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Berlin. Der Bundestag hat am Freitag vergangener Woche (28. Januar) einem Regierungsantrag zur Fortsetzung des Einsatzes bewaffneter deutscher Streitkräfte im Irak zugestimmt. In namentlicher Abstimmung unterstützten 553 Abgeordnete die Mandatsverlängerung, 110 lehnten sie ab, es gab eine Enthaltung. Aufgrund des Parlamentsbeschlusses wird die Bundeswehr ihre Beteiligung am Einsatz gegen den sogenannten „Islamischen Staat“ (IS) nun um neun Monate – „längstens bis zum 31. Oktober 2022“ – fortsetzen. Die Personalobergrenze liegt unverändert bei bis zu 500 Bundeswehrangehörigen. Die einsatzbedingten Zusatzausgaben werden für den Zeitraum des Mandats vom 1. Februar 2022 bis zum 31. Oktober 2022 auf insgesamt rund 72,9 Millionen Euro beziffert.

Ziel des deutschen Engagements ist es, durch einen vernetzten Ansatz zu einer umfassenden und nachhaltigen Stabilisierung der Region – insbesondere des ehemaligen IS-Kerngebiets im Irak – beizutragen. Der deutsche Beitrag zum Fähigkeitsaufbau der regulären irakischen Streit- und Sicherheitskräfte sowie dazugehörige Unterstützungsleistungen soll den Regierungsangaben zufolge sowohl im Rahmen des NATO-Engagements im Irak als auch im Rahmen der internationalen Anti-IS-Koalition erbracht werden.

Im Antrag heißt es: „Im Zuge der Verschiebung des Schwerpunktes der internationalen militärischen Rolle im Irak von Kampfhandlungen gegen den IS hin zum vorrangigen Fähigkeitsaufbau kommt dem NATO-Engagement im Irak eine zunehmende Bedeutung zu, entsprechend dem Wunsch der irakischen Regierung.“

„Kinetische Fähigkeiten“ ausschließlich zum Eigenschutz der eingesetzten Kräfte

Ausgeschlossen sei indes der Fähigkeitsaufbau von Einheiten und Verbänden der sogenannten Volksmobilisierung PMF (Popular Mobilization Forces). Die paramilitärischen PMF gelten als Proxy-Kräfte des Nachbarlandes Iran. Die Bundesregierung schreibt in ihrem Antrag: „Die Bemühungen um eine strukturelle Reform der irakischen Institutionen zur Eingliederung der PMF in die irakischen Sicherheitsstrukturen mit dem Ziel der effektiven und direkten Kontrolle der PMF-Kräfte durch die irakische Regierung sollen unterstützt werden.“

Die Bundesregierung macht auch deutlich, dass – anders als bei der „Operation Inherent Resolve“ der internationalen Anti-IS-Koalition – die NATO-Mission im Irak weiterhin nicht am unmittelbaren Kampf gegen den IS beteiligt ist und „kinetische Fähigkeiten ausschließlich zum Eigenschutz der eingesetzten [Kräfte]“ einbringt.

Im Rahmen der internationalen Anti-IS-Koalition soll die Bundeswehr auch künftig durch die Bereitstellung von Fähigkeiten zu Luftbetankung und Lufttransport, zur bodengebundenen Luftraumüberwachung und durch Stabspersonal sowie die Beteiligung an AWACS-Luftraumüberwachungsflügen beitragen. Diese Flüge, bei denen Daten für die internationale Koalition gewonnen und weitergegeben werden, finden nur über dem Irak, im Luftraum von NATO-Staaten oder im internationalen Luftraum statt, versichert die Bundesregierung.

IS erhebt Anspruch auf die ehemaligen Gebiete und agiert nun im Untergrund

In ihrem Antrag geht die Regierung auch ein auf den Auftrag der Vereinten Nationen an die Mitgliedstaaten (die dazu in der Lage sind), „alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um terroristische Handlungen zu verhüten und zu unterbinden, die insbesondere vom IS begangen werden“.

Die Lagebeurteilung der Bundesregierung hinsichtlich der Terrorbewegung liest sich wie folgt: „Auch wenn die zusammenhängende territoriale Kontrolle vom IS über Gebiete in Irak und Syrien durch die internationale Anti-IS-Koalition und ihre regionalen Partner im März 2019 erfolgreich gebrochen wurde, dauert der bewaffnete Angriff [des] IS weiterhin an. Nach wie vor erhebt der IS einen Anspruch auf die ehemals durch ihn kontrollierten Gebiete und darüber hinaus. Zudem richtet der IS sein Handeln darauf aus, in Gebieten, in denen die räumliche Kontrolle durch Sicherheitskräfte nicht nachhaltig gewährleistet ist, wieder zu erstarken, Einfluss auszuüben und sein Netzwerk im Untergrund auszubauen. Der IS verfügt weiterhin [in seinem] Kerngebiet über die Ressourcen, militärischen Mittel und den Willen, zeitlich und räumlich begrenzt eine territoriale Kontrolle auszuüben. Der IS ist weiterhin fähig und willens, Anschläge in Irak, Syrien und Europa sowie darüber hinaus zu verüben. Trotz der erzielten militärischen Erfolge gegen den IS gilt das Selbstverteidigungsrecht gemäß Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen daher unverändert fort.“

Zustimmung der Grünen zu einem wenig überzeugenden Konzept

Die Verlängerung des Bundestagsmandats für den IRAK-Einsatz wurde von einigen Tageszeitungen auch im Kommentarbereich gewürdigt.

So schrieb die Frankfurter Rundschau (FR): „Überzeugend ist es nicht, wenn die Ampelregierung den Bundeswehreinsatz im Irak verlängern will, aber Syrien als Einsatzort ausschließt. Dies lässt sich zwar rechtfertigen, weil es mit dem Völkerrecht übereinstimmt, da Bagdad um fremde Hilfe gebeten hat und Damaskus nicht. Inhaltlich ist es aber nicht hilfreich, da die [Bundeswehrangehörigen] Teil des Kampfes gegen den ,Islamischen Staat‘ sind, der in beiden Ländern operiert.“ Unüblich sei es zudem, solch ein Mandat nur um ein paar Monate zu verlängern. Mitverantwortlich für all dies seien zum einen die Grünen, weil sie noch beim letzten Mal als Oppositionspartei den Einsatz abgelehnt hätten und nun als Regierungspartei nur diesem wenig überzeugenden Konzept zustimmten. Zum anderen, weil die Koalition alle Auslandseinsätze evaluieren wolle. Die FR schlussfolgerte: „Überzeugender wäre es also gewesen, zu überprüfen, was die Bundeswehr im Irak erreicht hat und dort noch erreichen soll. Und zudem mit den Verbündeten darüber zu sprechen.“

Der Berliner Tagesspiegel befasste sich ebenfalls mit der Begrenzung des Mandats zur Bekämpfung des IS auf das Staatsgebiet des Irak. Der Kommentar erklärt der Leserschaft: „Dies haben Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) in einem Schreiben an die Vorsitzenden der Bundestagsfraktionen mitgeteilt. Das neue Mandat enthalte ,deutliche Anpassungen‘, heißt es in dem Schreiben der beiden Ministerinnen: ,So wird Syrien als Einsatzgebiet ausgeschlossen‘. Bislang hatten sich deutsche Soldaten an der Luftaufklärung sowohl im Irak als auch in Syrien beteiligt.“ Der Ausschluss eines Einsatzes der Bundeswehr in Syrien gelte als wichtiges Zugeständnis an die Grünen, die das Mandat zum Kampf gegen den IS in der Vergangenheit als verfassungswidrig abgelehnt hatten, meinte der Tagesspiegel.

Schließlich noch ein Blick ins Straubinger Tagblatt. Dort wurde die Mandatsverlängerung folgendermaßen bewertet: „So bleibt die Bundeswehr vorerst bis Ende Oktober mit bis zu 500 Kräften im Irak, um die Regierung unter anderem bei der Luftaufklärung im Kampf gegen islamistische Terroristen zu unterstützen. Damit zeigt die Bundesregierung gegenüber den weiteren Bündnispartnern Verantwortung und stärkt letztlich die eigene Sicherheit. Denn der besiegt geglaubte ,Islamische Staat‘ ist abermals am Erstarken. Den ersten Realitätstest hat die Ampel damit bestanden. Doch bald steht sie vor einer noch viel schwierigeren Frage: Wie geht es mit dem unseligen Einsatz in Mali weiter, wo die Lage noch viel verworrener ist?“


Zu unserem Symbolbild „Irak-Ausbildung“: Deutsche Spezialisten sind auch in der autonomen Kurdenregion im Nordirak im Einsatz. Das Foto, entstanden am 15. März 2016 im Camp Bnslawa bei Erbil, zeigt die Ausbildung kurdischer Kämpfer (Peschmerga) an der Panzerfaust 3 durch Angehörige der Bundeswehr. Im Antrag der Bundesregierung zur Mandatsverlängerung vom 12. Januar 2022 heißt es unter anderem: „Eine hohe sicherheitspolitische Bedeutung kommt den deutschen militärischen Beiträgen in Nordirak als Teil der ,Ein-Irak‘-Politik der Bundesregierung zu. Dort beraten und begleiten deutsche […] Soldaten im internationalen Verbund des ,Joint Operational Command Advisory Team-North‘ den Fähigkeitsaufbau der kurdischen Sicherheitskräfte.“
(Foto: Andrea Bienert/Bundeswehr)

 


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