Berlin. Nach langer politischer Auseinandersetzung hat der Bundestag am 23. Februar den Gesetzentwurf der Bundesregierung „zum kontrollierten Umgang mit Cannabis“ gebilligt. Mit dem Gesetz wird Erwachsenen der Besitz von bis zu 50 Gramm Cannabis für den Eigenkonsum im privaten Raum erlaubt; im öffentlichen Raum liegt die Höchstgrenze bei 25 Gramm. Was nun ist mit den Angehörigen der Streitkräfte? Nach der „Praktischen Anwendung und [den] Auswirkungen des Gesetzes zum kontrollierten Umgang mit Cannabis sowie des Gesetzes zum Umgang mit Konsumcannabis innerhalb der Bundeswehr“ erkundigten sich die AfD-Bundestagsabgeordneten Hannes Gnauck, Rüdiger Lucassen und Gerold Otten am 17. Juni bei der Bundesregierung …
Für das Gesetz hatten in namentlicher Abstimmung 404 Abgeordnete gestimmt, 226 hatten sich dagegen ausgesprochen, vier hatten sich ihrer Stimme enthalten. Das Gesetz trat am 1. April 2024 in Kraft, die Vorschriften für den gemeinschaftlichen Eigenanbau in den sogenannten Anbauvereinigungen danach am 1. Juli 2024.
Das Gesetz will – so die Bundesregierung – zu einem verbesserten Gesundheitsschutz beitragen, die Aufklärung und Prävention stärken und den illegalen Markt für Cannabis eindämmen. Die aktuelle Entwicklung zeige, dass der Konsum von Cannabis trotz der bestehenden Verbotsregelungen weiter ansteige. Das vom Schwarzmarkt bezogene Cannabis sei oft mit einem erhöhten Gesundheitsrisiko verbunden, da der Gehalt des Wirkstoffs Tetrahydrocannabinol (THC) unbekannt sei und giftige Beimengungen, Verunreinigungen sowie synthetische Cannabinoide enthalten sein könnten.
In ihrer Kleinen Anfrage schreiben die Parlamentarier der AfD: „Die teilweise Entkriminalisierung von Cannabis als Konsummittel sowie die damit einhergehende Normalisierung einer vormalig unter das Betäubungsmittelgesetz fallenden Substanz wird nach Auffassung der Fragesteller an den Soldaten und Beamten der Bundeswehr als Spiegelbild der Gesellschaft nicht spurlos vorbeigehen.“ Sie argumentieren: „Cannabis ist ein Betäubungsmittel, welches insbesondere bei hohem THC-Gehalt zu erheblich gesundheitlichen Beeinträchtigungen sowie Bewusstseinsstörungen führen kann. Ein Verbot des Cannabis-Konsums sowie des Cannabis-Anbaus bedarf in den Augen der Fragesteller insbesondere für Soldaten als ,Staatsbürger in Uniform‘ einer nachvollziehbaren sowie auf wissenschaftlichen Tatsachen beruhenden Begründung.“
Insbesondere falle ins Gewicht, dass durch die derzeitige Gesetzeslage eine Lücke hinsichtlich der Legalität des Cannabis-Konsums zwischen Soldaten und den Beamten sowie Zivilangestellten der Bundeswehr geschaffen werde, so die Fragesteller weiter.
Die Bundesregierung teilt die Ansicht der AfD-Bundestagsfraktion nicht, dass durch die derzeitige Gesetzeslage eine solche Lücke geschaffen werde. In ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage teilte sie am 8. Juli in diesem Zusammenhang auch mit, dass es nicht beabsichtigt sei, eine beamtenrechtliche Grundlage für das Verbot des Cannabis-Konsums für Beamte und Zivilangestellte der Bundeswehr zu schaffen.
Die Regierung erklärt auf die Frage der AfD-Abgeordneten, „inwiefern das bloße Vorhandensein von gefährlichen Anlagen und beruflichen Tätigkeiten ein Verbot des Cannabis-Konsums sowie des Anbaus innerhalb militärischer Liegenschaften“ begründe: „Die Bedienung gefährlicher Anlagen und die Ausübung gefährlicher Tätigkeiten unter dem Einfluss von Cannabis kann zu Bedienfehlern und Außerachtlassung von Sicherheitsvorschriften führen und dadurch Leib und Leben der handelnden Person sowie Dritter gefährden.“
An anderer Stelle heißt es in der Regierungsantwort: „Alle Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr müssen während des Dienstes einsatzbereit sein. Sie können insbesondere während des Dienstes jederzeit zu Dienstleistungen, bei denen es zum Umgang mit Munition, Kriegswaffen, Gefechtsfahrzeugen und gefährlichen Maschinen kommen kann, befohlen werden.“
Wie die Bundesregierung auch mitteilt, ist es nach Inkrafttreten des Konsumcannabisgesetzes „nicht zu einem vermehrten Konsum von Cannabis innerhalb der Bundeswehr gekommen“.
Nach der Freigabe von Cannabis im April dieses Jahres feierte die Szene in Deutschland. Doch zugleich und zunächst fast unbemerkt ist eine Welle der Drogenkriminalität über das Land hereingebrochen. Im Bundesland Nordrhein-Westfalen direkt an der Grenze zu den Niederlanden liefert sich die sogenannte Mocro-Mafia Revierkämpfe mit der kriminellen Konkurrenz, entführt, foltert und tötet Menschen. (Anm.: Als Mocro-Maffia werden in den Niederlanden zusammenfassend Banden der organisierten Drogenkriminalität bezeichnet, die sich vornehmlich aus Marokkanern, Personen von den Niederländischen Antillen sowie aus gebürtigen Niederländern selbst rekrutieren und in den Niederlanden sowie Belgien aktiv sind.)
Der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) hatte bereits früh vor dieser Entwicklung gewarnt. Dirk Peglow etwa, der Bundesvorsitzende der Vereinigung, zeigt sich mittlerweile keinesfalls mehr überrascht von der Tatsache, dass nun immer mehr Drogenkriminelle in Deutschland aktiv werden. Er sieht den Hauptgrund darin, dass die Bundesregierung zwar den Konsum von Cannabis entkriminalisiert, gleichzeitig jedoch aber keinen legalen Markt für den Verkauf geschaffen habe. In diese Lücke würden jetzt Kriminelle stoßen, die ihre Drogen verkaufen wollen und sich um Marktanteile streiten, so Peglow. Hinzu komme die enorm gestiegene Nachfrage der Konsumenten, die Cannabis nun legal konsumieren könnten und in größeren Mengen besitzen dürften.
Zu der erwartbaren Entwicklung nach einer möglichen Cannabis-Legalisierung durch den Gesetzgeber hatte der BDK bereits im Juli 2022 in einem Positionspapier hingewiesen. So heißt dort unter anderem: „Cannabis spielte bei Handels-, Schmuggel- und Einfuhrdelikten in den vergangenen Jahren die größte Rolle bei Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz (BtMG).“ Polizeiliche Zahlen zeigten, dass trotz Strafverfolgungsdruck [vor der Legalisierung] die Verfügbarkeit von Cannabis nicht eingedämmt werden konnte. Verschiedene Studien belegten zudem, dass Cannabis weiterhin die am stärksten konsumierte […] Droge in Deutschland sei.
Der Bund Deutscher Kriminalbeamter machte in seinem Positionspapier 2022 auch auf einen gefährlichen Aspekt der Cannabis-Nutzung aufmerksam. Wissenschaftliche Untersuchungen zu den Auswirkungen von Cannabis-Konsum hätten gezeigt, dass die Anzahl der stationären Aufenthalte in Krankenhäusern im Zusammenhang mit cannabisinduzierten psychischen Erkrankungen erheblich angestiegen sei. Dies zeige deutlich, dass Cannabis keinesfalls eine „harmlose“ Droge sei.
Wörtlich heißt es in dem Papier: „Eine aktuelle Studie des Universitätsklinikums Ulm von Prof. Dr. med. Maximilian Gahr [und anderen] zeigt, dass es im Zeitraum von 2000 bis 2018 zu einem erheblichen Anstieg von stationären Krankenhausbehandlungen im Zusammenhang mit cannabisinduzierten psychischen Erkrankungen gekommen ist. Den Ergebnissen der Studie nach hat sich die Zahl der Menschen, die aufgrund von psychischen Störungen infolge von Cannabis-Konsum im Krankenhaus behandelt werden mussten, im genannten Zeitraum versechsfacht. Während es im Jahr 2000 noch 3392 festgestellte Fälle in Deutschland gab, lag der Wert im Jahr 2018 bei 19.091 Behandlungen, was einer Zunahme um 462,82 Prozent entspricht. Die stationären Aufenthalte aufgrund von anderen psychischen Erkrankungen wie Alkoholabhängigkeit oder Schizophrenie stiegen im betrachteten Zeitraum hingegen nicht.“
Wie erklärt sich diese Entwicklung? Dazu verweist der BDK auf die Experten: „Grund für den Anstieg der notwendigen Behandlungen von cannabisinduzierten Störungen sehen die Forscher in der besseren Verfügbarkeit, dem wachsenden Konsum von Cannabis in der Bevölkerung und dem gestiegenen Wirkstoffgehalt der Cannabis-Produkte. Darüber hinaus spielt der zunehmende Konsum von synthetischen Cannabinoiden ebenfalls eine entscheidende Rolle.“
Eine abschließende Vorhersage der Kriminalbeamten war (beziehungsweise ist noch immer) zugleich auch eine deutliche Warnung an den Gesetzgeber. Die Entwicklungen in anderen Ländern zeigten, dass der illegale Markt durch eine [Legalisierung] keinesfalls ausgetrocknet werden könne, so der BDK. Auch erscheine es als „völlig unrealistisch“, dass der Staat aufgrund der Besteuerung und gleichzeitiger Limitierung des Wirkstoffgehalts mit den auf dem illegalen Markt vertriebenen Produkten tatsächlich würde konkurrieren können. Insbesondere würden Gruppierungen aus dem Bereich der Organisierten Kriminalität alles daransetzen, innovativer zu sein und auch noch kürzere Entwicklungszyklen bei der Produktion zu erreichen.
Cannabis ist der Name der indischen Hanfpflanze, die den psychoaktiven Wirkstoff Tetrahydrocannabinol/THC enthält. Dieser Wirkstoff verursacht einen Rauschzustand. Hierzulande gebräuchlich sind die zwei Cannabis-Varianten Haschisch und Marihuana.
Als Marihuana (umgangssprachlich Gras) bezeichnet man die getrockneten Blütenblätter, Stängel und Blätter der Pflanze. Unter Haschisch (Dope, Shit, Piece) versteht man das getrocknete Harz aus den Drüsenhaaren der weiblichen Pflanze.
Cannabis wird meist mit Tabak vermischt und geraucht. Cannabis und die Cannabisprodukte gehörten bis zum 1. April 2024 (beziehungsweise 1. Juli 2024) zu den illegalen Suchtmitteln, deren Besitz und Anbau ebenso wie Handel verboten waren und strafrechtlich verfolgt wurden.
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Symbolbild „Cannabis“ aus dem Bildangebot von Pixabay.
(Foto: Erin Stone/unter Pixabay License = freie kommerzielle Nutzung, kein Bildnachweis erforderlich)
Kleines Beitragsbild: Symbolbild „Haschischzigaretten“. Haschisch ist eine starke Form von Cannabis. Es wird aus dem Harz der Hanfpflanze hergestellt. Das Harz ist in den Blüten und Blättern der weiblichen Hanfpflanze zu finden. Meistens wird Haschisch geraucht, entweder allein oder mit Tabak gemischt. Beim Rauchen gelangen die Wirkstoffe direkt in die Lunge. Die Wirkung von Haschisch ist stärker und dauert länger als bei getrockneten Blüten.
(Foto: Kinodel/unter Pixabay License = freie kommerzielle Nutzung, kein Bildnachweis erforderlich)