Berlin. 23 Feldjägerdienstkommandos bundesweit stellen sicher, dass die Militärpolizei der deutschen Streitkräfte rund um die Uhr erreichbar und einsatzbereit ist. Durch die Neuausrichtung auf die Landes- und Bündnisverteidigung – bedingt vor allem durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine – haben sich auch die Aufgaben der rund 3000 Mann starken Feldjägertruppe, in der auch viele Frauen dienen, größtenteils signifikant geändert. Braucht der Aufgabenbereich „Feldjägerwesen der Bundeswehr“ vor dem Hintergrund dieser Entwicklung bald einen neuen gesetzlichen Rahmen? Etwa ein „Feldjägergesetz“? …
Im Mai dieses Jahres führte Beate Schöne, Hauptmann im Bereich „Presse- und Öffentlichkeitsarbeit“ des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr, ein längeres Interview mit einem Feldjäger, der es wissen muss. Oberstleutnant Marco Langhorst, Stellvertretender Kommandeur des Feldjägerregiments 3 in München, erläuterte Schöne für einen Onlinebeitrag das modifizierte Aufgabenpaket seiner Truppengattung.
Langhorst, seit 1998 Feldjäger, erklärte unter anderem: „Wir haben den Auftrag, eine ,MP Task Force‘ für die ,Division 2025‘ bereitzustellen. Diese Heeresdivision soll einen Feldjägeranteil erhalten. Auch in der Feldjägerei kommen wir weg vom Kontingentdenken: Statt Einzelabstellungen in einen Auslandseinsatz geht es künftig um die Verlegung ganzer Truppenkörper. Wir müssen unsere Fähigkeiten, die beim Internationalen Krisenmanagement gefragt waren, nun um Szenarien zur Landes- und Bündnisverteidigung erweitern. Das erfordert eine andere Ausbildungs- und Übungssystematik und neue Aufgaben.“
Viele spezialisierte Einzelaufgaben stellten sich heute komplett anders dar, so Langhorst weiter. Ermittler der Feldjäger seien beispielsweise früher sehr intensiv für Einzelfälle ausgebildet worden, künftig gehe es auch um die Dokumentation von Kriegsverbrechen oder die Wahrnehmung von Gewahrsamsaufgaben. Auch habe sich bereits die Ausstattung der Feldjäger geändert: Man habe nun neue geschützte Fahrzeuge, andere Ausstattungssätze sowie Drohnen.
Reicht angesichts der veränderten Auftragslage das Instrumentarium aus, das der Gesetzgeber der deutschen Militärpolizei mit an die Hand gegeben hat? Oder braucht es eine modifizierte, eine neue Gesetzesgrundlage für das Feldjägerwesen? Ein „Feldjägergesetz“?
Wer den Begriff „Feldjägergesetz“ im Internet googelt, erhält kaum Resultate. Und doch haben sich Menschen bereits intensiv mit dem Thema befasst. So etwa die Jugendorganisation der CDU, die Junge Union.
Am 15. Juni 2024 fand in Kiel der Verteidigungskongress des Deutschlandrats der Jungen Union statt. Vertreter aus allen Bundesländern waren eingeladen, um in der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt über sicherheits- und verteidigungspolitische Fragen zu diskutieren. Die Ergebnisse der Veranstaltung mündeten schließlich in einem neunseitigen Beschluss mit dem Titel „360 Grad sind keine Wende“.
In dem Papier heißt es unter anderem, Deutschland habe auf Grund seiner geografischen Lage eine zentrale Rolle als Bereitstellungsraum und „logistische Drehscheibe“. Allerdings sei die zivile Infrastruktur für die Aufnahme, Weiterleitung und Verteilung einer Vielzahl an Großverbänden für eine militärische Nutzung insbesondere östlich der Grenzen des ehemaligen Warschauer Paktes „nicht hinreichend ertüchtigt“. Die Junge Union fordere deshalb, das Thema „Military Mobility“ auch auf Ebene der EU mit Priorität voranzutreiben und national notwendige Mittel bereitzustellen, um strategisch erforderliche Straßen, Brücken, Eisenbahnlinien, Wasserstraßen und das NATO-Pipeline-Netz zu modernisieren und gemeinsam mit den osteuropäischen Partnern auszubauen.
In diesem Zusammenhang haben die Teilnehmer des Kieler Kongresses zudem beschlossen: „Wir [fordern] die Einführung eines Feldjägergesetzes. Als Bindeglied zwischen zivilen und militärischen Sicherheitsbehörden kommt der Militärpolizei eine besondere Rolle zu, die durch den Gesetzgeber zukunftsfest zu definieren ist; die bisherigen Aufgaben und Befugnisse sind dabei rechtssicher zu regeln und künftige Verantwortlichkeiten zu diskutieren.“
Auch die CDU-Bundestagsabgeordnete Kerstin Vieregge (Wahlkreis Lippe I, Nordrhein-Westfalen) hat sich bereits mit der Thematik „Feldjägergesetz“ befasst. Die Obfrau der Unionsfraktion im Verteidigungsausschuss des Bundestages hatte sich im November vergangenen Jahres an die Bundesregierung gewandt und gefragt: „Hält die [Regierung] vor dem Hintergrund der fortlaufenden Verrechtlichung der Arbeit von Sicherheitsbehörden die Schaffung einer ausdrücklichen Rechtsgrundlage für die Feldjäger der Bundeswehr für zweckmäßig?“ Und: „Falls ja, [besteht die Absicht,] noch in dieser Legislaturperiode einen Entwurf für ein Feldjägergesetz zu erarbeiten?“
Die Schriftliche Frage der Abgeordneten war am 27. November 2023 von der Parlamentarischen Staatssekretärin beim Bundesminister der Verteidigung Siemtje Möller beantwortet worden.
Möller hatte dabei ausgeführt: „Die Fokussierung der Bundeswehr als Parlamentsarmee auf Landes- und Bündnisverteidigung – insbesondere für die Rolle Deutschlands als Drehscheibe für die Bedarfe der NATO-Verteidigungsplanungen unterhalb der Schwelle des Spannungs- und Verteidigungsfalls – bedingt auch eine interne Betrachtung geltender Normen und Gesetze unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Grenzen.“
Über die bestehenden Rechtsgrundlagen für die Wahrnehmung des Feldjägerdienstes beziehungsweise des Feldjägereinsatzes sagte die Staatssekretärin: „[Diese Rechtsgrundlagen] basieren auf den Erfordernissen des Kalten Krieges für Deutschland als ehemaligem Frontstaat. Diese wurden anteilig um die Bedarfe des Internationalen Krisenmanagements ergänzt und sind im Grundbetrieb dem Grunde nach noch hinreichend.“
Allerdings – so Möller in ihrer Antwort weiter – zeigten sich nun „vor dem Hintergrund der sicherheitspolitischen Entwicklung in Europa, der geographischen Rahmenbedingungen Deutschlands und den sich daraus entwickelnden militärischen Aufgaben […] in der konkreten Anwendung aus fachlicher Sicht Klarstellungsbedürfnisse sowie gegebenenfalls darüber hinausgehend auch rechtlicher Anpassungsbedarf“. Dies sei bedingt „insbesondere durch die hohe Zunahme militärischer Märsche, etwa im Rahmen nationaler und multinationaler Großübungen, sowie durch Vorkommnisse bei der Unterstützung ukrainischer Streitkräfte und weitere sicherheitsrelevante Aspekte für die militärpolizeiliche Aufgabenwahrnehmung – inklusive hybrider Effekte“.
Die Staatssekretärin schloss: „Diese erkannten Bedarfe und möglichen Handlungsoptionen sind Gegenstand fortlaufender Prüfung, wobei auch eine gesetzliche Regelung, die den rechtlichen Rahmen für den Aufgabenbereich ,Feldjägerwesen der Bundeswehr‘ zusammenfassend abbildet (,Feldjägergesetz‘), als Option mitbetrachtet wird. Der Abschluss der ergebnisoffenen Untersuchung wird noch in dieser Legislaturperiode angestrebt.“
Nach dem Bruch der Ampel-Koalition durch das parteipolitische Taktieren von Finanzminister Christian Lindner (FDP) und dessen anschließender Entlassung am 6. November durch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sind – nach der Vertrauensfrage durch den Kanzler im Bundestag – vorgezogene Neuwahlen erforderlich geworden. Diese sollen am 23. Februar 2025 stattfinden. Bis zur Wiederaufnahme der Regierungsgeschäfte durch eine neue Bundesregierung befinden sich zahlreiche wichtige Gesetzesvorhaben momentan in der Schwebe oder stocken komplett. Dies dürfte auch das in unserem Beitrag erörterte sogenannte „Feldjägergesetz“ betreffen.
Rund 3000 Männer und Frauen an 23 Bundeswehrstandorten in ganz Deutschland dienen im Aufgabenbereich der Feldjäger. Das Hauptquartier, das Kommando „Feldjäger der Bundeswehr“, ist in der niedersächsischen Landeshauptstadt Hannover beheimatet. Von dort aus führt der Stab mit seinen rund 150 Angehörigen die gesamte Feldjägertruppe, koordiniert Einsätze sowie die Bereiche „Ausbildung“ und „Weiterentwicklung“.
Seit 2001 gehört das Feldjägerwesen zum Organisationsbereich Streitkräftebasis. Das Kommando „Feldjäger der Bundeswehr“ wurde 2013 aufgestellt, an der Spitze steht ein General. Seit dem 11. Oktober 2022 ist Brigadegeneral Sandro Wiesner Kommandeur des Kommandos und damit oberster Feldjägerführer der deutschen Streitkräfte.
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Das Symbolbild „Feldjäger der Bundeswehr“ entstand am 9. Juni 2018 beim „Tag der Bundeswehr“ in Baumholder.
(Foto: Christian Dewitz/mediakompakt)
Kleines Beitragsbild: Schriftzug auf einem Dienstfahrzeug der Feldjäger, ebenfalls fotografiert am 9. Juni 2018 in Baumholder.
(Foto: Christian Dewitz/mediakompakt)