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Berlin. Die Debatte um das in die Jahre gekommene Kampfflugzeug Tornado nimmt Fahrt auf. Am 8. November hatte die Nachrichtenagentur Reuters den Inspekteur unserer Luftwaffe, Generalleutnant Karl Müllner, zum Thema „Tornado-Nachfolger“ zitiert. Müllners Aussagen legen nahe, dass der Luftwaffenchef offenbar das amerikanische Tarnkappen-Mehrzweckkampfflugzeug F-35 als Nachfolgemodell favorisiert. Jetzt aber machte das Verteidigungsministerium deutlich, dass man „primär das europäische Kampfflugzeug Eurofighter“ betrachte. Dies geht aus einer Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs bei der Bundesministerin der Verteidigung, Ralf Brauksiepe, hervor. Er hat zu einer Anfrage der Bundestagsabgeordneten Franziska Brantner (Bündnis 90/Die Grünen) Stellung genommen.

Generalleutnant Müllners Äußerungen hatte Reuters in seiner November-Meldung als „bislang deutlichstes öffentliches Statement“ des Inspekteurs im Zusammenhang mit der Diskussion um die Tornado-Nachfolge bezeichnet. Müllner hatte in einem Interview mit der Agentur in Berlin gesagt, Deutschland brauche einen Kampfjet der fünften Generation, der im Rahmen der Landes- und Bündnisverteidigung eine glaubhafte Abschreckung gewährleisten könne. Ein solches Kampfflugzeug müsse eine geringe Radarsignatur aufweisen und die Fähigkeit haben, Ziele bereits aus großer Distanz erkennen und bekämpfen zu können.

Betrachtet man – das Anforderungsprofil Müllners im Hinterkopf – den Markt aktuell verfügbarer Militärjets, dann fällt der Blick zwangsläufig auf die F-35 Lightning II des amerikanischen Rüstungskonzerns Lockheed Martin. Bislang nutzen elf Staaten die F-35. In Europa sind dies Dänemark, Großbritannien, Italien, die Niederlande, Norwegen und die Türkei. Vermutlich wird sich auch Spanien für das Modell entscheiden. Es gibt weitere europäische Länder – Belgien, Finnland, Schweiz – die intensiv über eine Anschaffung der F-35 nachdenken (die Kaufentscheidung in Belgien wird für 2018 erwartet).

Für eine reine Entwicklungslösung ist es „eigentlich schon zu spät“

Der Luftwaffeninspekteur hatte sich gegenüber Reuters auch zu den zeitlichen Dimensionen einer Tornado-Ablösung geäußert. „Die Risiken und Kosten für den Betrieb des Tornados werden gegen Ende des nächsten Jahrzehnts so erheblich steigen, dass man sich jetzt um eine Nachfolge kümmern muss“, so Müllner. Die deutsche Luftwaffe brauche die ersten neuen Jets ab dem Jahr 2025, um den Tornado nach und nach abzulösen. Um diesen Zeitplan halten zu können, wären eine Grundsatzentscheidung in der ersten Hälfte der Legislaturperiode sowie ein Vertrag 2020 nötig, hatte Reuters den General weiter zitiert. Einer reinen Entwicklungslösung „für den Bedarf der Luftwaffe von vielleicht hundert Flugzeugen oder weniger“ hatte Müllner eine Absage erteilt. Für sie sei es „eigentlich schon zu spät“.

Wie gut die Chancen von Lockheed Martin sind, mit seiner Lightning II auch in Deutschland „zu landen“, hatte unter anderem eine zweitägige Informationsveranstaltung der Amerikaner im Juli in Berlin gezeigt. Experten der Bundeswehr hatten sich hier ausführlich über die Leistungsmerkmale des Waffensystems F-35 informieren und auch Vertretern des US-Verteidigungsministeriums zahllose Fachfragen zum Tarnkappen-Jet stellen können (siehe auch hier und hier).

Erst kürzlich hatte zudem Lockheed-Chefin Marillyn Hewson noch einmal deutlich gemacht, wie entschlossen der Konzern seine Kundenakquise betreibt. Am 9. November, einen Tag nach dem Müllner-Interview, hatte sie am Rande eines Besuches in Norwegen versichert: „Wir stehen bereit, die US-Regierung in ihren Gesprächen mit der deutschen Regierung über die F-35 zu unterstützen.“

Bundeswehr erhielt letzten fabrikneuen Tornado im Jahr 1992

Momentan verfügen die Einsatz- und Ausbildungsverbände unserer Luftwaffe noch über 85 Multi Role Combat Aircraft (MRCA) Tornados. In der Flotte fliegt dabei der Tornado zum einen in der Version als Jagdbomber IDS (Interdiction Strike), zum anderen in der ECR-Version (Electronic Combat and Reconnaissance). Von den IDS-Maschinen ist ein Teil speziell zur optischen Aufklärung und zur Infrarot-Aufklärung befähigt (Recce-Tornado).

Der MRCA Tornado ist ein trinational entwickeltes allwetterfähiges zweisitziges Kampfflugzeug, das ab 1980 von Deutschland, Großbritannien und Italien in die Streitkräfte eingeführt wurde. Die Auslieferung an die Bundeswehr begann im Jahr 1981 und wurde 1992 mit der Übergabe des letzten Tornado ECR abgeschlossen. Luftwaffe und Marine erhielten insgesamt 357 Luftfahrzeuge. Heimat des Jets ist heute das Taktische Luftwaffengeschwader 51 „Immelmann“ in Jagel (Tornado ECR) und das Taktische Luftwaffengeschwader 33 in Büchel (Tornado IDS). Einige der Maschinen starten derzeit von Jordanien aus zum Aufklärungseinsatz gegen die Reste der Terrorbanden des sogenannten „Islamischen Staates“.

Deutsche Tornados als Träger taktischer amerikanischer Atomwaffen

Eine ganz besondere Rolle übernehmen die in Büchel stationierten Tornado-Maschinen auch im Kontext der Nuklearen Teilhabe der NATO. Die Nukleare Teilhabe ist eine Aufgabenteilung zwischen den Vereinigten Staaten und fünf Ländern der Allianz – Belgien, Deutschland, Italien, Niederlande und Türkei. Die USA stellen taktische Nuklearwaffen, die unter amerikanischer Kontrolle stehen, die fünf NATO-Partner starten im Verteidigungsfall die geeigneten Luftfahrzeuge als Trägersysteme. In Büchel, am Standort des Taktischen Luftwaffengeschwaders 33, lagern heute geschätzt etwa 20 Atombomben der Amerikaner (siehe auch hier).

Da die Nutzungsdauer der deutschen Tornado-Flotte möglicherweise 2025 endet (noch ist offen, ob die Maschinen erneut modernisiert und über das Jahr 2025 hinaus weiter genutzt werden könnten), müsste nach der Außerdienststellung des Waffensystems Tornado ein anderer Jet diese Trägeraufgabe übernehmen und dafür dementsprechend technisch gerüstet werden. Der Eurofighter ist nicht nuklearfähig.

Deutschland und Frankreich wollen gemeinsamen Kampfjet entwickeln

Blicken wir auch kurz zurück auf den 13. Juli dieses Jahres. An diesem Donnerstag hatte in Paris der traditionelle Deutsch-Französischen Ministerrat, bestehend aus Mitgliedern der Bundesregierung und des französischen Kabinetts, getagt. Deutschland und Frankreich sind bei dem Treffen übereingekommen, künftig bei Rüstungsprojekten noch intensiver kooperieren und zentrale militärische Fähigkeiten zusammen entwickeln zu wollen (wir berichteten).

Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron hatten dabei bei ihrer gemeinsamen Abschlusspressekonferenz die Entwicklung eines neuen Kampfjets angekündigt, der langfristig die aktuellen Flotten beider Länder – den Eurofighter in Deutschland und die Rafale von Dassault in Frankreich – ersetzen kann.

Vor diesem Hintergrund hatte Franziska Brantner für ihre Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen wissen wollen: „Teilt die Bundesregierung die Auffassung von Luftwaffeninspekteur Karl Müllner, wonach die amerikanischen Kampfjets vom Typ F-35 besonders geeignet für die Nachfolge der Jets des Typs ,Tornado‘ seien, und hält die Bundesregierung diese Bewertung durch Karl Müller für vereinbar mit der Ankündigung von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Präsident Emmanuel Macron vom jüngsten Deutsch-Französischen Ministerrat, dass Deutschland und Frankreich künftig bei großen Rüstungsprojekten enger zusammenarbeiten und insbesondere auch einen gemeinsamen Kampfjet entwickeln wollen?“

Vier Waffensysteme gegenwärtig in der ministeriellen Prüfung

Die vom Inspekteur der Luftwaffe dargestellte Auffassung zur Eignung der F-35 Lightning II als besonders prädestiniertes Nachfolgesystem für den Tornado sei nicht die Position der Bundesregierung, heißt es im Antwortschreiben Brauksiepes vom 11. Dezember.

Das Verteidigungsministerium prüfe derzeit „verschiedene Optionen für den bruchfreien Übertrag der gegenwärtig durch das Waffensystem Tornado abgebildeten Einsatzrollen beginnend ab dem Jahr 2025“. Primär werde dabei das europäische Kampfflugzeug Eurofighter betrachtet, sekundär auch drei amerikanische Muster. Bei den drei US-Waffensystemen handelt es sich um die F-35 von Lockheed Martin und um die F-15 Eagle sowie die F/A-18E/F Super Hornet von Boeing. „Eine Entscheidung vonseiten der Bundesregierung wird erst nach dem Vorliegen und der Auswertung der Ergebnisse dieser Betrachtung im Gesamtkontext getroffen werden können“, erklärte der Staatssekretär weiter.

Zu der beim Deutsch-Französischen Ministerrat am 13. Juli 2017 getroffenen Vereinbarung, gemeinsam ein künftiges Waffensystem als Ersatz der Kampfflugzeuge Eurofighter (Deutschland) und Rafale (Frankreich) zu entwickeln, heißt es in der Regierungsantwort: „Dieses Projekt ist ein wichtiger Meilenstein in der Kontinuität der engen und richtungsweisenden Zusammenarbeit dieser beiden Nationen für Europa.“ Die Bundesregierung sei fest entschlossen, die Entwicklung eines gemeinsamen Waffensystems voranzutreiben; erste gemeinsame Aktivitäten hätten bereits begonnen.


Unser Bild zeigt eine F-35A am 17. Mai 2010 im Anflug auf die Edwards Air Force Base in Kalifornien, USA.
(Foto: Lockheed Martin)

Kleines Beitragsbild: F-35A bei einem Testflug in den USA am 15. Mai 2012.
(Foto: Lockheed Martin)


Kommentare

  1. Schmidt | 1. Januar 2018 um 20:51 Uhr

    Da darf man wohl gespannt bleiben, auch wenn sowohl die F-15E als auch die F/A 18 nicht ernsthaft in Erwägung gezogen werden können. Sicherlich sind beide in ihren aktuellen, modernisierten Versionen den Tornado-Mustern überlegen. Trotzdem haben beide wohl auch schon deutlich ihre Halbwertszeit überschritten und würden nicht als langfristige Lösung dienen.

    Sich mit der kostspieligen F-35 in langfristige amerikanische Abhängigkeit zu begeben, ist wohl auch auch nur eingeschränkt zu befürworten.

    Ein europäisch integriertes Generation-5, oder noch besser G-5+/6, und/oder (selektiv semi-) autonome Fighter/Attack/Combat Drohne muss sowieso langsam in die Startlöcher gebracht werden. Siehe X47B, BAE Taranis etc. …

    Themenwechsel: Wie sieht es nun eigentlich mit der Lage der A-400M Atlas aus? Hat die Luftwaffe noch vor, ihre Flotte zusätzlich um die vor einiger Zeit im Gespräch gewesenen C-130 zu erweitern?

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