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Kassel/Truppenübungsplatz Bergen. Der 18. März war für das Deutsche Heer ein ganz besonderer Tag. An diesem Donnerstag erklärte der Inspekteur der größten Teilstreitkraft, Generalleutnant Alfons Mais, die Gefechtstauglichkeit des Systems „Panzergrenadier“. Es soll bald auch der NATO-Speerspitze „Very High Readiness Joint Task Force 2023“ (VJTF 2023) zur Verfügung stehen. Das System „Panzergrenadier“ besteht im Wesentlichen aus einem neuen Konstruktionsstand des Schützenpanzers Puma und aus der modularen Kampfausstattung „Infanterist der Zukunft – Erweitertes System“ (IdZ-ES) – beide Komponenten in der Version „VJTF 2023“. Lieferant des Schützenpanzers Puma ist die in Kassel ansässige PSM GmbH, ein 2002 von der Rheinmetall Landsysteme GmbH und der Krauss-Maffei Wegmann GmbH und Co. KG. gegründetes Joint Venture. Die Kampfausstattung IdZ-ES ist vom Rheinmetall-Konzern entwickelt worden.

Das System „Panzergrenadier“ soll zur Schlagkraft und Gefechtstauglichkeit der VJTF 2023 beitragen. Die VJTF gehört mit ihren rund 5000 Soldaten in höchster Bereitschaft zur NATO Response Force (NRF), der Eingreiftruppe für weltweite Einsätze, bestehend aus Land-, Luft -, See- und Spezialkräften. Die Bündnismitglieder stellen auf Rotationsbasis die Kräfte für die Speerspitze zur Verfügung. 2023 wird die Bundeswehr wieder eine führende Rolle in der VJTF übernehmen.

Die VJTF vereint mit dem System „Panzergrenadier“ zum ersten Mal in Deutschland eine digitalisierte Fahrzeugplattform – den Schützenpanzer Puma (siehe auch hier) in der verbesserten Ausbaustufe VJTF – mit einem mit digitaler Funktechnik ausgestatteten Soldaten-System. Die Bundeswehr spricht in diesem Zusammenhang von einem „technischen Quantensprung im Gefecht“.

Prüfteam vom Amt für Heeresentwicklung zog die Reißleine

Entsprechend groß war die Enttäuschung im Juli vergangenen Jahres, als während der Einsatzprüfung am Schützenpanzer Puma teilweise erhebliche Mängel festgestellt wurden, die die Fähigkeiten des Systems deutlich einschränkten. „Nicht kriegstauglich“ befand das Prüfteam aus dem Amt für Heeresentwicklung in Köln. Damit war zugleich die Entscheidung für einen Einsatz in der VJTF des Bündnisses nicht verantwortbar. Inspekteur Alfons Mais im Rückblick: „Die Mängel betrafen insbesondere den häufigen Ausfall des Panzerturms in Gefechtssituationen, die instabile Datenübertragung, sehr schlechte Sprachqualität und Funkreichweite sowie die eingeschränkte Lagedarstellung auf den Tablets, also den digitalen Bedien- und Anzeigegeräten der Panzergrenadiere im abgesessenen Kampf.“

Um die taktische Gefechtstauglichkeit des Schützenpanzers doch noch zu erreichen, musste das militärische und zivile Fachpersonal in den Monaten nach dem niederschmetternden Urteil eng und unter hohem Druck zusammenarbeiten. Die Bundeswehr beschrieb die Situation in einem Onlinebeitrag vornehm: „Die nicht erfolgreiche Einsatzprüfung im letzten Sommer verlangte von allen beteiligten Stellen ein Übermaß an Engagement und Arbeitsbereitschaft.“

Dank der gemeinsamen Anstrengungen aller – auf der einen Seite die Truppe, das Amt für Heeresentwicklung sowie das Beschaffungsamt, auf der anderen Seite die Industrie – konnte das Waffensystem „Puma“ schließlich doch noch „entscheidend verbessert und optimiert werden“ (O-Ton Bundeswehr).

Generalleutnant Mais konnte sich auf dem Truppenübungsplatz Bergen persönlich von der Weiterentwicklung des Schützenpanzers überzeugen. Er berichtete danach: „Durch Korrekturen an den Sensoren wurde die Stabilität des Panzerturmes und des Gesamtsystems erreicht. Mithilfe von Software-Updates arbeiten die Sichtmittel im Fahrgestell jetzt verlässlich. Die interne Bordverständigung funktioniert nun fehlerfrei und auch die notwendigen Funkreichweiten sowie eine sehr gute Sprachqualität im Sprechfunk konnten erreicht werden. Gerade Letzteres ist für die Führungsfähigkeit unverzichtbar.“ Insgesamt sei die engmaschige Vernetzung des Fahrzeugs und der Schützen mithilfe des Sprechfunks und eines digitalen Lagebildes über Datenfunk, besonders im abgesessenen Kampf, der wirkliche Mehrwert des Systems „Panzergrenadier“, so der Inspekteur des Heeres weiter. Zudem seien die Soldaten durch die Bedienung des Panzerabwehrsystem MELLS komplett unter Luke künftig besser geschützt (über MELLS berichteten wir zuletzt am 12. März).

Schneller Informationsaustausch zwischen allen Puma-Kräften

Mit dem Thema „Taktische Gefechtstauglichkeit des Schützenpanzers Puma“ (und damit des Systems „Panzergrenadier“) befasst sich auch eine Pressemitteilung der Rheinmetall-Division „Electronic Solutions und Vehicle Systems“ vom Freitag (19. März). Unter anderem heißt es darin: „Das System ,Panzergrenadier‘ bietet zwei wesentliche Vorteile. Erstens haben alle auf- und abgesessenen Kräfte die Möglichkeit, auf dieselben Informationen zuzugreifen. Zweitens können diese Informationen wesentlich präziser, schneller und robuster untereinander geteilt werden.“ Die enge Vernetzung von Sensoren und Effektoren sowohl der Soldaten als auch der Schützenpanzer minimiere die Zeit zwischen Aufklärung und Wirkung. Diese Verschmelzung zu einem Gesamtsystem ermögliche schließlich ein wirkungsvolles taktisches Zusammenwirken der Soldaten mit ihren Schützenpanzern und erhöhe den Einsatzwert der Panzergrenadiertruppe.

Rheinmetall weist auch darauf hin: „Die derzeit modernste Puma-Version zeichnet sich unter anderem durch die Integration abstandsfähiger Effektoren wie MELLS, durch zusätzliche Sensoren wie das neue Fahrersichtsystem und eine verbesserte Führungsarchitektur aus. Das neue Rundum- und Fahrersichtsystem leitet das Ende der Ära des Winkelspiegels ein. Erstmalig kann die gesamte Besatzung bei Tag wie bei Nacht ,durch die Panzerung‘ sehen. Der Fusionsmodus verbindet die Tagsicht mit dem leistungsstarken Wärmebild und ermöglicht die frühzeitige Aufklärung getarnter Ziele bei Tag wie bei Nacht.“

Projekt „Division 2027“ plant mit 266 Puma auf Konstruktionsstand „VJTF“

Im aktuellen Bericht des Bundesministeriums der Verteidigung zu Rüstungsangelegenheiten (Teil 1, Dezember 2020) finden sich zum Waffensystem „Schützenpanzer Puma“ unter anderem folgende Informationen und Aussagen: „Für das zu erreichende Fähigkeitsprofil des Heeres ist der Schützenpanzer Puma einer der wesentlichen Fähigkeitsträger. In Teilen wird die Fähigkeit derzeit noch mit dem Schützenpanzer Marder abgedeckt, dessen Verfügbarkeit durch nutzungsdauerverlängernde Maßnahmen noch bis 2030 sichergestellt ist. Mit dem Schützenpanzer Puma werden Einsatzfähigkeit und Effektivität der Panzergrenadiertruppe signifikant erhöht. Mit dem Schützenpanzer Marder können die geforderten Fähigkeitsbeiträge qualitativ nur deutlich abgestuft wahrgenommen werden.“ Mit Auslieferung weiterer Puma-Panzer wird der Marder schrittweise abgelöst.

Mit Stand 31. Oktober 2020 sind insgesamt 345 Puma ausgeliefert; acht davon sind Fahrschulpanzer. Mittlerweile sind die letzten Schützenpanzer des ersten Loses vom Produktionsband gelaufen. Insgesamt werden 40 Puma des Panzergrenadierbataillons 112 (Regen) in der Ausbaustufe „VJTF“ zur Ausrüstung der VJTF 2023 gehören.

Planerischer Schwerpunkt des Deutschen Heeres ist derzeit das Zukunftsprojekt „Division 2027“, ein Großverband „mit Divisionstruppen und drei Kampfbrigaden (rund 18.000 Soldaten)“. Darüber sprach der Inspekteur des Heeres auch am 4. November 2020 als Gast des Förderkreises Deutsches Heer (FKH); auf Grund der Coronavirus-Pandemie fand der Vortrag „Auftragserfüllung des Heeres im Lichte eingegangener Verpflichtungen und Ambitionen – in Zukunft noch leistbar?“ virtuell statt.

Für die „Division 2027“ benötigt die Teilstreitkraft zur Erfüllung der Bündnisverpflichtungen den Planungen zufolge 266 Schützenpanzer Puma auf Konstruktionsstand „VJTF“ für fünf Panzergrenadierbataillone (die dann bereits umgerüsteten 40 Puma in der Version „VJTF 2023“ sind hier bereits eingerechnet). Generalleutnant Mais machte deutlich, dass der Marder angesichts seines in diesem Jahr anstehenden 50. Geburtstages keinesfalls für die „Division 2027“ eine Option ist. Fakt ist auch, so der Inspekteur in seinem FKH-Vortrag, dass „insgesamt […] die anerkannten Bedarfe der ,Division 2027‘ in den Finanzplanungen mehrheitlich noch nicht ausreichend hinterlegt [sind]“. Es komme deshalb in diesem Jahr darauf an, „dieses bündnispolitisch entscheidende Projekt durch notwendige Priorisierungen der zur Verfügung stehenden Ressourcen so abzusichern, dass Fähigkeitslücken verhindert und zeitliche Verzögerungen weitestgehend ausgeschlossen werden“.

Technisch-logistische Einsatzprüfung in Aachen

Seit Februar findet für das System „Panzergrenadier“ übrigens die technisch-logistische Einsatzprüfung statt. Im Ausbildungszentrum „Technik Landsysteme“ in Aachen wird dazu auch die „Instandsetzbarkeit“ des Panzers auf dem Gefechtsfeld geprüft werden. Im Mittelpunkt der Untersuchung: Prüfsysteme, Reparaturverfahren und die technische Dokumentation zur Fehlererkennung.

Das Ausbildungszentrum ist die zentrale Ausbildungseinrichtung für alle Landsysteme der Bundeswehr und stellt für die in der Logistik eingesetzten Soldaten des Heeres die Weiterentwicklung der Einsatzgrundlagen sicher.


Zu unserem Bildmaterial:
1. Das System „Panzergrenadier“ besteht im Wesentlichen aus dem Schützenpanzer Puma (Konstruktionsstand „VJTF 2023“) und aus dem Soldaten-System „Infanterist der Zukunft – Erweitertes System“ (ebenfalls in der Version „VJTF 2023“).
(Foto: Rheinmetall AG)

2. und 3. Nach umfangreichen Entwicklungen und Modifikationen wurde das System „Panzergrenadier“ im Februar 2021 auf dem Truppenübungsplatz Bergen einer drei Wochen langen abschließenden taktischen Untersuchung unterzogen. Diese konnte mit Erfolg abgeschlossen werden. Die Fahrzeuge stellte das Panzergrenadierbataillon 112 aus Regen in Bayern.
(Fotos: Maximilian Schulz/Bundeswehr)

Kleines Beitragsbild: Taktische Untersuchung des Schützenpanzers Puma im Februar 2021 auf dem Truppenübungsplatz Bergen.
(Fotos: Maximilian Schulz/Bundeswehr)


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