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Berlin. Bundeswehr in Afrika: Zwei Unterausschüsse des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages wollen sich am nächsten Montag (13. Januar) in Berlin im Paul-Löbe-Haus mit der „Wirksamkeit von Missionen der Vereinten Nationen (VN)“ befassen und dafür die Einsätze MINUSMA in Mali und UNAMID im Sudan näher betrachten. Die Bundeswehr ist mit Personal bei beiden Afrika-Missionen vertreten. Die Sitzung unter Leitung von Ottmar von Holtz (Bündnis 90/Die Grünen) und Ulrich Lechte (FDP) beginnt um 16 Uhr im Saal 2.200 des Paul-Löbe-Hauses und ist für die Öffentlichkeit zugänglich.

Der Titel der Anhörung lautet „Wirksamkeit von VN-Missionen und Übergangsstrategien am Beispiel MINUSMA in Mali und UNAMID im Sudan“. MINUSMA steht für „United Nations Multidimensional Integrated Stabilization Mission in Mali“, UNAMID für „United Nations/African Union Mission in Darfur“. Veranstalter sind die Unterausschüsse „Zivile Krisenprävention, Konfliktbearbeitung und vernetztes Handeln“ sowie „Vereinte Nationen, internationale Organisationen und Globalisierung“ des Bundestagsausschusses für Auswärtiges.

Zum Themenkomplex äußern werden sich unter anderem die Sachverständigen Olaf Bernau, Wibke Hansen und Peter Schumann.

Afrika – ein Krisenkontinent mit vielen Chancen

Olaf Bernau vertritt die Netzwerke „Afrique-Europe-Interact“ und „Fokus Sahel“. „Afrique-Europe-Interact“ ist ein kleines, transnational organisiertes Netzwerk, das Ende 2009 gegründet wurde. Beteiligt sind Basisaktivisten vor allem in Mali, Togo, Deutschland, Österreich und den Niederlanden. „Fokus Sahel“, gegründet zur Jahreswende 2013/14, ist eine zivilgesellschaftliche Initiative, die sich mit friedens- und entwicklungspolitischen Themen in der Sahelzone befasst.

Wibke Hansen vom Zentrum für Internationale Friedenseinsätze (ZIF) wird bei der öffentlichen Anhörung einen Einblick in die Arbeit ihrer Organisation geben. Vorrangige Aufgabe des ZIF ist es, zivile Kapazitäten zur Krisenprävention, Konfliktlösung und Friedenskonsolidierung zu stärken. Zum Kernmandat des ZIF gehören unter anderem die Qualifizierung und Bereitstellung, Vermittlung und Betreuung von Zivilpersonal für internationale Friedens- und Wahlbeobachtungseinsätze (unter anderem durch Aufbau und Pflege eines Expertenpools von deutschem Fachpersonal) sowie die Erarbeitung von Analysen, Erfahrungsberichten und konzeptionellen Beiträgen zu den Themenfeldern „Peacekeeping und Peacebuilding“. Das ZIF kooperiert mit dem Auswärtigen Amt, dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, dem Bundesministerium des Innern, dem Bundesministerium der Verteidigung sowie internationalen Organisationen – insbesondere mit den Vereinten Nationen, der Europäischen Union und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE).

Peter Schumann arbeitete unter anderem 24 Jahre lang in verschiedenen Organisationsbereichen und Programmen der Vereinten Nationen in führenden Positionen mit. Dabei hat er komplexe Entwicklungs-, Friedens- und Wiederaufbauprojekte auf der ganzen Welt geleitet. So war er im ersten Quartal 2018 Stellvertretender Gemeinsamer Sonderbeauftragter der VN-Mission UNAMID in Darfur, der Region im Westen des Sudans. Er gilt als ausgezeichneter Kenner der Verhältnisse in Darfur und im Südsudan.

Rebellierende Tuareg und dschihadistische Milizen

Mali galt nach ersten freien und demokratischen Wahlen im Jahr 1992 lange Zeit als Vorzeigedemokratie in Westafrika. Doch dann begann im Januar 2012 im Norden ein Aufstand gegen die Regierung von Amadou Toumani Touré mit dem Ziel, die Unabhängigkeit dieses Landesteils zu erstreiten. Im April 2012 proklamierten aufständische Tuareg einen autonomen Staat „Azawad“, der international jedoch keine Anerkennung fand.

Parallel zu den Kämpfen im Norden Malis kam es im März 2012 in der Hauptstadt Bamako zu einem Militärputsch. Zehn Monate später, im Januar 2013, intervenierte Frankreich auf Bitten der malischen Übergangsregierung Dioncounda Traoré mit der „Operation Serval“ im Norden, um dort islamistische Kämpfer zurückzudrängen. Die Streitkräfte der Staaten der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) führten zur selben Zeit die militärische Mission AFISMA („African-led International Support Mission to Mali“) zur Stabilisierung Malis durch.

Mit der Unterzeichnung eines innerstaatlichen Friedensabkommens durch die Konfliktparteien im Mai und Juni 2015 konnte ein wichtiger Schritt hin zu einer Stabilisierung des Landes gemacht werden. Heute soll die VN-Mission MINUSMA mit ihren insgesamt fast 15.100 Sicherheitskräften und Zivilisten zur Befriedung des Landes beitragen.

Terrorismusbekämpfung kein Auftrag der Bundeswehr

Der Parlament mandatierte am 28. Februar 2013 in Berlin erstmals zwei Einsätze der Bundeswehr in Mali. Die EU-geführte Ausbildungsmission „European Training Mission Mali“ (EUTM Mali) soll das malische Militär befähigen, die Sicherheit des Landes in eigener Verantwortung zu gewährleisten.

Im zweiten Beschluss ging es zunächst um die logistische Unterstützung der afrikanisch-geführten Mission AFISMA („African-led International Support Mission to Mali“). Nachdem der VN-Sicherheitsrat im April 2013 mit der Resolution 2100 (2013) die Einrichtung von MINUSMA als Nachfolgemission beschlossen hatte, billigte der Bundestag am 27. Juni 2013 die deutsche Beteiligung daran.

Das Bundestagsmandat für MINUSMA erlaubt eine Obergrenze von 1100 deutschen Soldaten. Die Beteiligung erfolgt vorrangig in Mali selbst und ergänzend zur europäischen Ausbildungs- und Beratungsmission EUTM. Die von der europäischen Mission ausgebildeten malischen Streitkräfte werden unter anderem im Norden Malis zur Stabilisierung und Wiederherstellung der staatlichen Integrität eingesetzt. Die Beteiligung an Operationen zur Terrorismusbekämpfung gehört nicht zum Auftrag deutscher Kräfte.

An der Stabilisierungsmission in Mali beteiligen sich aktuell mehr als 50 Nationen mit rund 11.300 Blauhelmsoldaten, gut 1700 Polizisten sowie mehr als 1400 Zivilisten (hinzu kommen noch etwa 490 Soldaten für den Stab der Mission sowie 165 VN-Freiwillige). Die Mission wird derzeit von dem schwedischen Kommandeur Dennis Gyllensporre, einem Generalleutnant, geführt. Das Hauptquartier des Einsatzes befindet sich in der Hauptstadt Bamako.

Der Großteil des deutschen Einsatzkontingents ist im Camp Castor in Gao stationiert. Deutschland stellt aber auch Personal für Bamako und unterhält in Niamey, der Hauptstadt des benachbarten Niger, einen Lufttransportstützpunkt für Material- und Personaltransporte sowie für die medizinische Verwundetenversorgung.

Hunderttausende getötet, fast drei Millionen Menschen vertrieben

Aufgrund der seit 2003 andauernden bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen in der Region Darfur und der sudanesischen Regierung mit ihren Hilfsmilizen sowie der schlechten wirtschaftlichen Lage, beschlossen die Vereinten Nationen im Juli 2007 die „United Nations/African Union Mission in Darfur“ (UNAMID). Die sowohl von den VN als auch der Afrikanischen Union aufgestellte Friedenstruppe hat den Auftrag, das Friedensabkommen von Darfur vom Mai 2006 umzusetzen und die Friedensverhandlungen zu unterstützen. Außerdem schützt UNAMID humanitäre Hilfsmaßnahmen, damit Flüchtlinge sicher in ihre Heimatregion zurückkehren können – so die Theorie.

Neben einer militärischen Komponente mit bis zu maximal 15.845 Soldaten können bei UNAMID auch zivile Anteile mit bis zu 1583 Polizisten sowie 13 organisierten Polizeieinheiten, die aus bis zu 140 Mann bestehen, zum Einsatz kommen (letzten offiziellen Zahlen von UNAMID zufolge umfasst das Gesamtkontingent fast 9300 Männer und Frauen – gut 4200 sind Militärangehörige, hinzu kommen etwa 2200 Polizisten und 2600 Zivilisten, darüber hinaus wird die Mission von rund 130 Stabsangehörigen sowie etwa 60 Freiwilligen unterstützt).

Die Bundeswehr engagiert sich in der Region Darfur mit bis zu 50 Soldaten in Stäben. Vor allem stellt sie Experten für Beratungs- und Unterstützungsaufgaben. Abhängig vom Bedarf sind auch deutsche Fachkräfte für Logistik oder Informationstechnik im Einsatz. Medizinische Unterstützung sowie Hilfe bei technischer Ausrüstung kann ebenfalls geleistet werden. Der Bundestag hatte am 8. November 2012 die deutsche Beteiligung an UNAMID in Darfur beschlossen.

Schätzungen zufolge sind bei den Auseinandersetzungen im Westen des Sudans seit 2003 Hunderttausende Menschen getötet und rund 2,7 Millionen vertrieben worden. Das Regime des früheren sudanesischen Präsidenten Umar al-Baschir, der nach Massenprotesten der Bevölkerung im April 2019 vom Militär abgesetzt worden ist, war mit großer Gewalt gegen Rebellen und Zivilisten in Darfur vorgegangen. Gegen ihn und mehrere Mitglieder seiner früheren Regierung liegen Haftbefehle des Internationalen Strafgerichtshofs im niederländischen Den Haag unter anderem wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen vor. Im Sudan gibt es momentan eine Übergangsregierung.

Nach den aktuellen Zahlen der Bundeswehr (Stand 16. Dezember 2019) sind derzeit 864 Bundeswehrangehörige im Einsatz bei MINUSMA und drei bei UNAMID.


Randnotiz                                  

Öffentliche Anhörung der Unterausschüsse „Zivile Krisenprävention, Konfliktbearbeitung und vernetztes Handeln“ sowie „Vereinte Nationen, internationale Organisationen und Globalisierung“ des Auswärtigen Ausschusses zum Themenkomplex „Wirksamkeit von VN-Missionen und Übergangsstrategien am Beispiel MINUSMA in Mali und UNAMID im Sudan“.
Zeit: Montag, 13. Januar 2020; Beginn 16 Uhr.
Ort: Paul-Löbe-Haus des Deutschen Bundestages in Berlin, Sitzungssaal 2.200.
Interessierte Besucher können sich beim Sekretariat des Auswärtigen Ausschusses (Telefon: 030-22732416, Fax: 030-22736131, E-Mail: auswaertiger-ausschuss@bundestag.de) unter Angabe des Vor- und Zunamens sowie des Geburtsdatums anmelden. Zum Einlass muss ein Personaldokument mitgebracht werden. Alle Angaben ohne Gewähr.


Zu unserem Bildmaterial:
1. Blauhelmsoldat der UNAMID-Friedensmission im Flüchtlingslager Khor Abeche in Süd-Darfur. Das Flüchtlingslager und die benachbarte Ortschaft gleichen Namens wurden in der Vergangenheit immer wieder Ziele von verheerenden Angriffen und schwersten Menschenrechtsverletzungen. So drangen beispielsweise im März 2014 bewaffnete Männer – vermutlich Regierungsmilizen – in das Camp für Binnenflüchtlinge ein, plünderten das Areal und brannten es nieder. Im April 2005 hatten rund 350 Angreifer – sudanesische Regierungssoldaten und muslimische paramilitärische Reitermilizen, die Dschandschawid – die Stadt völlig zerstört. Den Nachforschungen von Professor Samuel Totten zufolge, einem US-Historiker mit Forschungsschwerpunkt „Völkermord“, waren damals in Khor Abeche etwa 200 Menschen ermordet worden, darunter Kinder und alte Menschen.
(Foto: Albert Gonzalez Farran/UNAMID)

2. Angehörige der gemischten Aufklärungskompanie des 4. Deutschen Einsatzkontingents MINUSMA in Wabaria nahe Gao, Mali. Die Aufnahme stammt vom 7. Februar 2017.
(Foto: Sebastian Wilke/Bundeswehr)

Kleines Beitragsbild: Angehörige der VN-Mission MINUSMA am 23. Februar 2015 auf einer Patrouille nach Ansongo, einer Kleinstadt in der Region Gao im Nordosten Malis.
(Foto: Marco Dormino/MINUSMA)


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