Berlin/Büchel. Rückt eine Entscheidung in der Frage der Tornado-Nachfolge näher? Am heutigen Donnerstag (26. März) berichtete die Deutsche Presse-Agentur, dass „die überalterte Tornado-Flotte der Bundeswehr vom Jahr 2025 an durch bis zu 90 weitere Eurofighter-Jets sowie 45 F-18-Kampflugzeuge des US-Herstellers Boeing abgelöst werden“ soll. Also ein Beschaffungsmix! Die Maschinen aus den USA stehen vor allem für zwei Fähigkeiten: in der Version Boeing-Mehrzweckkampfflugzeug F/A-18E/F Super Hornet für den Transport von Atomwaffen, in der Version Boeing EA-18G Growler für die Elektronische Kampfführung. Laut dpa sollen die internen Planungen des Verteidigungsministeriums bereits auf politischer Ebene sowie mit Industrievertretern erörtert worden sein. Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer müsse dem Plan nun noch zustimmen, zitierte die Agentur entsprechende „parlamentarische Kreise“.
Übereinstimmenden Medienberichten zufolge ist der Kauf von 30 Maschinen des Typs F/A-18E/F Super Hornet für die Nukleare Teilhabe und 15 Maschinen des Typs EA-18G Growler für die Elektronische Kampfführung (EloKa) geplant. Von den 90 neuen Eurofighter-Kampfflugzeugen soll ein Teil die Maschinen der ersten Tranche – Auslieferung dieser frühen Eurofighter an die Truppe war zwischen 2003 und 2008 – ersetzen.
Über eine Nachfolgelösung für die überalterte Tornado-Flotte ist in den vergangenen Monaten viel diskutiert und viel spekuliert worden (siehe hier). Auf eine entsprechende Anfrage von Franziska Brantner, Bundestagsabgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen, hatte beispielsweise am 11. Dezember 2017 der damalige Parlamentarische Staatssekretär bei der Bundesministerin der Verteidigung Ralf Brauksiepe geantwortet: „Durch das Bundesministerium der Verteidigung werden derzeit verschiedene Optionen für den bruchfreien Übertrag der gegenwärtig durch das Waffensystem Tornado abgebildeten Einsatzrollen beginnend ab dem Jahr 2025 geprüft. Primär wird dabei das europäische Kampfflugzeug Eurofighter betrachtet, sekundär auch die drei US-Muster F-15 E, F/A-18 E/F und F-35 A.“
Aktuell hat die Bundeswehr 225 Kampfjets der Typen Eurofighter und Tornado. Hinzu kommen Maschinen für die Ausbildung am Boden sowie für wehrtechnische Untersuchungen.
Das einsitzige und allwetterfähige Mehrzweckkampfflugzeug Eurofighter kann in den Rollen „Luftverteidigung“ und „Luftangriff“ eingesetzt werden. Nach Auskunft der Deutschen Luftwaffe besitzt die Teilstreitkraft derzeit insgesamt 140 Maschinen.
Der PA-200 Tornado, ein zweisitziges und allwetterfähiges Mehrzweckkampfflugzeug, wurde als trinationales Rüstungsprojekt ab 1980 von Deutschland, Großbritannien und Italien in die Streitkräfte eingeführt wurde. Die Bundeswehr erhielt ihre erste Tornado-Maschine im Jahr 1981, ihre letzte im Jahr 1992. Ausgeliefert wurden an die Bundeswehr insgesamt 357 Flugzeuge. Mittlerweile hat unsere Luftwaffe die Anzahl ihrer Tornado-Maschinen auf 85 Waffensysteme reduziert. PA-200 Tornados, die im Bestand verbleiben, durchlaufen eine Nutzungsdauerverlängerung mit umfangreichen Modernisierungsprogrammen. Der vor rund 40 Jahren beschaffte Jet ist heute immer noch im Einsatz als Jagdbomber Tornado IDS (Interdiction Strike/Abriegelung und Angriff), in der Aufklärerrolle als Tornado Recce (Reconnaissance/Aufklärung) und als Tornado ECR (Electronic Combat and Reconnaissance/Elektronischer Kampf und Aufklärung). Hinzu kommt die Sonderrolle des deutschen PA-200 Tornado als Atomwaffen-Träger im Rahmen der Nuklearen Teilhabe.
Die Nukleare Teilhabe ist ein Konzept innerhalb der Abschreckungspolitik der NATO. Es bezieht die Mitgliedstaaten ohne eigene Nuklearwaffen in die Einsatzplanung und in den Einsatz der Waffen selbst durch das Bündnis mit ein (siehe dazu unseren früheren Beitrag über den Luftwaffenstandort Büchel und den geplanten Austausch der alten B61-Atombomben gegen die moderne Version B61-12).
Peter Steinmüller, Chef vom Dienst bei der Wochenzeitung VDI nachrichten, hatte sich im Oktober vergangenen Jahres mit dem Thema „Neues Kampfflugzeug für die Bundeswehr“ befasst und dabei auch den Aspekt der Nuklearen Teilhabe Deutschlands beleuchtet. Er vermutet, dass ausschlaggebend für eine Entscheidung zu Gunsten der F/A-18E/F Super Hornet eine Zusicherung des Herstellers Boeing gewesen sein könnte, dieses „Produkt rechtzeitig zur Tornado-Außerdienststellung im Jahr 2025 für den Einsatz von Atomwaffen auszurüsten“. Die Fähigkeit, A-Bomben ins Ziel zu tragen, habe im Arsenal der Luftwaffe ausschließlich der Tornado. Bei dem europäischen Kampfflugzeug Eurofighter wäre eine Aufrüstung sprich Fähigkeitserweiterung nicht in dieser Zeit zu schaffen gewesen. Die Zertifizierung des Eurofighter-Kampfflugzeugs als Atombombenträger durch die Vereinigten Staaten hätte zudem enorm lange gedauert, schrieb Steinmüller.
Inzwischen gibt es zur angedachten „Mix-Lösung“ (verwendet wird auch der Begriff „Split-Lösung“) Stimmen aus dem politisch-parlamentarischen Bereich.
So forderte Johann Wadephul, der Stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, im Gespräch mit der dpa eine zügige Entscheidung über die Ablösung des überalterten Kampfflugzeugs Tornado. Es müsse unbedingt verhindert werden, dass die Bundeswehr Fähigkeiten verliere. Der CDU-Politiker, in seiner Fraktion unter anderem zuständig für die Bereiche „Auswärtiges“ und „Verteidigung“, sagte ferner: „Der militärische Bedarf der Luftwaffe muss bei der Entscheidung im Vordergrund stehen.“ Bei einer Zwei-Flotten-Lösung (Eurofighter und F-18) wäre die Bundeswehr der größte Nutzer des Eurofighter-Kampfflugzeugs. Dies wäre Wadephul zufolge „ein klares Bekenntnis zur europäischen Luftfahrtindustrie“. Der Abgeordnete weiter: „Gleichzeitig hätte man für die besonderen Aufgaben der Luftwaffe ein erprobtes und verlässliches Modell, das kurzfristig beschafft werden könnte. Diese Lösung würde die Zeit bis zur Einführung des Kampfflugzeugs der Zukunft – FCAS – überbrücken.“
Mit Blick auf das Thema „Nukleare Teilhabe und A-Waffenträger Tornado“ erinnerte Wadephul an die Verpflichtungen Deutschlands gegenüber dem Bündnis. „Da geht es um Verlässlichkeit. Genauso wichtig ist es, die Tornado-Flotte so schnell wie möglich zu ersetzen, um steigende Erhaltungskosten zu vermeiden“, so der Christdemokrat.
Die Sozialdemokratin Gabriela Heinrich hatte bereits am 4. März eine Position innerhalb ihrer Fraktion deutlich gemacht. In einem Namensartikel für die Frankfurter Rundschau hatte sie gefordert: „50 Jahre nach Unterzeichnung des Atomwaffensperrvertrages brauchen wir eine grundsätzliche Diskussion darüber, wie wir eine atomwaffenfreie Welt erreichen können. Dazu gehört auch die sachliche und sorgfältige Erörterung der Nuklearen Teilhabe.“
Es sei nicht die Zeit für schnelle Entschlüsse, so die Stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion. „Alle Entscheidungen, die das Ergebnis der Debatte vorwegnehmen, wie die damit zusammenhängende Frage eines Nachfolgesystems für den Tornado, dürfen auf keinen Fall überstürzt getroffen werden.“
Heinrich argumentierte: „Fakt ist – alle NATO-Staaten sind Mitglied der Nuklearen Planungsgruppe. Der Umstand, dass wir mit dem Tornado ein Trägersystem für Atombomben bereitstellen, gibt uns jedoch keine zusätzliche Entscheidungsgewalt. Denn auch strategische Mitglieder entscheiden gleichberechtigt über die Nuklearstrategie der NATO mit.“ Daraus folge: „Sollte Deutschland kein Nachfolgemodell für den atomwaffenfähigen Tornado anschaffen, der voraussichtlich zwischen 2030 bis 2035 außer Dienst gestellt werden muss, bleibt Deutschland trotzdem Teil der Nuklearen Teilhabe – mit allen Mitbestimmungsmöglichkeiten innerhalb der NATO.“
Marie-Agnes Strack-Zimmermann, die verteidigungspolitische Expertin der FDP, drückt hingegen aufs Tempo. In einem Gespräch mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND), der Zentralredaktion der Madsack-Mediengruppe, sagte sie: „Dass endlich Bewegung in die Tornado-Nachfolge kommt, ist richtig, auch wenn sie viel zu spät kommt.“ Strack-Zimmermann forderte, schon jetzt eine Entscheidung über den Gesamtbedarf an Kampfflugzeugen zu treffen. „Wir sollten das jetzt beschließen – es ist ein Wahnsinn, weitere anderthalb Jahre zu warten.“ Es könne nicht sein, dass Deutschland dies noch mehr hinauszögere und erwarte, andere NATO-Partner würden ein entsprechendes Trägersystem für Atombomben bereitstellen.
Nicht nachvollziehbar sei es zudem, dass das Verteidigungsministerium sich offenbar für das Boeing-Modell F-18 entschieden habe. Dieses werde vom Hersteller selbst als „älteres Modell“ bezeichnet, zürnte die FDP-Politikerin. Sie riet dazu: „Wenn wir schon Geld in die Hand nehmen, sollten wir das modernste Kampfflugzeug nehmen, die F-35.“
Sevim Dağdelen, Stellvertretende Vorsitzende der Bundestagsfraktion Die Linke und Sprecherin für Abrüstungspolitik, äußerte gegenüber dem RND fundamentale Kritik. Angesichts der Coronakrise und der damit verbundenen Kosten sei es „vollkommen irre, jetzt Milliarden Euro für die Anschaffung neuer Kampfjets und atomare Rüstungsprojekte zu verprassen.“ Alle Anstrengungen müssten auf die Produktion ziviler Güter konzentriert werden, verlangte Dağdelen.
Katja Keul, Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen für Abrüstungspolitik, äußerte sich in einer Presseerklärung ähnlich: „Dass die Bundesregierung ausgerechnet am zehnten Jahrestag des Bundestagsbeschlusses über den Abzug der Atomwaffen aus Deutschland Überlegungen zur Anschaffung von amerikanischen F-18-Kampflugzeugen anstellt, weil diese besser als Trägersystem für US-Nuklearwaffen geeignet [seien], ist ein desaströses Signal für die internationalen Abrüstungsbemühungen.“
Die Bundestagsabgeordnete erinnerte daran: „Vor zehn Jahren hatte der Deutsche Bundestag mit übergroßer Mehrheit beschlossen, die Atomwaffen aus Deutschland abzuziehen und damit einen ersten Schritt auf dem Weg zu einer atomwaffenfreien Welt zu gehen. Stattdessen mussten wir in den letzten Jahren die Erosion internationaler Rüstungskontrollabkommen erleben: sowohl das Mittelstreckenverbot von 1987 wurde gekündigt als auch das Nuklearabkommen mit dem Iran.“ Die Atommächte investierten massiv in ihre Nukleararsenale, statt ihren Abrüstungsverpflichtungen aus Artikel 6 des Nichtverbreitungsvertrages nachzukommen, klagte Keul. Vor diesem Hintergrund hätten sich 122 Staaten in der Vollversammlung der Vereinten Nationen auf einen Verbotsvertrag für Atomwaffen geeinigt, mit dem diese Massenvernichtungswaffen langfristig nun endgültig geächtet werden sollen. Die Abrüstungsexpertin der Grünen: „Die Bundesregierung täte gut daran, diesen Weg zu unterstützen, statt mit neuen Flugzeugbeschaffungen in die Nukleare Teilhabe zu investieren. Zum 50-jährigen Jubiläum des Atomwaffensperrvertrags in diesem Jahr wäre der Ausstieg aus dieser ,nuklearen Teilhabe‘ eindeutig das bessere Geschenk gewesen.“
Die Aufnahme zeigt eine F/A-18E/F Super Hornet des Rüstungskonzerns Boeing.
(Foto: Aaron Foster/Boeing Company)
Kleines Beitragsbild: 13. Oktober 2013, 238. Geburtstag der U.S. Navy – Vorbeiflug während der Feierlichkeiten zweier Boeing-Kampfflugzeuge. Im Hintergrund eine F/A-18E/F Super Hornet, davor eine EA-18G Growler.
(Foto: Boeing Company)
Die F-18 Super Hornet ist doch ein über 20 Jahres altes Konzept mit geringen Tarneigenschaften. Also im Prinzip völlig veraltet. Warum machen wir uns wieder von den USA abhängig? Für den Preis einer F-35 können wir auch eine Eigenentwicklung bauen!
Auch diese F-35 (am besten in der B-Version) könnten – wie schon für viele andere Länder – in Italien gebaut werden. Das wäre dann wenigstens auch eine Unterstützung für dieses Land.
Ob nicht die F-15 die bessere Wahl wäre? Aber AKK und die Luftwaffe haben sich offenbar die Boeing EA-18G Growler in den Kopf gesetzt, wohl mit dem Next Generation Jammer der Amerikaner.
Was die Luftwaffe braucht, ist eine Überbrückungslösung für den Tornado – primär ein Bombtruck für die B61, wobei konventionelle und auch Air to Air-Eigenschaften interessant sein könnten. Die F-15 ist eben für Langstrecken CAPs geeignet. Es gilt die Zeit bis zum FCAS zu überbrücken, das kann sich aber eben bis zur Einsatzreife noch sehr lange hinziehen.
Wobei der Tornado übrigens noch lange fliegen könnte, wenn man ihn vernünftig kampfwertgesteigert hätte, neue Maschinen beschafft hätte als das noch möglich war (1999) und die Ersatzteilversorgung gesichert hätte.