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Berlin. Die AfD wird wohl im Deutschen Bundestag mit ihrem Antrag scheitern, der früheren Staatssekretärin im Bundesministerium der Verteidigung Katrin Suder das ihr verliehene Ehrenkreuz der Bundeswehr in Gold wieder entziehen zu lassen. Die AfD-Fraktion hatte ihren Antrag mit der Rolle Suders im Zusammenhang mit der sogenannten „Berateraffäre im Verteidigungsministerium“, zu deren Aufklärung sich der Verteidigungsausschuss am 30. Januar 2019 als Untersuchungsausschuss konstituiert hat, begründet. Nach Ansicht der AfD sei es unter der Verantwortung der früheren Staatssekretärin „nachweislich zu massiven Verstößen gegen das Vergaberecht“ gekommen. Der Verteidigungsausschuss hat den Antrag in seiner 52. Sitzung am 11. März beraten. Er empfiehlt nun dem Parlament mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der Fraktion der AfD die Ablehnung des Antrags.

Die AfD argumentierte in ihrem Antrag, Suder habe die Beauftragung von „millionenschweren Beraterverträgen“ freigegeben, von denen ihr persönlich bekannte externe Berater profitiert hätten. Der Bundesrechnungshof gehe wegen der Missstände von einem erheblichen Vermögensschaden aus. Suder habe durch ihr Verhalten „in einer Leitungsposition ihre Vorbildfunktion für die Angehörigen der Bundeswehr konterkariert und das Vertrauen, das die Tätigkeit als Staatssekretärin gebietet, zerstört“, so der AfD-Antrag.

Die AfD-Fraktion beruft sich auf Paragraf 4 des Gesetzes über Titel, Orden und Ehrenzeichen, auf den auch im maßgeblichen Erlass des Verteidigungsministeriums verwiesen wird. Demnach könne eine Auszeichnung entzogen werden, wenn sich der Beliehene durch sein Verhalten der verliehenen Auszeichnung unwürdig erweise oder ein solches Verhalten nachträglich bekannt werde. Suder habe als Staatssekretärin ein „unwürdiges Verhalten“ an den Tag gelegt, welches die genannten Voraussetzungen für eine Entziehung des Ehrenkreuzes der Bundeswehr erfülle, meint die AfD.

„Mit unglaublicher analytischer Brillanz und schier unerschöpflicher Dynamik“

Die Unternehmensberaterin Katrin Suder war von August 2014 bis April 2018 beamtete Staatssekretärin im Bundesministerium der Verteidigung. Dort war sie mit der Aufgabe betraut worden, vor allem den Rüstungsbereich zu reformieren. Sie trat die Amtsnachfolge von Stéphane Beemelmans an, der im Februar 2014 von der damaligen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen in den einstweiligen Ruhestand versetzt worden war. Vor ihrem Wechsel ins Verteidigungsministeriums war Suder Direktorin bei der Unternehmens- und Strategieberatung McKinsey & Company in Berlin gewesen (siehe hier).

Im Wehrressort direkt unterstellt waren Suder die Abteilungen „Ausrüstung“ und „Cyber/Informationstechnik“. In ihre Zuständigkeit fielen außerdem Angelegenheiten der Abteilung „Planung“. Mit der Unternehmensberaterin wechselte im September 2014 Gundbert Scherf von McKinsey ins Verteidigungsministerium. Er verließ das Ministerium aber bereits zwei Jahre später wieder.

Auf eigenen Wunsch schied Katrin Suder im April 2018 aus dem Amt der Staatssekretärin aus (vier Monate später trat sie den Vorsitz des neu gegründeten Digitalrats der Bundesregierung an).

Von der Leyen ehrte sie am 7. Mai 2018 mit einer Serenade im Berliner Bendlerblock. Die Abschiedsrede der Ministerin glich einer einzigen Lobeshymne. So sagte von der Leyen beispielsweise: „Sie sind unsere Rüstungsstaatssekretärin gewesen. Sie haben mit unglaublicher analytischer Brillanz und dieser schier unerschöpflichen Dynamik das Rüstungswesen […] durchleuchtet bis in den hintersten Winkel hinein, dann haben Sie es einmal kräftig durchgeschüttelt und – gefühlt würde ich sagen – haben Sie dann das Rüstungswesen auf eine andere Umlaufbahn katapultiert. Da ist so manchem schwindlig dabei geworden, aber Sie haben auch dann drauf geachtet, dass Sie Halt geben und die Koordinaten stimmen. Sie haben das Rüstungswesen vor allen Dingen modernisiert. Sie haben ein Risikomanagement eingeführt, das weiß Gott seinen Namen verdient! Das inzwischen international kopiert wird, wofür Sie viel Respekt erworben haben. Sie haben vor allem Transparenz geschaffen. Transparenz insofern, als das Sie in der Tat in jede dunkle Ecke auch geleuchtet haben und Transparenz ist ja nicht nur was Schönes. Transparenz heißt ja nicht nur durch die rosa Brille sich die Dinge anschauen, sondern auch eingestehen, dass es schwierig ist – wo die Defizite sind, wo die Probleme sind.“

Affäre um regelwidrige Vergabe millionenschwerer Beraterverträge

In dieser Tonalität würdigte die Verteidigungsministerin am 7. Mai 2018 ihre scheidende Staatssekretärin über insgesamt zweieinhalb Manuskriptseiten lang. An einer Stelle der Rede erfahren wir: „Legendär sind die Vorträge gewesen, die Sie mal ebenso aus der linken Hand im Verteidigungsausschuss oder im Haushaltsausschuss gegeben haben, wenn es ein physikalisches Problem gab, das es zu verstehen galt. Dann haben Sie kurz intensiv, faszinierend doziert. Wenn wir ehrlich sind, wir haben es nicht immer alle ganz verstanden, aber wir waren überzeugt zum Schluss.“ Nicht immer ganz verstanden, aber zum Schluss überzeugt? …

Suder gilt als Schlüsselfigur der Affäre um die regelwidrige Vergabe von millionenschweren Beraterverträgen im Verteidigungsressort (siehe auch hier). Sie hatte auf externes Know-how gesetzt – für enorme Tagessätze. Bei ihrer Anhörung vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestags am 30. Januar 2020 wies sie alle Vorwürfe gegen sich zurück. Vielfach berief sie sich auf Erinnerungslücken.

Auch SPIEGEL-Chefreporter Matthias Gebauer berichtete im Januar über den denkwürdigen Suder-Auftritt („Eine Frau ohne Erinnerungen“) vor dem Ausschuss. Er schrieb: „In einem längeren Eingangsstatement stellt [Suder] nüchtern fest, dass das Ministerium und vor allem der Rüstungseinkauf bei ihrem Amtsantritt so hoffnungslos verkrustet gewesen seien, dass ein Umsteuern ohne externen Sachverstand schlicht nicht möglich gewesen sei. ,Hilfe von außen war essenziell‘, sagt Suder. Ein Kulturwandel sei nur durch frischen Wind von außen möglich gewesen.“ Alte Bekanntschaften aus der früheren Zeit bei McKinsey hätten keine Rolle bei der Vergabe von Großaufträgen gespielt, so Gebauer über eine weitere Aussage der früheren Rüstungsstaatssekretärin. Suder habe versichert, stets „das Private und Berufliche getrennt“ zu haben.

Dann heißt es in dem SPIEGEL-Beitrag Gebauers: „Spätestens nach dem vorbereiteten Statement wird die Sitzung für die Abgeordneten einigermaßen frustrierend. Egal, nach welchem der diversen merkwürdigen Vorgänge sie fragen, bekommen sie von Suder fast immer eine von zwei Antworten: Entweder entschuldigt sie sich umgehend, dass sie keine Erinnerung mehr hat. Oder sie beteuert wortreich, sie habe ein Projekt zwar angestoßen. Von der Vergabe an einzelne Berater aber habe sie nichts gewusst.“

Letztendlich doch nur „ein Antrag für das Schaufenster“?

In der Beratung des Verteidigungsausschusses zum AfD-Antrag „Einer ehemaligen Staatssekretärin im BMVg das Ehrenkreuz der Bundeswehr entziehen“ legten dann noch einmal die Antragsteller nach.

Zunächst hatte die Fraktion der SPD erklärt, der Verteidigungsausschuss könne das Ehrenkreuz nicht aberkennen, dies obliege vielmehr dem Verteidigungsministerium. Zudem müsste das Verhalten, das rechtlich eine Entziehung der Auszeichnung rechtfertige, im Bereich einer schweren Straftat liegen. Im Fall der früheren Staatssekretärin Suder sei hingegen bislang kein strafbares Verhalten festgestellt worden. Die Tonalität der antragstellenden Fraktion sei vielmehr „ehrlos“.

Diesen Vorwurf griff die AfD-Fraktion auf und ergänzte ihren Antrag mit dem Hinweis, das Wort „Ehre“ sei „mit achtungswürdigem Verhalten“ verbunden. Die AfD-Politiker argumentierten. Suder habe „durch ihr unwürdiges Verhalten in ihrer Amtszeit und ihre Weigerung, an der Aufklärung im Untersuchungsausschuss mitzuwirken, ihre Vorbildfunktion mit Füßen getreten“. Mit der Verleihung des Ehrenkreuzes der Bundeswehr an sie werde „diese Auszeichnung in Zukunft mit Vetternwirtschaft und ehrlosem Verhalten“ in Verbindung gebracht.

Die FDP-Fraktion fand es „bemerkenswert, dass die antragstellende Fraktion von Würde und Ehre spricht“. Die AfD sei bislang „durch menschenverachtende Reden im Parlament und Auftritte aufgefallen“. Die Freidemokraten räumten ein, dass der Beitrag von Suder als Schlüsselfigur in der „Berateraffäre“ außer Debatte stehe. Die Entziehung des Ehrenkreuzes setze aber nach dem entsprechenden Gesetz die Begehung einer Straftat voraus. Im vorliegenden Fall könne davon nicht die Rede sein. Vor diesem Hintergrund handele es sich „nur um einen Antrag für das Schaufenster“, meinten die Vertreter der FDP im Verteidigungsausschuss. Die Fraktion der Linken schloss sich diesen Ausführungen an.

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Ausschuss verwies zudem darauf, dass Untersuchungsausschüsse keine Gerichte seien, sondern politische Schlüsse zögen und Empfehlungen formulierten. Der Untersuchungsausschuss befinde sich noch in der Phase der Berichterstellung, weshalb auch noch keine Schlussfolgerungen gezogen werden könnten.

Die Fraktion der CDU/CSU hatte im Verlauf der Beratung über den AfD-Antrag erklärt, dass der Verteidigungsausschuss keine Zuständigkeit in dieser Angelegenheit habe.


Der Bildausschnitt zeigt die ehemalige Staatssekretär im Bundesministerium der Verteidigung Katrin Suder.
(Foto: Sebastian Wilke/Bundeswehr)

Kleines Beitragsbild: Rüstungsstaatssekretärin Suder mit ihrem damaligen Mitarbeiter Gundbert Scherf (links), Beauftragter für die strategische Steuerung nationaler und internationaler Rüstungsaktivitäten der Bundeswehr.
(Foto: Sebastian Wilke/Bundeswehr)


Kommentare

  1. Dr.- Ing. U. Hensgen | 18. März 2020 um 12:17 Uhr

    Hoffentlich nimmt sich die Staatsanwaltschaft dieser Affäre an! Wenn nicht, ist es für den Bundesbürger und Steuerzahler nicht nachvollziehbar.

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