werden der Kommission auch neue Zuständigkeiten und Rechte übertragen, um die Versorgungssicherheit bei Rüstungsgütern zu gewährleisten.“ Letztlich hänge es von der Bereitschaft der EU-Länder zur Zusammenarbeit ab, ob dieser Mechanismus wirksam funktioniere.

Redaktioneller NACHBRENNER

Auch Euractiv, das unabhängige, mehrsprachige Internet-Nachrichtenportal, 1999 von dem französischen Medienverleger Christophe Leclercq gegründet, befasste sich jetzt mit dem europäischen Programm für die Verteidigungsindustrie in der EU.

Über den im Kommissionsentwurf enthaltenen Vorschlag zur Subventionierung der Industrie der Ukraine schreibt die Reporterin Aurélie Pugnet (Schwerpunkte „EU-Außenpolitik und Verteidigung“ sowie „NATO“) für Euractiv: „Die Ukraine befindet sich im Krieg und benötigt Investitionen. Gleichzeitig ist das Land für seine weit verbreitete Korruption bekannt, wie der Rechnungshof mehrfach in anderen Berichten, darunter Berichte über die jüngste finanzielle Unterstützung und große Korruption, dargelegt hat. Die ukrainischen Behörden haben Schritte unternommen, um das Problem auf hoher Ebene einzudämmen und den Beitritt zur EU und zur NATO voranzutreiben.“

Pugnet zitiert in ihrem Beitrag dazu Michael Bain, leitender Prüfer im Europäischen Rechnungshof. Bain in Euractiv: „Wir möchten, dass diese Teile der Verordnung über das Europäische Programm für die Verteidigungsindustrie bei Bedarf präzisiert und gestärkt werden. Der Rechnungshof soll das Recht auf eine externe Prüfung aller Ausgaben haben.“

Weiter heißt es in dem Pugnet-Artikel: „Aus diesem Grund wird in der Stellungnahme empfohlen, ,spezifische Regelungen zur Rechenschaftspflicht für die Umsetzung des Programms in der Ukraine‘ hinzuzufügen. Diese sollten ,Mindestschutzmaßnahmen in Bezug auf die Kontrolle, Überwachung und Berichterstattung als Grundlage für zukünftige Verhandlungen mit den ukrainischen Behörden festlegen‘.“


Kompakt                           

Der Europäische Rechnungshof/EuRH ist seit Aufnahme seiner Tätigkeit im Oktober 1977 der externe Prüfer der EU. Seitdem setzt er sich dafür ein, das Finanzmanagement der Union zu verbessern und unabhängige Prüfungssicherheit dafür zu bieten, dass die Gemeinschaft ihre Finanzmittel im Einklang mit den geltenden Vorschriften erhebt und verwendet. Dem Kollegium des EuRH gehört jeweils ein Mitglied aus jedem EU-Staat an. Es wird von rund 900 Mitarbeitern aller EU-Nationalitäten unterstützt.

Zu seinem Auftrag schreibt der EuRH in seiner Onlinepräsenz: „Im Zuge unserer unabhängigen, professionellen und wirkungsvollen Prüfungsarbeit bewerten wir die Sparsamkeit, Wirksamkeit, Wirtschaftlichkeit, Rechtmäßigkeit und Ordnungsmäßigkeit des Handelns der EU, um die Rechenschaftspflicht, die Transparenz und das Finanzmanagement zu verbessern und damit das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger zu stärken und wirksam auf aktuelle und künftige Herausforderungen zu reagieren, mit denen die EU konfrontiert ist.“

Im ersten Jahr seines Bestehens hatte der Hof zwei Stellungnahmen vorgelegt – seitdem ist die Zahl seiner Veröffentlichungen erheblich gestiegen. Der EuRH veröffentlicht nunmehr Jahresberichte, Zuverlässigkeitserklärungen, Sonderberichte, Stellungnahmen und Analysen. Seit einigen Jahren bereits räumt der Europäische Rechnungshof der Prüfung der Ergebnisse von EU-Politiken und der Bereitstellung von Hinweisen zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit große Priorität ein.


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Die Symbolaufnahme zeigt die Munitionsproduktion in einem Unternehmen in der EU.
(Foto: Hugo, Adobe Stock/für Pressestelle des Europäischen Rechnungshofs)


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