Berlin/Northwood (Großbritannien)/Juba (Südsudan). Das Parlament hat am Mittwoch vergangener Woche (3. März) die Verlängerung von zwei Auslandsmissionen der Bundeswehr um ein weiteres Jahr beschlossen. Verlängert wurden die NATO-Operation „Sea Guardian“ im Mittelmeer und der Blauhelmeinsatz UNMISS (United Nations Mission in South Sudan) im Südsudan. Ein weiterer früherer Sudaneinsatz der Bundeswehr, UNAMID (United Nations/African Union Mission in Darfur), endete am 31. Dezember 2020. Deutschland hatte sich mehr als zwölfeinhalb Jahre lang an UNAMID mit Polizei- und Bundeswehrkräften beteiligt.
Das Mandat der NATO-geführten maritimen Sicherheitsoperation „Sea Guardian“ wurde vom Deutschen Bundestag bis zum 31. März 2022 verlängert. 637 Abgeordnete gaben ihre Stimme ab, davon stimmten 437 für eine Verlängerung, 198 stimmten mit Nein (zwei Enthaltungen).
Die personelle Mandatsobergrenze liegt weiterhin bei maximal 650 deutschen Soldaten. Momentan (Stand 1. März 2021) beteiligen sich 85 Bundeswehrangehörige an der Mission. Das Einsatzgebiet umfasst das Mittelmeer, die Straße von Gibraltar und ihre Zugänge sowie den darüberliegenden Luftraum. Zusammen mit anderen NATO-Mitgliedstaaten tragen Schiffe und Flugzeuge der deutschen Streitkräfte zu einem umfassenden Lagebild bei und überwachen den Seeraum.
Der Bundestag hatte erstmals am 29. September 2016 der Beteiligung der Bundeswehr an „Sea Guardian“ zugestimmt. Die Operation war am 9. November 2016 mit der Beteiligung mehrerer NATO-Schiffe und -Flugzeuge begonnen worden. Der Einsatz in Territorialgewässern erfolgt auf Beschluss des Nordatlantikrats und nach Autorisierung durch den jeweiligen Küstenstaat. Die NATO-Operation wird aus dem Allied Maritime Command der Allianz – kurz MARCOM – im britischen Northwood geführt.
Die Operation dient der Stärkung der maritimen Sicherheit im Mittelmeer. „Sea Guardian“ wurde auf den Weg gebracht, um in der Region Krisenentwicklungen im maritimen Umfeld und maritimen Terrorismus durch nichtstaatliche Akteure frühzeitig erkennen zu können. Die gewonnenen Informationen nutzt anschließend der ständige maritime NATO-Einsatzverband (Standing NATO Maritime Group, SNMG) in der Ägäis. Dieser engagiert sich außerdem bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise im Mittelmeer.
In diesem Zusammenhang eine aktuelle Zahl: Nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) sind im vergangenen Jahr mindestens 1417 Flüchtlinge und Migranten im Mittelmeer ums Leben gekommen. Dies geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke mit dem Titel „Todesopfer unter Flüchtlingen auf dem Weg in die Bundesrepublik Deutschland und die Europäische Union im Jahr 2020“ hervor.
Laut Bundestagsbeschluss wird auch die Mission UNMISS bis zum 31. März 2022 verlängert. Die Mandatsobergrenze liegt dabei unverändert bei maximal 50 Soldaten der Bundeswehr. Derzeit sind zehn Bundeswehrsoldaten bei UNMISS im Einsatz. An der Abstimmung beteiligten sich 640 Parlamentarier: 571 unterstützten den Antrag der Bundesregierung zur Verlängerung, 67 Abgeordnete – überwiegend aus der Linksfraktion – stimmten mit Nein, es gab zwei Enthaltungen.
UNMISS ist ein Einsatz der Vereinten Nationen zur Friedenssicherung im jüngsten Staat der Welt. Die Bundeswehr beteiligt sich seit 2005 an der Mission, die zuvor UNMIS (United Nations Mission in Sudan) hieß. Das aktuelle Bundestagsmandat zum Einsatz deutscher Truppen bei UNMISS umfasst das gesamte Staatsgebiet Südsudans. Die Bundeswehr beteiligt sich vor allem mit Einzelpersonal in Stäben und Hauptquartieren der Mission und entsendet Experten zur Wahrnehmung von Verbindungs-, Beratungs-, Beobachtungs- und Unterstützungsaufgaben.
Die United Nations Mission in South Sudan dient in erster Linie dem Schutz der Zivilbevölkerung und der Sicherung von Hilfslieferungen im Land. Zum Auftrag gehört außerdem die Beobachtung der Menschenrechtssituation im Land sowie die Umsetzung eines ausgehandelten Waffenstillstandsabkommens zwischen den Konfliktparteien.
Rund zweieinhalb Jahre nach dem Ende des Bürgerkriegs im Südsudan spielt sich in dem noch jungen ostafrikanischen Staat eine humanitäre Katastrophe ab. Das Land ist Schauplatz einer der größten Flüchtlingskrisen der Welt: Rund ein Drittel der gut elf Millionen Menschen im Land ist auf der Flucht (Anm.: Nach aktuellen Angaben des Flüchtlingskommissariats der Vereinten Nationen UNHCR ist Syrien nach wie vor das weltweit größte Herkunftsland von Flüchtlingen – es folgen Venezuela, Afghanistan, Südsudan und Myanmar). Zudem droht eine Hungersnot, mehr als acht Millionen Menschen werden in diesem Jahr im Südsudan auf humanitäre Hilfe angewiesen sein. Allein 1,4 Millionen Kinder unter fünf Jahren sind von Unterernährung bedroht. Das Gebiet zwischen dem Sudan und Uganda und zwischen der Zentralafrikanischen Republik und Äthiopien ist seit Jahrzehnten Schauplatz unterschiedlicher und teilweise bewaffneter Auseinandersetzungen. Schwerste Menschenrechtsverletzungen sind an der Tagesordnung, begangen von allen Kriegsparteien.
Dazu vor Kurzem die unabhängige Organisation für Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe „Plan International“ in einer Presseerklärung: „Der Südsudan leidet aktuell unter den Folgen von drei zeitgleich auftretenden Krisen: den bewaffneten Konflikten, den in zwei aufeinanderfolgenden Jahren auftretenden Überschwemmungen sowie den Auswirkungen der Corona-Krise. Viele Familien haben sich noch nicht von den katastrophalen Überschwemmungen im letzten Jahr erholt, und die Pandemie hat die Lebensmittelpreise in die Höhe schnellen lassen.“
Über die Auslandsmissionen „Sea Guardian“ und UNMISS der Bundeswehr haben wir letztmalig im März 2020 berichtet.
Das zweite Sudan-Engagement der Bundeswehr, die Beteiligung an UNAMID (United Nations/African Union Mission in Darfur), endete formal am 31. Dezember 2020. Die Bundeswehr hatte zwölf Jahre und neun Monate lang militärisches Personal für diese Hybridoperation der Afrikanischen Union und der Vereinten Nationen abgestellt. Insgesamt waren rund 150 Angehörige der Bundeswehr, darunter sieben Frauen, im Rahmen von UNAMID in Darfur eingesetzt worden. In der Nacht vom 10. auf den 11. Dezember 2020 verließ der letzte Bundeswehrangehörige die Region Darfur.
UNAMID sollte als eine der größten Missionen der Vereinten Nationen überhaupt Frieden in den von Kämpfen zwischen Rebellen und der sudanesischen Regierung geschüttelten Krisengebieten des Darfur bringen (siehe dazu auch unseren Beitrag vom Januar 2020).
Ab 2014 war Deutschland die einzige westliche Nation, die sich noch an UNAMID beteiligte. Nach der weitestgehend friedlichen Revolution, die mit dem Sturz des Machthabers Umar al-Baschir einherging, stabilisierte sich die Lage im Darfur soweit, dass ein schrittweiser Abzug der UNAMID-Kräfte möglich wurde. Das internationale Engagement für Frieden und Stabilität im Sudan wird nun durch die nicht-militärische Nachfolgemission UNITAMS (United Nations Integrated Transition Assistance Mission in Sudan) fortgesetzt. Die Bundesregierung in einem Pressestatement zu der Entwicklung: „Die politischen Umwälzungen in Sudan seit dem Sturz des Baschir-Regimes im April 2019 stellen eine historische Chance auf Frieden und Demokratie für das Land dar und haben auch Auswirkungen auf die dortige Präsenz der Vereinten Nationen.“
Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hatte die Einrichtung der UNAMID-Nachfolgemission UNITAMS am 3. Juni 2020 mit Resolution 2524 beschlossen. Am 2. Dezember 2020 teilte die Bundesregierung mit, dass man sich künftig mit bis zu zehn Polizisten an UNITAMS beteiligen werde. „Mit der Beteiligung an UNITAMS in Sudan wird Deutschland beim Übergang von militärischem Peacekeeping zu rein ziviler Friedenskonsolidierung weiterhin an wichtiger Stelle mitwirken“, so die Regierung.
Zum Sonderbeauftragten „Sudan“ und zum Leiter der UNITAMS-Mission wurde Volker Perthes ernannt. Über den langjährigen Direktor der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) sagte Bundesaußenminister Heiko Maas: „Volker Perthes ist mit seiner langjährigen Erfahrung in den Diensten der Vereinten Nationen sowie als ausgezeichneter wissenschaftlicher Experte für internationale Politik sowie den Nahen Osten und Afrika der perfekte Kandidat für diese Aufgabe. Ich bin dankbar, dass alle Mitglieder des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen und die sudanesische Regierung dies auch so sehen.“
Stefan Mair, der seit Oktober 2020 die SWP leitet, äußerte sich Anfang Januar in einer Pressemitteilung über die neuen Aufgaben seines Vorgängers. „Wir sehen in der Berufung von Volker Perthes auf die Position eines Sonderbeauftragten und Unter-Generalsekretärs der Vereinten Nationen auch eine Auszeichnung für die Stiftung Wissenschaft und Politik – und eine Anerkennung unserer praxisorientierten Beratung in allen Fragen der internationalen Politik.“
Zu unserem Bildmaterial:
1. Symbolbild „Seeraumüberwachung im Mittelmeer“ – die Aufnahme vom 24. März 2016 entstand auf der Brücke des Einsatzgruppenversorgers „Bonn“. Die „Bonn“ war zum damaligen Zeitpunkt Führungsschiff des ständigen maritimen NATO-Einsatzverbandes SNMG 2 (Standing NATO Maritime Group 2), der unter anderem in internationalen Gewässern in der Ägäis operierte.
(Foto: Tom Twardy/Bundeswehr)
2. Angehörige der Blauhelm-Mission UNMISS im südsudanesischen Feldlager Akobo, nahe der äthiopischen Grenze.
(Foto: Vereinte Nationen)
3. Am 1. Januar 2021 hat die UNAMID-Nachfolgemission UNITAMS (United Nations Integrated Transition Assistance Mission in Sudan) im Sudan ihre Arbeit aufgenommen. Die Bundeswehr stellt keine Kräfte mehr für diesen neuen Beitrag der Vereinten Nationen zur Stabilisierung der Region ab. Stattdessen beteiligt sich Deutschland seit Jahresbeginn mit bis zu zehn Polizeiangehörigen an UNITAMS. Das Symbolbild zeigt eine deutsche Polizistin im Auslandseinsatz bei UNMISS im Südsudan.
(Foto: Bundespolizei)
4. Der langjährige Direktor der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) Volker Perthes ist zum Sonderbeauftragten (Special Representative of the Secretary-General) für den Sudan und gleichzeitig zum Leiter der neuen Mission UNITAMS der Vereinten Nationen im Range eines Unter-Generalsekretärs ernannt worden. UNITAMS hat die Aufgabe, den Sudan bei der politischen Transformation, der Fortführung des Friedensprozesses und der Friedensstabilisierung nach Jahrzehnten von Diktatur und Bürgerkrieg im Sudan sowie beim wirtschaftlichen Wiederaufbau des Landes zu unterstützen. Die Aufnahme zeigt Perthes während einer Diskussionsrunde bei einer früheren Münchner Sicherheitskonferenz (MSC).
(Foto: Raman Nagar/MSC)
Kleines Beitragsbild: Bandschnallen der Bundeswehr für die Teilnahme an einem Auslandseinsatz „Sea Guardian“ im Mittelmeer und/oder UNMISS im Südsudan.
(Bilder: nr; Bildmontage: mediakompakt)