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Berlin. Und wieder gerät die Bundeswehr durch Soldaten, die rechtsextremistischem Gedankengut anhängen, in die Schlagzeilen und in Erklärungsnot. Diesmal geht es um das Wachbataillon, das unter anderem bei staatlichen Festakten antritt oder Staatsgästen der Bundesregierung die militärischen Ehren erweist. Wie inzwischen ein Sprecher des Bundesministeriums der Verteidigung in Berlin mitteilte, gehe man intern wegen Rechtsextremismusverdachts gegen Angehörige des Wachbataillons vor. Damit bestätigte das Ministerium zugleich einen Beitrag des Nachrichtenmagazins SPIEGEL. Wie die ARD-Nachrichtensendung „Tagesschau“ am heutigen Freitag (8. Oktober) berichtete, werde „gegen mehrere Dutzend Soldaten“, hauptsächlich aus dem einfachen Dienst, ermittelt. Es gebe aber Erkenntnisse, dass auch Vorgesetzte Teil der rechtsextremen Gruppe seien.

Das Verteidigungsministerium teilte zudem am Freitagvormittag in einer Twitter-Kurznachricht mit: „Es beschämt uns zutiefst. Den […] Vorwürfen im Wachbataillon gehen wir mit aller Härte nach. Jeder Verdachtsfall ist einer zu viel. Wir betonen es nochmal: Wir dulden keinen Extremismus – es gilt Null Toleranz bei jeglichen Straftaten.“

Nach SPIEGEL-Informationen hatte „ein Zeuge erstmals konkret beschrieben, dass sich innerhalb der 2. Kompanie des Wachbataillons eine völkische und teils rechtsextreme Gruppe von mindestens sechs Soldaten gebildet habe, die sich selbst als ,Wolfsrudel‘ bezeichnen soll“. Laut Ministerium geht es bei den schlimmen Verfehlungen „um Gewalt und sexuelle Übergriffe“ (der SPIEGEL schreibt von „rechtsextremen Umtrieben und unappetitlichen Ritualen“).

Mittlerweile hat das Ministerium auch die Mitglieder des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestages über den Fall informiert und in einem internen Schreiben Details mitgeteilt. Daraus zitierten Medien bereits, dass „ein Angehöriger der 2. Kompanie“ die Vorgänge um die mindestens sechs „Wolfsrudel“-Soldaten angezeigt und ein weiterer sie inzwischen als Zeuge bestätigt habe.

Rassistische Äußerungen, entwürdigende Aufnahmerituale und Gewalt

Die Informationen, die der Verteidigungsausschuss erhalten hat und die später von einem Ministeriumssprecher in der Bundespressekonferenz bestätigt und ergänzt wurden, wurden von etlichen Medien aufgegriffen. So soll der mutmaßliche Anführer der Gruppe, ein 32 Jahre alter Oberstabsgefreiter, ein T-Shirt mit einer schwarzen Sonne und der Aufschrift „Sonnenstudio 88“ getragen haben. Auf der Rückseite soll laut Zeugenaussage der zynische Schriftzug „Wir sind braun“ zu sehen gewesen sein (Anm.: Die Zahlenkombination „88“ wird in rechten Kreisen seit Jahren als Symbol für den Hitlergruß benutzt, da dieser unter Strafe steht). Auch sollen Kameraden mit asiatischen Wurzeln als „Fidschi“ oder „Schlitzauge“ von der Extremistengruppe herabgewürdigt worden sein.

Genannt werden in der Unterrichtung der Parlamentarier auch „entwürdigende Aufnahmerituale sowie Verstöße gegen die sexuelle Selbstbestimmung wie durch Anurinieren unter der Dusche, Faustschläge gegen die Leber, Anzünden von Körperteilen mit Feuerzeug oder Zigarette oder durch ins Gesicht gehaltene Genitalien“.

„Wer Feind unserer Demokratie ist, kann nicht Diener unseres Staates sein“

Am heutigen Freitag hat die Wehrbeauftragte des Bundestages, Eva Högl, den knapp 1000 Männer und Frauen umfassenden Verband in der Berliner Julius-Leber-Kaserne besucht. Sie sagte danach Pressevertretern, sie habe „einen guten Eindruck“ vom Stand der Ermittlungen. „Bisher gibt es keine Bestätigung einer verfestigten rechtsextremen Gruppe innerhalb des Wachbataillons“, so Högl. Wichtig seien jetzt vor allem „rasche Aufklärung und Sanktionen“. Es gebe zum jetzigem Zeitpunkt keinen Grund, an der Professionalität, Zuverlässigkeit und Verfassungstreue des Wachbataillons zu zweifeln, versicherte die Wehrbeauftragte.

Ganz anders die Statements aus den Reihen der Bundestagsabgeordneten, die viel mit der Bundeswehr und mit sicherheitspolitischen Fragen zu tun haben.

Die SPD-Politikerin Siemtje Möller beispielsweise zeigte sich verärgert über die Informationspolitik des Wehrressorts. „Zum wiederholten Male haben wir davon erst aus der Presse erfahren“, kritisierte sie.

Die Grünen-Politikerin Agnieszka Brugger, derzeit verteidigungspolitische Unterhändlerin einer möglichen Ampel-Koalition, warnte: „Jeder Fall von Rechtsextremismus in unseren Sicherheitskräften ist einer zu viel.“ Dies sei nicht der erste Hinweis über das Wachbataillon, das so nah an den höchsten demokratischen Vertretern und ausländischen Staatsgästen sei. Wenn es im Verband tatsächlich eine rechtsextreme Gruppe gebe, sei dies besonders gefährlich. Das Verteidigungsministerium müsse jetzt schnell aufklären und hart ahnden. Weiter sagte die Bundestagsabgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen: „Die große Mehrheit der Menschen in unseren Sicherheitsbehörden verrichtet ihre Arbeit mit großer Verantwortung und der richtigen Haltung. Wer Feind unserer Demokratie ist, kann nicht Diener unseres Staates sein. Jedem Hinweis muss mit höchster Wachsamkeit nachgegangen werden. Auch wenn der MAD hier Besserung gelobt hat, muss das Lagebild auch durch eine stärkere Zusammenarbeit mit den anderen Ressorts deutlich verbessert werden. Es gibt noch großen Nachholbedarf bei der Analysefähigkeit und der Reaktionsschnelligkeit. Die Abwehr und Prävention von Rechtsextremismus kann und darf keine Aufgabe für den MAD allein sein. Sie muss überall im Ministerium wie in der Truppengerichtsbarkeit, in der Ausbildung wie im Auslandseinsatz, im Alltag am Standort und im Kommando hohe Priorität haben.“

Der FDP-Verteidigungspolitiker Alexander Müller sagte den Medien: „Heute wird deutlich: In der Bundeswehr ist kein Platz für Rechtsextremismus.“ Mit Blick auf die Zeugenaussagen meinte Müller, dies solle Mut machen, „offen für die Werte der freiheitlich-demokratischen Grundordnung einzutreten und Fälle von Extremismus nicht aus Kameradschaft zu verschweigen“.

Seine Parteikollegin Marie-Agnes Strack-Zimmermann kritisierte die Täter scharf: „Wie blöd muss man eigentlich sein zu glauben, dass man mit der derartigen Verhaltensweisen und Widerwärtigkeiten mal einfach so durch kommt.“ Umso wichtiger sei nun, dass es mutige Männer und Frauen in der Truppe gebe, die ein solches Verhalten anzeigten. „Dem müssen jetzt schnellstmöglich juristische Taten folgen – und zwar hart und deutlich“, forderte die FDP-Politikerin.

Mit Hinweis auf den Namen der enttarnten Rechtsextremen-Gruppe gab Martina Renner, Stellvertretende Parteivorsitzende der Linken und Sprecherin für antifaschistische Politik ihrer Bundestagsfraktion, zu bedenken: „Die Bezeichnung ,Wolfsrudel‘ ist bei Nazis ein klarer Begriff. Wer sich innerhalb der Bundeswehr so nennt, nimmt offen Bezug auf das Konzept klandestiner Gruppen, die sich auf illegale Aktionen wie Sabotage und Liquidationen vorbereiten, um den ,inneren Feind‘ zu vernichten.“

Parallelen zu den Entwicklungen im Kommando Spezialkräfte?

Abschließend nochmal ein Blick zum SPIEGEL. Am heutigen Freitagnachmittag teilte uns Autor Matthias Gebauer auf Twitter noch „ein paar weitere News“ mit. Er schreibt: „Das Ministerium hat wegen der Vorwürfe die ganze 2. Kompanie [des Wachbataillons] vorerst für offizielle Termine gesperrt. Zudem gab es im Laufe des Jahres bereits ähnlich alarmierende Meldungen aus dem Verband: So trug ein Soldat der Einheit Wehrmachtsuniform und ließ sich stolz fotografieren. Ihm wurde umgehend der Dienst und das Tragen der Uniform untersagt. Ein weiterer Soldat steht im Verdacht, der Identitären Bewegung nahezustehen. Der MAD zählt bereits 14 Verdachtsfälle im Wachbataillon.“

Der Chefkorrespondent des Magazins erinnert in seinem Thread auch daran: „Ich will es nicht beschwören, aber genauso hat der Skandal um das Kommando Spezialkräfte (KSK) angefangen – und dann kam noch sehr viel mehr raus.“


Unsere Symbolaufnahme „Soldaten des Wachbataillons“ entstand am 20. Juli 2015 in Berlin beim Feierlichen Gelöbnis auf dem Paradeplatz des Verteidigungsministeriums am Bendlerblock.
(Foto: Jane Hannemann/Bundeswehr)

Kleines Beitragsbild: Bundeswehr-Ärmelband „Wachbataillon“.
(Foto: Dirk Bannert/Bundeswehr)


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