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Oeiras bei Lissabon (Portugal)/Stockholm (Schweden)/Kiel. Am heutigen Freitag (17. Juni) ging mit einer Abschlusspressekonferenz im Marinestützpunkt Kiel die diesjährige multinationale Großübung „Baltic Operations“ (BALTOPS) zu Ende. An BALTOPS 22 nahmen im Zeitraum 5. bis 17. Juni 45 Schiffe, 75 Flugzeuge und etliche Hubschrauber sowie rund 7000 Militärangehörige aus 14 NATO-Staaten plus den NATO-Beitrittskandidaten Finnland und Schweden teil. Gastgeber der Auftaktveranstaltung, der Pre-Sail-Conference, war Schweden. Das Land feiert derzeit das 500-jährige Bestehen seiner Marine. An der Abschluss-PK, die von der U.S. Navy ausgerichtet wurde, nahmen unter anderem der amerikanische Vizeadmiral Eugene „Gene“ H. Black III (Kommandeur der 6. US-Flotte und Befehlshaber des Verbandes Naval Striking and Support Forces NATO, STRIKFORNATO), der amerikanische Admiral Michael M. Gilday (Chief of Naval Operations, CNO) sowie der Stellvertretende Inspekteur der Deutschen Marine und Befehlshaber der Flotte, Vizeadmiral Frank Lenski, teil. Nach zwei Jahren pandemiebedingter Pause ist ein Teil der an BALTOPS beteiligten Marineschiffe erstmals wieder nach Manöverende in den Stützpunkt Kiel eingelaufen. Hier wartet auf die Besatzungen die traditionelle Kieler Woche (in diesem Jahr vom 18. bis zum 26. Juni).

Das große Marinemanöver der USA, der NATO und eingeladener Partner ist ein Schwerpunkt im Jahreskalender der verbündeten Seestreitkräfte. BALTOPS trainiert seit fast 50 Jahren im Ostseeraum das breite Spektrum moderner Seekriegführung.

Die multinationale Übung, die in der Regel zwei Wochen dauert, ist mit einem jährlich wechselnden Partner in der Region als Gastgeber verknüpft. Dort in einem der Häfen des Gastlandes versammeln sich die beteiligten Flottenverbände unmittelbar vor der Übung; in diesem Jahr fand die Pre-Sail-Conference in Stockholm statt.

BALTOPS endet stets im Marinehafen von Kiel, unmittelbar vor Beginn der Kieler Woche. Hier versammeln sich die Führungsstäbe der teilnehmenden Nationen auch zur unmittelbaren Nachbesprechung, der Post-Exercise-Discussion. Dieses Meeting bildet den eigentlichen Abschluss von BALTOPS und ist die Grundlage für die folgende Übungsauswertung und das nächste „Baltic Operations“-Manöver.

Eines der größten Manöver innerhalb der BALTOPS-Reihe

An dem diesjährigen Großmanöver beteiligten sich folgende Nationen: Belgien, Bulgarien, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Lettland, Litauen, die Niederlande, Norwegen, Polen, Schweden, die Türkei und die USA.

Mit ihren fast 50 Schiffen und Booten, etwa 80 Flugzeugen und Helikoptern und rund 7000 Soldaten zählte „Baltic Operations 2022“, die 51. Auflage dieser maritimen Veranstaltung, mit zu den größten Manövern der BALTOPS-Reihe.

Die Deutsche Marine war bei BALTOPS 22 vertreten mit der Fregatte „Sachsen“ und dem Einsatzgruppenversorger „Berlin“ der Einsatzflottille 2 aus Wilhelmshaven. Hinzu kamen die Korvette „Braunschweig“, die Minenjagdbooten „Fulda“ und „Homburg“ der Einsatzflottille 1 aus Warnemünde und Kiel. Für die Dimension „Luft“ entsandte die Marine Mehrzweckhubschrauber vom Typ Sea King sowie Fernaufklärer P-3C Orion. Die Luftwaffe war vertreten mit Kampfflugzeugen Eurofighter und Tornado, hinzu kam für die Luftbetankung ein Airbus A400M. Etwa 700 Bundeswehrangehörige waren an BALTOPS 22 beteiligt.

Zusammenarbeit von See-, Luft- und amphibischen Streitkräften

Wie jedes Manöver, so dient auch BALTOPS auf rein militärischer Ebene dazu, alle teilnehmenden Kräfte intensiv zu trainieren. In einem Onlinebeitrag „Baltic Operations – Sicherheit für die Ostsee“ der Bundeswehr-Redaktion heißt es dazu: „Wichtigster Aspekt dabei ist die Interoperabilität, also die Fähigkeit, auf verschiedenste Weise und auf unterschiedlichen Ebenen flexibel und effektiv zusammenzuarbeiten. Das Manöver übt daher nicht nur die Kooperation der Besatzungen von Schiff zu Schiff. Es soll auch dafür sorgen, dass See-, Luft- und amphibische Streitkräfte in der Lage sind, nahtlos zusammenzuarbeiten.“

Der Beitrag führt weiter aus: „Dieses Training stärkt die kombinierten Reaktionsfähigkeiten der verbündeten Marinen, die erforderlich sind, um die regionale Stabilität sichern zu können. So soll BALTOPS auch auf einer politischen Ebene die Entschlossenheit der NATO und ihrer Partner zur Verteidigung des Ostseeraums demonstrieren.“ Und: „BALTOPS sorgt für den Ausbau von militärisch-politischen Beziehungen über ein breites Spektrum hinweg.“

Zu Beginn eine Übung der US-Marine mit geringer internationaler Beteiligung

War BALTOPS ursprünglich eine reine Übung der U.S. Navy, so sind heute praktisch alle NATO-Nationen daran beteiligt. Formell laden der Kommandeur der 6. US-Flotte und der US-Marinebefehlshaber Europa/Afrika (Neapel) zu der Großübung ein. Die detaillierte Planung und Organisation ist allerdings seit dem Jahr 2016 Aufgabe des Kampf- und Unterstützungsverbandes für maritime Operationen STRIKFORNATO, der seinen Sitz in Oeiras nahe der portugiesischen Hauptstadt Lissabon hat. Der Kommandeur der 6. US-Flotte ist zugleich Kommandeur von STRIKFORNATO – und damit immer der Befehlshaber von BALTOPS.

Wie andere Marinemanöver gliedert sich BALTOPS in zwei große Abschnitte von je rund einer Woche Dauer: das kombinierte Combat Enhancement Training (CET) plus Force Integration Training (FIT) sowie die anschließende taktische Phase der Übung, die Tactical Exercise (TACEX).

Die gesamte Übung basiert auf einem Szenario „Blau-Land gegen Orange-Land“ mit einem detaillierten Skript. Auf dieser Grundlage trainieren die Einheiten und ihre Besatzungen während der CET/FIT-Phase einzelne fiktive Ereignisse, die jeweils nur wenige Stunden dauern (beispielsweis kleine Luftverteidigungsübungen, Speedboot-Abwehr oder aber seemännische Manöver wie das Schleppen eines beschädigten Schiffes).

In der taktischen Phase trainieren die Schiffe und Boote weniger in festgelegter Weise. Vielmehr kann sich das Ausgangsszenario frei weiterentwickeln – ganz nach den Entscheidungen der Kommandeure der beteiligten Verbände. Diese TACEX-Phase ist so konzipiert, dass sie den Einsatz in einer möglichen Realität widerspiegelt, bei dem sich schließlich „orange“ und „blaue“ Kräfte gegenüberstehen (siehe auch unseren früheren Beitrag über BALTOPS 2020 – hier).

Mehr Flugzeuge wegen Integration der diesjährigen MAGDAYs

Zu den Übungsszenarien von BALTOPS 22 gehörten unter anderem amphibische Operationen, Schießübungen, Uboot-Abwehr, Luftverteidigung, Minenräumen und Kampfmittelbeseitigung. Trainiert wurden in diesem Jahr auch robustere medizinische Einsatzszenarien, insbesondere die Personenbergung von einem Uboot.

Eine Besonderheit von BALTOPS 22 war zudem, dass – mittlerweile zum zweiten Mal – die unter Führung der Deutschen Luftwaffe durchgeführten MAGDAYs integriert worden waren. Die Bundeswehr bewertete dies in ihrem am 17. Juni veröffentlichten Onlinebeitrag „BALTOPS und MAGDAYs 2022“ folgendermaßen: „Dies verstärkte den Anteil von Luftstreitkräften erheblich und erhöhte hinsichtlich der übergreifenden Koordination und Integration von Luft- und Seestreitkräften die Komplexität und die Qualität der erreichbaren Übungsziele [deutlich].“ Durch den MAGDAY-Beitrag hatte sich bei der diesjährigen BALTOPS der Anteil der Kampfflugzeuge um mehr als 20 Maschinen erhöht. Eingeplant waren außerdem zwei Tankflugzeuge.

Die MAGDAYs sind die nationalen Übungstage der Luftwaffe und der Multinational Air Group (MAG). Sie finden seit 2019 vier Mal pro Jahr statt. Inzwischen nehmen daran 19 – auch Nicht-NATO-Staaten – teil (über MAG und die MAGDAYs siehe unseren früheren Beitrag vom 25. August 2019).

Das Combined Air Operations Centre (CAOC) im nordrhein-westfälischen Uedem unterstützte BALTOPS 22. Das CAOC war dabei – wie bereits in den Jahren zuvor – mit der Planung, Durchführung, Führung und Überwachung der Luftoperationen beauftragt worden. Im Vorfeld der Übung und während der Übungstage waren Experten der Luftwaffe und der NATO im Uedemer Gefechtsstand zusammengezogen worden, um gemeinsam die gewaltige Anzahl an Flugbewegungen zu organisieren. Zusätzlich zu der Unterstützung durch einen Großteil des Deutschen Joint Forces Air Component als integraler Bestandteil der MAG waren auch die Partnernationen aus Schweden und Finnland mit ihren Experten zugegen und unterstützten bei der Übungsplanung.

NATO ist bereit zur Verteidigung des gesamten Bündnisraumes

Der Stellvertretende Kommandeur von STRIKFORNATO, der britische Konteradmiral James Morley, leitet bei BALTOPS 22 den Bereich „Exercise Control“. Hier arbeitete jene Gruppe von Fachleuten, die die Übenden kontrollierten und anschließend bewerteten.

Morley erklärte: „BALTOPS ist eine großartige Gelegenheit für unsere alliierten Streitkräfte und die Partnernationen, gemeinsam auf See, in der Luft und am Boden zu trainieren und so die Interoperabilität und die Erfahrung in der Zusammenarbeit zu verbessern. ,Baltic Operations‘ dient auch dazu, den Menschen in der Region zu zeigen, dass die NATO bereit ist zur Verteidigung.“


Kompakt                           

Die BALTOPS-Manöverreihe begann während des Kalten Krieges als Teil der Bemühungen der USA, ihr Engagement für die Sicherheit und Stabilität einer der beiden strategischen Flanken Europas zu demonstrieren. Das Mittel dafür war eine effektive multinationale maritim-militärische Zusammenarbeit.

Die eigentliche „Gründung“ von BALTOPS datiert auf den Mai 1971. Damals fuhr der Flugzeugträger USS „Intrepid“ zusammen mit drei Zerstörern in die Ostsee, um Operationen nahe der Sowjetunion durchzuführen. Die Einsatzgruppe fuhr bis auf 20 Seemeilen an die sowjetische Küste heran und wurde dabei rund um die Uhr von gegnerischen Aufklärungsflugzeugen beobachtet.

Zur gleichen Zeit entwickelte sich eine sowjetische „Vorwärtspolitik“ mit einer Verlagerung der Militärdoktrin von nahen zu weiter entfernten Einsätzen. So hatten die sowjetischen Streitkräfte ein Jahr zuvor die Großübung „Okean 70“ durchgeführt, die sich auf den Atlantik, den Pazifik und sogar den Indischen Ozean erstreckte. Die Sowjetunion unterstrich damit ihre globalen Ambitionen.

Bei dieser Strategie betrachtete die Sowjetunion den Westen der Ostsee quasi als Schlüsselregion: Es gab Pläne, im Fall einer Auseinandersetzung mit der NATO das dänische Festland einzunehmen und zu halten, was regelmäßige kombinierte Luft- und Amphibienübungen des Warschauer Paktes eindeutig belegten.

Der Schwerpunkt von BALTOPS lag demnach von Anfang an auf dem Schutz der dänischen Inseln und der dänischen Meerengen. „Blaue“ Flottenverbände sollten in die Ostsee vordringen können, während „orangen“ Kriegsschiffen der umgekehrte Weg – in die Nordsee und damit in den Atlantik – verwehrt bleiben sollte. Militärexperten hielten die Ostseezugänge für strategisch-operativ ebenso wichtig wie die GIUK-Lücke oder wie die Fulda-Lücke auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland.

(Anm.: Die „GIUK-Lücke“ – auch „GIUK-Gap“ – ist eine militärische Bezeichnung für eine gedachte Linie zwischen Grönland, Island und dem Nordende des Vereinigten Königreiches; diese Lücke befindet sich am Übergang zwischen dem europäischen Nordmeer, der Grönlandsee und dem nördlichen Atlantischen Ozean und bildet einen strategischen Engpass, dessen Kontrolle einen Zugang zum Atlantik sichert. Die „Fulda-Lücke“ – oder „Fulda-Gap“ – erstreckte sich von Herleshausen bis Bad Neustadt an der Saale; hier befürchtete die NATO einen Vorstoß der Truppen des Warschauer Pakts zwischen zwei ihrer Armeegruppen hindurch und weiter in das Hinterland der Bundesrepublik Deutschland hinein.)

1972 nahmen die USA das neue Manöver BALTOPS offiziell in die Liste ihrer globalen Übungen auf. Sie definierten es als „jährliche, multilaterale Marineübung, an der Dänemark, die Niederlande, Großbritannien und Westdeutschland regelmäßig teilnehmen“ würden.

Drei Jahre später, 1975, wurde BALTOPS auf das gesamte Spektrum der Seekriegsführung – einschließlich der elektronischen Kampfführung und der asymmetrischen Kriegsführung – erweitert. So bestand damals die „Orange Force“ aus dänischen und westdeutschen Schnellbooten, Flugzeugen und Ubooten, die gegen die Zerstörer und Fregatten der „Blue Force“ antraten.


Zu unserer Bildfolge:
1. Schiffe der NATO und Partnerländer Finnland und Schweden beim diesjährigen Großmanöver „Baltic Operations“. Im Vordergrund die deutsche Korvette F260 „Braunschweig“. Die Aufnahme entstand am 6. Juni 2022; ins Bild einmontiert ist das BALTOPS-Emblem.
(Foto: U.S. Naval Forces Europe-Africa/U.S. Sixth Fleet; Emblem: STRIKFORNATO; Bildmontage: mediakompakt)

2. Die USS „Mount Whitney“, ein Kommandoschiff für amphibische Kriegsführung der U.S. Navy, am 5. Juni 2022 im Hafen von Stockholm. Hier in der schwedischen Hauptstadt fand vor dem eigentlichen BALTOPS-Start die Pre-Sail-Conference statt.
(Foto: Tyler M. Raab/U.S. Marine Corps)

3. Flugzeuge aus Deutschland, Finnland, Schweden und den USA im Formationsflug hoch über dem Einsatzgruppenversorger „Berlin“ der Deutschen Marine. Das Bild stammt vom 6. Juni 2022.
(Foto: Jesse Schwab/USS „Kearsarge“/U.S. Navy)

4. Einsatzgruppenversorger „Berlin“ bei BALTOPS am 12. Juni 2022.
(Foto: U.S. Naval Forces Europe-Africa/U.S. Sixth Fleet)

5. Die USS „Kearsarge“, ein amphibisches Angriffsschiff der U.S. Navy der „Wasp“-Klasse. Dahinter (links) das amerikanische amphibische Landungsschiff USS „Gunston Hall“ und der amerikanische Lenkwaffenzerstörer USS „Gravely“. Diese Schiffsformation wurde bereits am 17. Mai 2022 in der Ostsee fotografiert.
(Foto: U.S. Navy/Jesse Schwab)

6. Ein deutscher Marinehubschrauber Sea King Mk.41 am 7. Juni 2022 an Deck der USS „Kearsarge“.
(Foto: U.S. Navy/Jesse Schwab)

7. Die Fregatte F219 „Sachsen“ am 8. Juni bei der Treibstoffübernahme vom Einsatzgruppenversorger „Berlin“.
(Foto: Maxwell Anderson/U.S. Naval Forces Europe-Africa/U.S. Sixth Fleet)

8. Deutscher Eurofighter bei BALTOPS am 9. Juni 2022 bei der Luftbetankung durch einen Boeing KC-135 Stratotanker” der U.S. Air Force. Die Maschine ist stationiert auf dem britischen Luftwaffenstützpunkt Mildenhall. Die Royal Air Force Station Mildenhall – kurz RAF Mildenhall – ist ein von den U.S. Air Forces in Europe (USAFE) genutzter Militärflugplatz in England. Die Basis ist neben der RAF Lakenheath eine von zwei verbliebenen USAFE-Basen auf der Insel, auf der noch amerikanische Einsatzgeschwader beheimatet sind. Mildenhall ist Basis von Tankern, Flugzeugen für Spezialeinsätze und Elektronik-Aufklärern.
(Foto: Nicholas Swift/U.S. Air Force)

9. 17. Juni 2022 – am letzten Tag des Großmanövers BALTOPS 22 trafen sich US-Admiral Michael M. Gilday und Vizeadmiral Jan C. Kaack, Inspekteur der Deutschen Marine. Admiral Gilday, Chief of Naval Operations, befehligt rund 340.000 Angehörige der US-Marine sowie knapp 300 Schiffe, darunter 70 Atom-Uboote und Tausende Flugzeuge.
(Foto: Courtney Hillson/U.S. Navy)

Unser Großbild auf der START-Seite zeigt im Vordergrund den amerikanischen Lenkwaffenzerstörer USS „Porter“. Die Aufnahme wurde zum Auftakt des multinationalen Manövers BALTOPS, am 6. Juni 2022, gemacht.
(Foto: U.S. Naval Forces Europe-Africa/U.S. Sixth Fleet)

Kleines Beitragsbild: Ärmelpatch BALTOPS.
(Foto: Timothy A. Turner/2nd Marine Expeditionary Brigade/U.S. Marine Corps)


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