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Berlin/Neuburg an der Donau/Mihail Kogălniceanu (Rumänien). Die Deutsche Luftwaffe wird sich im Februar und März mit drei Eurofighter-Kampfflugzeugen erneut – wie bereits 2021 – an der Luftraumüberwachung der südöstlichen Bündnisflanke beteiligen. Bei dieser NATO-Mission „enhanced Air Policing South“ werden neben den deutschen Maschinen auch italienische Eurofighter eingesetzt. Wie aus einer Erklärung des Presse- und Informationszentrums der Luftwaffe vom heutigen Freitag (28. Januar) hervorgeht, soll das deutsche Kontingent dabei „weitestgehend in das italienische Kontingent vor Ort integriert“ werden. Der temporäre deutsch-italienische Verband wird auf der rumänischen Mihail Kogălniceanu Air Base, 26 Kilometer nordwestlich von Constanța am Schwarzen Meer, zum Einsatz kommen.

Dieses Konzept der Interoperabilität ermögliche es, so die Luftwaffe, einen bestehenden Luftverteidigungsverband mit geringem Aufwand an Material und Personal rasch aufwachsen zu lassen und zu verstärken. Missionsziel sei es, bei einer Alarmierung im Rahmen der „Quick Reaction Alert“ – kurz QRA (System der Einsatz- beziehungsweise Gefechtsbereitschaft der Luftwaffe) – gemeinsame Schutzflüge mit deutschen und italienischen Eurofighter durchzuführen. Diese QRA-Einsätze im Rahmen des NATO Air Policing finden standardmäßig mit Luft-Luft-Bewaffnung statt.

Die deutschen Kampfjets und das Personal werden vom Taktischen Luftwaffengeschwader 74 in Neuburg an der Donau gestellt. Der Beitrag wurde langfristig geplant und vorbereitet und steht in keinem direkten Zusammenhang mit der aktuellen russischen Truppenkonzentration an der Grenze zur Ukraine.

Die Luftwaffe weist in ihrer Pressemitteilung zudem darauf hin, dass die kontinuierlichen Beiträge der Teilstreitkraft beim NATO Air Policing auch dem Erfahrungsaustausch zwischen den Besatzungen der einzelnen Bündnispartner dienen und die Interoperabilität mit den Alliierten stärken sollen.

Deutsch-britisches Konzept „plug and fight“ jetzt auch mit italienischer Luftwaffe

Die Bundeswehr beteiligte sich im Zeitraum 24. Juni bis 9. Juli 2021 erstmals an der NATO-Mission „enhanced Air Policing South“ in Rumänien. Dabei spielte das von der Deutschen Luftwaffe und der britischen Royal Air Force entwickelte Konzept „plug and fight“ eine wichtige Rolle (siehe auch hier).

Bei „plug and fight“ ergänzen Kleinstkontingente die Kräfte der jeweiligen Führungsnation und stützen sich zur Reduzierung des logistischen Aufwandes auf die vorhandenen Fähigkeiten der Führungsnation ab. Im vergangenen Jahr verstärkten zwei Eurofighter des Taktischen Luftwaffengeschwaders 71 „Richthofen“ aus Wittmund das Einsatzkontingent der Royal Air Force (vier Eurofighter) als „Quick Reaction Alert“ an der rumänischen Schwarzmeerküste.

Übergeordnetes Ziel ist nun der Einsatz eines komplett gemischten deutsch-britischen Eurofighter-Kontingents im Jahr 2022, möglicherweise auch erst 2023, vom estnischen Ämari heraus beim Air Policing im Baltikum (siehe dazu unseren Beitrag vom 2. Januar 2022).

Luftraumpatrouillen der Bündnispartner über Bündnisterritorium

Die Bündnismission „Southern Air Policing“ trägt – wie auch das „Baltic Air Policing“ – im Rahmen der „NATO Assurance Measures“ als kollektive und defensive Maßnahme in Friedenszeiten dazu bei, den Schutz der Integrität des Luftraumes der Allianz zu gewährleisten. Dazu sind in wechselnder Rotation Kampfflugzeuge der NATO-Nationen auf dem rumänischen Militärstützpunkt Mihail Kogălniceanu stationiert.

Das Air Policing über den drei baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen begann im März 2004. Das Air Policing über den Gebieten der Schwarzmeeranrainer Rumänien und Bulgarien wurde bereits seit 2014 von kanadischen Kontingenten und einem US-Kontingent, ab 2017 dann offiziell auch von Kontingenten verschiedener europäischer NATO-Nationen durchgeführt.

Neben dem „Air Policing Baltikum“ und dem „Air Policing South“ gibt es weitere internationale Luftraumüberwachungen der NATO-Partner.

Die Überwachung des Luftraums über Slowenien (Beitritt zur NATO 29. März 2004) hatte 2007 zunächst die italienische Luftwaffe geleistet, später dann – ab Anfang 2014 – die ungarische Luftwaffe.

Das Air Policing über Albanien (Beitritt zur NATO 1. April 2009) leisten seit knapp 13 Jahren abwechselnd Italien und Griechenland.

Italien und Griechenland schützen mit ihren Kampfflugzeugen auch den Luftraum über Montenegro (Beitritt zur NATO 5. Juni 2017), sie operieren hierfür von ihren Heimatbasen aus.

Nach dem Beitritt Nordmazedoniens zur NATO (27. März 2020) übernahm Griechenland im Dezember 2021 zunächst im Rahmen eines bilateralen Arrangements und kurz darauf für die NATO die Sicherung des nordmazedonischen Luftraums.

Das Air Policing der NATO für Island ist besonders. Hier haben die Bündnispartner mit den isländischen Behörden vereinbart, regelmäßig aber nicht dauerhaft NATO-Kampfflugzeuge auf der Keflavík Air Base für die Luftraumsicherung zu stationieren. Mehrfach im Jahr sind seit Mai 2008 hier für einige Woche Alarmrotten der Allianz im Einsatz und schützen den Luftraum des Inselstaates im äußersten Nordwesten Europas. Die heutige Bezeichnung dieser (Übungs-)flüge lautet „Airborne Surveillance and Interception Capabilities“.

Seit Januar 2017 gibt es auch die „BeNeLux Air Policing“-Vereinbarung für den Luftraum Belgiens, der Niederlande und Luxemburgs. Hier stellen abwechselnd die belgische und die niederländische Luftwaffe die Alarmrotte für alle drei Länder.

Europäische Abschreckungsinitiative als Antwort auf die Krim-Annexion

Zum Schluss noch ein Blick zurück auf das Jahr 2014. Die rechtswidrige Annexion der Halbinsel Krim durch Russland im März jenes Jahres war ein entscheidender Moment für die europäische, transatlantische und internationale Sicherheit. In einem Dokument des Wissenschaftlichen Dienstes des Europäischen Parlaments (European Parliamentary Research Service, EPRS) vom Juli 2018 heißt es: „Dieses Ereignis wirkte wie ein Weckruf und definierte strategische und Sicherheitserwägungen in einzelnen EU-Mitgliedstaaten, in den Vereinigten Staaten und in internationalen Organisationen wie der EU und der NATO. Russlands zunehmend selbstbewusstes militärisches Auftreten ist für seine europäischen Nachbarn beunruhigend.“

Im Juni 2014 kündigte der damalige US-Präsident Barack Obama die „European Reassurance Initiative“ (ERI) an, eine Sicherheitsgarantie der USA an die Europäer in Form eines militärischen Programmes zur Unterstützung der Aktivitäten des US-Militärs und seiner Verbündeten in Europa. 2017 wurde ERI umbenannt in „European Deterrence Initiative“(EDI), frei übersetzt „Europäische Abschreckungsinitiative“.

Die amerikanischen Aktivitäten im Rahmen von EDI umfassen die Ausbildung von Streitkräften, multinationale Militärübungen und die Entwicklung von militärischer Ausrüstung und Fähigkeiten. Sie alle finden unter dem Dach der „Operation Atlantic Resolve“ (OAR) statt, deren Kernaufgabe die Stärkung der Abschreckung ist. Die US-Initiative hat die Zusammenarbeit im Bereich „Sicherheits- und Verteidigung“ zwischen den Vereinigten Staaten und den Hauptadressaten Estland, Lettland, Litauen, Polen, Rumänien und Bulgarien vertieft. Diese osteuropäischen Länder profitieren am meisten von der OAR.

Dass die „Europäische Abschreckungsinitiative“ den amerikanischen Steuerzahler einiges kostet, zeigt einmal mehr der aktuelle US-Verteidigungshaushalt. Nach langem Streit (republikanische Senatoren hatten die Abstimmung zeitweise blockiert – sie hatten vergeblich versucht, die Sanktionsgesetze gegen die Ostsee-Pipeline „Nord Stream 2“ zu verschärfen) verabschiedete der US-Kongress am 15. Dezember 2021 einen Verteidigungshaushalt für 2022 in Höhe von rund 768 Milliarden US-Dollar (rund 677 Milliarden Euro). Nach dem Repräsentantenhaus stimmte an diesem Mittwoch auch der Senat dem Etat zu. Etwa vier Milliarden US-Dollar sind für die „European Deterrence Initiative“ vorgesehen.

Millionen US-Dollar aus dem EDI-Topf für Infrastrukturmaßnahmen

Das US European Command (USEUCOM) mit Sitz in Stuttgart koordiniert alle EDI- und damit OAR-Vorhaben. Dabei ist das Kommando stets daran interessiert, eine verbesserte Interoperabilität zwischen den Streitkräften der verschiedenen Länder zu erreichen. Dies geschieht durch gemeinsame Ausbildung und Übungen sowie durch Personalaustausch.

Gleichzeitig unterstützen die USA mit EDI den Ausbau militärischer Infrastruktur in den genannten NATO-Ländern. So wurden beispielsweise bis August 2020 auf dem litauischen Luftwaffenstützpunkt Šiauliai aus dem EDI-Topf und beauftragt durch die NATO Support and Procurement Agency (NSPA) insgesamt zwölf Infrastrukturprojekte gefördert. Šiauliai ist die Hauptoperationsbasis für das baltische Air Policing. Die Arbeiten beinhalteten unter anderem die Überholung und Modernisierung des gesamten Stützpunktareals. Ähnlich in Ämari, Estland. In die estnische Luftwaffenbasis flossen in den vergangenen Jahren aus dem EDI-Budget rund 38 Millionen US-Dollar für Infrastrukturprojekte. Auch hier entstand eine moderne Basis für die Air-Policing-Jets der NATO-Verbündeten.

Neben diesen Baumaßnahmen auf den beiden Flugplätzen Šiauliai und Ämari finanzierte der EDI-Etat der Amerikaner in den baltischen Ländern weitere wichtige Projekte. In Estland wurde neben Ämari auch in die Militärbasis Tapa in der Nähe der Hauptstadt Tallinn investiert; in Tapa ist der NATO-Verband „enhanced Forward Presence“ stationiert. In Lettland unterstützte das EDI-Programm Projekte auf dem Militärstützpunkt Adaži und dem Luftwaffenstützpunkt Lielvārde. Nach Litauen flossen ERI-Mittel für den Wiederaufbau beziehungsweise die Modernisierung der Truppenübungsplätze in Pabradė („General Silvestras Žukauskas Training Area“) und Gaižiūnai.

Zusätzlich zu der Finanzierung von Infrastrukturprojekten wurden in der Vergangenheit auch ERI-Mittel in den baltischen Staaten für verschiedene Beschaffungsvorhaben eingesetzt.

Rund 33 Millionen US-Dollar wurden verwendet, um Javelin-Panzerabwehrraketen für Estland zu liefern. Auch wurden mit dem Geld estnische Joint Terminal Attack Controller (JTAC) ausgebildet (die JTAC sind das Bindeglied zwischen der Kampftruppe am Boden und der Feuerunterstützung aus der Luft sowie See und Land; die Spezialisten fordern Unterstützung an und koordinieren und lenken den Waffeneinsatz). In Lettland wurde mit Hilfe des ERI-Budgets der Kauf von Sentinel-Radarsystemen für die Luftverteidigung ermöglicht, auch für dieses Projekt gaben die Vereinigten Staaten rund 33 Millionen US-Dollar aus. Für Litauen schließlich wurden spezielle Funkausrüstungssysteme beschafft – Wert ebenfalls etwa 33 Millionen Dollar.

Sicherheitskooperation, Krisenintervention und kollektive Verteidigung

Die finanziellen und militärischen Beiträge der USA zur „Rückversicherung in Europa“ basieren einerseits auf bilateralen Vereinbarungen mit den betreffenden osteuropäischen Ländern, andererseits sind sie eng in die multinationalen Zusammenhänge der NATO eingebunden. Sie sollen die Pläne und Maßnahmen unterstützen, die die Allianz auf ihren letzten Gipfeltreffen – beispielsweise in Wales (2014) oder in Warschau (2016) – beschlossen und umgesetzt hat.

Beim Gipfel im walisischen Newport am 4. und 5. September 2014 standen die Reaktionen des Bündnisses auf die Krim-Annexion, die Ereignisse in der Ostukraine und das Verhältnis zu Russland im Mittelpunkt der Beratungen. Die Bündnispartner versicherten sich damals gegenseitig der „überzeugten Zusammenarbeit auf Basis des Washingtoner Vertrages und den Prinzipien der Vereinten Nationen“. Dabei wurden auch die drei Hauptaufgaben der NATO bestätigt: Kooperation in Fragen der Sicherheit, Krisenintervention und kollektive Verteidigung.

Aufbauend auf dieser gemeinsamen Basis wurde in Wales schließlich der „NATO Readiness Action Plan“ (RAP) beschlossen. Auf Grundlage des RAP arbeitet die NATO seit dieser Zeit an der Ostflanke des Bündnisses mit einer verstärkten Präsenz. Wichtigster Teil des Aktionsplans war und ist die Aufstellung einer NRF-Einheit, die sich in höchster Bereitschaft befindet und noch schneller disloziert werden kann (NRF = NATO Response Force; ein multinationaler, schnell verlegbarer Einsatzverband der NATO)

Festgelegt wurde bei diesem Gipfel 2014 außerdem:
die Verstärkung des Air Policing im Baltikum durch nunmehr 16 ständig einsatzbereite Kampfflugzeuge von vier Nationen für die viermonatige Rotation (im September 2015 reduzierte die Allianz die Zahl ihrer Kampfjets für die Luftraumpatrouille über dem Baltikum allerdings wieder);
der Einsatz von AWACS-Flugzeugen an der NATO-Ostflanke (AWACS = Airborne Early Warning and Control System);
eine stärkere Präsenz von Marinekräften in der Ostsee, im Schwarzen Meer und im Mittelmeer;
häufigere internationale Übungen im NATO-Rahmen.

Die (damals noch) 28 Mitgliedsstaaten einigten sich außerdem in einer Absichtserklärung – einem Papier mit dem Namen „Defence Investment Pledge“ (DIP) – darauf, eine Erhöhung der realen Verteidigungsausgaben innerhalb von zehn Jahren auf den Richtwert von zwei Prozent Anteil dieser Ausgaben am jeweiligen nationalen Bruttoinlandsprodukt anzustreben.

Darüber hinaus kam man in Newport überein, die Rüstungskooperationen sowohl transatlantisch wie auch vor allem innerhalb Europas stärker zu nutzen.

Vor diesem Gesamthintergrund ist auch die Mission „enhanced Air Policing South“ der NATO zu sehen, die nun zwei Monate lang von Deutschland mitgetragen wird.


Zu unsere Bildmaterial:
1. Eurofighter des Taktischen Luftwaffengeschwaders 74 (Neuburg an der Donau) sichert mit scharfen Waffen den Luftraum über Estland. Die Aufnahme dieses Einsatzes beim „enhanced Air Policing Baltikum“ entstand am 12. Dezember 2016.
(Foto: Thorsten Weber/Deutsche Luftwaffe)

2. Bis 2016 haben die Vereinigten Staaten im Rahmen der „European Deterrence Initiative“(EDI) rund 250 Millionen US-Dollar in die Verbesserung der osteuropäischen NATO-Militärstützpunkte investiert. 2019 betrug das EDI-Finanzvolumen bereits 828,2 Millionen US-Dollar. Die Investitionen umfassen die Reparatur und Modernisierung von Flugplätzen, Militärbasen, Marineanlagen und anderen Einrichtungen. Die massive finanzielle Aufstockung des Etats ist zugleich ein Zeichen dafür, dass die russische Bedrohung im Osten Europas fortbesteht. Die USA investieren langfristig vor allem in den NATO-Ländern Estland, Lettland, Litauen, Polen, Rumänien und Bulgarien. US-General Curtis M. Scaparrotti, von Mai 2016 bis Mai 2019 Oberbefehlshaber des United States European Command (USEUCOM) und militärischer Oberkommandierender des Bündnisses, hatte Rumänien einmal als „einflussreichen und festen Verbündeten“ bezeichnet. Zwischen dem Land und den USA besteht im Verteidigungsbereich eine strategische Partnerschaft. Unter anderem wird der Luftwaffenstützpunkt Mihail Kogălniceanu seit Ende der 1990er-Jahre vom US-Militär genutzt. Lange Zeit diente der Stützpunkt als Personal- und Frachtbasis für die amerikanischen Truppen in Afghanistan. Von der Mihail Kogălniceanu Air Base fliegt die NATO auch ihre Air-Policing-Missionen im Schwarzmeerraum. Weitere Stützpunkte in Rumänien, auf denen Kräfte der US-Militärs stationiert sind oder üben, zeigt unsere Grafik.
(Infografik © Christian Dewitz/mediakompakt 01.22; Quelle: Briefing „European Deterrence Initiative: the transatlantic security guarantee“, herausgegeben vom European Parliamentary Research Service/EPRS, Autorin Tania Lațici, Juli 2018)


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