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Koblenz/Karlsruhe/Düsseldorf/Köln/Berlin. Weil er einem ausländischen Geheimdienst Informationen geliefert haben soll, hat die Bundesanwaltschaft einen deutschen Berufssoldaten wegen mutmaßlicher geheimdienstlicher Agententätigkeit angeklagt. Die Karlsruher Behörde wirft dem Mann, ein Bundeswehroffizier im Range eines Hauptmanns, auch vor, das Dienstgeheimnis verletzt zu haben. Der Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf soll jetzt entscheiden, ob es zu einem Prozess kommt.

Der Hauptmann und Mitarbeiter des Bundesamtes für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) war am 9. August 2023 in Koblenz festgenommen worden – wir berichteten über den Fall.

Ab Mai 2023 soll der Mann – aus eigenem Antrieb – mehrfach dem Russischen Generalkonsulat in Bonn und der Russischen Botschaft in Berlin eine Zusammenarbeit angeboten haben. In der damaligen Pressemitteilung des Generalbundesanwalts (GBA) beim Bundesgerichtshof hieß es dazu: „Dabei übermittelte er zu einer Gelegenheit Informationen, die er im Zuge seiner beruflichen Tätigkeit erlangt hatte, zwecks Weiterleitung an einen russischen Nachrichtendienst“.

Ehemaliger Mitarbeiter des Koblenzer Beschaffungsamtes erwartet Prozess

Am 11. März 2024 hat nun die Bundesanwaltschaft vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf Anklage „gegen den deutschen Staatsangehörigen Thomas H.“ erhoben.

In der am 19. März veröffentlichten Pressemitteilung der Behörde wird ausgeführt: „Der Angeschuldigte ist hinreichend verdächtig, für einen ausländischen Geheimdienst tätig gewesen zu sein (§ 99 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StGB). In diesem Zusammenhang wird ihm auch Verletzung des Dienstgeheimnisses (§ 353b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StGB i.V.m. § 48 Abs. 1 WStG) vorgeworfen.“ Die Anklageschrift sei „nunmehr zugestellt“ worden. Der Angeschuldigte befindet sich seit seiner Festnahme am 9. August 2023 in Untersuchungshaft.

Deutschland und Bundeswehr besonders im Fokus russischer Dienste

Klare Worte zu permanenten und aktuellen Bedrohungsszenarien durch fremde Nachrichtendienste findet Martina Rosenberg, die Präsidentin des Bundesamtes für den Militärischen Abschirmdienst (BAMAD). In der Broschüre „MAD-Information: Sicherheitsbewusstsein in der Krise“ vom Februar 2023 schreibt sie in der Einleitung: „Spionageaktivitäten fremder Mächte stellen eine ernsthafte Bedrohung Deutschlands und deutscher Interessen dar. Staatlich gelenkte Nachrichtendienste nutzen dabei alle ihnen zur Verfügung stehenden Mittel, um Informationen zu erlangen, Einfluss auszuüben und die Interessen ihres Landes zu verfolgen. Das machen sie klassisch, von Mensch zu Mensch, aber auch zunehmend und häufig im Cyberraum.“

Rosenberg warnt weiter: „Insbesondere Nachrichtendienste der Russischen Föderation haben die Bundesrepublik Deutschland auch aufgrund der militärischen Fähigkeiten der Bundeswehr und der verbündeten Streitkräfte in den Fokus genommen. Die Aktivitäten der Nachrichtendienste der Russischen Föderation richten sich somit unmittelbar gegen die Bundeswehr. Konkrete Aufklärungsschwerpunkte sind militärpolitische und strategische Informationen, wie beispielsweise Verteidigungsstrukturen und Zukunftsplanungen der Bundeswehr, der NATO und der Europäischen Union. Darüber hinaus sind Informationen zu Militärtechnologie, Rüstungsindustrie sowie militärisch nutzbare Forschungsergebnisse Schwerpunkte der gegnerischen Aufklärung.“ Und, wie vermutet: „Nach Kriegsbeginn haben Informationen zur Ausbildungsunterstützung ukrainischer Soldaten durch die Bundeswehr Waffen- und Materiallieferungen Deutschlands an die Ukraine eine hohe Bedeutung für Russland gewonnen.“

Landesverrat in zwei besonders schweren Fällen trifft BND hart

Seit dem 13. Dezember vergangenen Jahres verhandelt der für Staatsschutzsachen zuständige 6. Strafsenat des Kammergerichts Berlin gegen den ehemaligen Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes (BND) Carsten L. und dessen mutmaßlichen Mittäter, den selbständigen Geschäftsmann Arthur E., wegen des Vorwurfs des Landesverrats in zwei – jeweils als besonders schwer zu bewertenden – Fällen. Wir berichteten ebenfalls über diesen Fall.

Die Pressemitteilung des Kammergerichts vom 30. November 2023 führt aus: „Die Angeklagten sollen im Herbst 2022 in gemeinschaftlichem Zusammenwirken bei zwei Gelegenheiten geheimhaltungsbedürftige Dokumente und Informationen aus den internen Datenverarbeitungssystemen des BND an den russischen Inlandsgeheimdienst FSB vermittelt haben. Während L. die Informationen unter Ausnutzung seines Beschäftigungsverhältnisses besorgt habe, sei der Angeklagte E. für die Weitergabe an FSB-Mitarbeiter in Russland zuständig gewesen. Die Angeklagten sollen für ihre Dienste vom FSB entlohnt worden sein. Laut Anklageschrift führte die Mitteilung in beiden Fällen zur Gefahr eines besonders schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland.“

Das Kammergericht hat die Anklage der Bundesanwaltschaft mit Beschluss vom 9. Oktober vergangenen Jahres zur Hauptverhandlung zugelassen. Für den Prozess sind bis zum 17. Juli 2024 bislang insgesamt 51 Hauptverhandlungstermine festgesetzt. Der Senat ist in der Hauptverhandlung mit fünf Richtern einschließlich des Vorsitzenden besetzt. Beide Angeklagten befinden sich seit ihrer Festnahme in Untersuchungshaft.

Mindestens fünf Jahre Gefängnis bis hin zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe

Das Berliner Verfahren erzeugte ein deutliches Medienecho. So befasste sich beispielsweise die Journalistin Ann-Kathrin Jeske für das ZDF bereits zum Prozessauftakt mit dem möglichen Strafmaß, besonders für den Ex-BND-Mitarbeiter. Aus ihrem Onlinebeitrag: „Für den mutmaßlichen Verräter in den eigenen Reihen des Bundesnachrichtendienstes geht es um viel. Mindestens fünf Jahre Gefängnis, aber sogar eine lebenslange Freiheitsstrafe könnte Carsten L. drohen, wenn sich das bewahrheitet, was die Bundesanwaltschaft ihm vorwirft: Einen besonders schweren Fall von Landesverrat, also die Preisgabe von Staatsgeheimnissen.“ Denn, so Jeske: „Es ist diese Tatsache, die für den Angeklagten juristisch heikel ist: Dass er, dem Staatsgeheimnisse als Mitarbeiter des BND gerade anvertraut waren, seine Stellung missbrauchte, um Informationen an den russischen Geheimdienst FSB weiterzugeben. Ein von Russland bezahlter BND-Mitarbeiter mitten in Zeiten des Ukrainekriegs – der Fall ist auch politisch brisant.“

Vor wenigen Tagen nun sagte BND-Präsident Bruno Kahl beim Gerichtsprozess in Berlin aus. Über den Schaden, den der angeklagte Carsten L. und dessen Komplize mutmaßlich angerichtet haben, äußerte sich Kahl wie folgt: „Ein Innentäter – ein Verräter im eigenen Haus – ist mit das Schlimmste, was einem Geheimdienst passieren kann.“ Aus Sicht des BND sei der ganze Fall eine „Katastrophe“.

Zwar seien die zeitliche Dauer sowie Umfang und Tiefe der abgeflossenen Informationen überschaubar gewesen und man habe den mutmaßlichen Verratsfall außerdem nach einem Hinweis eines anderen Geheimdienstes selbst aufklären können. Gleichwohl sei der entstandene „Schaden ganz immens“: So habe man ein halbes Jahr lang mit den internationalen Partnern erörtern müssen, wie es zu dem Fall habe kommen können und was verbessert wurde, um deren Vertrauen zurückzugewinnen. In der Öffentlichkeit sei dem BND ebenfalls ein „großer Reputationsschaden“ entstanden.

Kahls Aussage (die am Nachmittag des Verhandlungstages aus Gründen der Staatssicherheit unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfand) wird wahrscheinlich eine wichtige Rolle dabei spielen, wenn es um das Strafmaß für die Angeklagten im Falle einer Verurteilung gehen wird.


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Unser Bildmaterial zeigt den Eingangsbereich zur Bundesanwaltschaft in Karlsruhe, der einzigen Staatsanwaltschaft des Bundes. Die Behörde wurde 1950 eingerichtet. Zum Aufgabenbereich des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof gehören im Wesentlichen die erstinstanzliche Verfolgung von Straftaten gegen die Innere Sicherheit (beispielsweise terroristische Gewalttaten) und die Äußere Sicherheit (etwa Spionage und Landesverrat) der Bundesrepublik Deutschland.
(Foto: nr)

Kleines Beitragsbild: Symboldarstellung „Spionage“ aus dem Bildangebot von Pixabay.
(Foto: Urheber 1195798/unter Pixabay License = freie kommerzielle Nutzung, kein Bildnachweis erforderlich; grafische Bearbeitung: mediakompakt)


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