Berlin. In der Affäre um ausufernde und teils rechtswidrige Millionenaufträge des Bundesministeriums der Verteidigung (BMVg) an externe Beratungsfirmen gibt es ein neues Kapitel. Wie das Wirtschaftsmagazin Capital in seiner am morgigen Donnerstag (23. Januar) erscheinenden Ausgabe und in einer heutigen Vorab-Fassung berichtet, hat das Ministerium eingeräumt, den Bundestag in der Antwort auf eine Parlamentarische Anfrage der FDP-Fraktion zu Aufträgen an Beratungsfirmen nicht vollständig informiert zu haben.
Auf Anfrage von Capital bestätigte das Verteidigungsministerium drei Aufträge an die bundeseigene Beratungsfirma „PD – Berater der öffentlichen Hand GmbH“ (auch noch bekannt unter dem früheren Namen „Partnerschaft Deutschland“). In der Antwort der Bundesregierung vom 8. Oktober 2019 auf die Kleine Anfrage fehlen entsprechende Angaben. Das Gesamtvolumen der nicht erwähnten Aufträge aus den Jahren 2017 und 2018 beläuft sich nach Auskunft des Wehrressorts gegenüber Capital auf mehr als vier Millionen Euro. Über Unteraufträge soll ein Teil dieser Summe bei privaten Consultingfirmen, darunter auch McKinsey, gelandet sein.
Im Zusammenhang mit der sogenannten „Berateraffäre“ fällt immer wieder der Name Katrin Suder (siehe dazu auch unseren Beitrag vom 16. April 2019). Die frühere Staatssekretärin im Bundesministerium der Verteidigung – ihre Amtszeit war von 2014 bis 2018 – hatte bis zu ihrem Wechsel in das BMVg etliche Jahre für die Unternehmensberatung McKinsey gearbeitet, dort zum Schluss in herausgehobener Position als Direktorin. Suder saß zeitweise auch im Aufsichtsrat der PD.
In der Kleinen Anfrage hatte die FDP-Bundestagsfraktion um eine Auflistung der Aufträge der Bundesministerien an die bundeseigenen Beratungsgesellschaften BwConsulting und PD gebeten. In der Regierungsantwort (Drucksache 19/13804) führte das Ministerium zwar seine Aufträge an die BwConsulting auf, nicht aber jene an die PD. Auf Nachfrage von Capital bestritt das Ministerium, das Parlament absichtlich getäuscht zu haben. Dass es seine Aufträge an die PD nicht gemeldet hat, begründete eine Sprecherin gegenüber dem Magazin mit einer „anderen Interpretation“ der entsprechenden Frage der FDP-Fraktion.
Dazu Capital-Autor Thomas Steinmann: „Liest man die entscheidende Teilfrage in der Kleinen Anfrage, wirkt diese Erklärung allerdings etwas sonderbar. Denn die Frage lautet: ,Welches Unternehmen wurde von welcher Organisationseinheit im Geschäftsbereich der jeweiligen Bundesministerien in den Jahren 2016 bis 2018 mit welcher Beratungs- oder Unterstützungsleistung beauftragt?‘“ So weit der sicherheits- und verteidigungspolitische Experte von Capital. Unsere Meinung zur BMVg-Erklärung: Wer lesen kann, ist im Vorteil!
Die Freidemokraten äußern jetzt scharfe Kritik an der Informationspolitik unter Ministerin Annegret Kramp-Karrenbauer. So sagte die FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann dem Wirtschaftsmagazin: „Wenn die Exekutive dem Parlament die lange Nase zeigt und es nicht korrekt informiert, dann ist das ein grundsätzliches Problem.“ Die Antwort des Ministeriums sei „respektlos gegenüber dem Parlament“.
Strack-Zimmermann warf dem BMVg vor, die Arbeit des Untersuchungsausschusses zur Berateraffäre zu behindern, indem es Informationen zurückhalte wie etwa auch im Fall der gelöschten Handydaten von Ex-Ministerin Ursula von der Leyen. „Wenn sich so etwas häuft, dann glaube ich nicht mehr an Zufälle“, zürnte die Bundestagsabgeordnete.
Die Geschäfte des Ministeriums mit der PD, die von Bundesministerien ohne Ausschreibung beauftragt werden kann, sind vor dem Hintergrund der Berateraffäre für den Bundestag von großem Interesse. Dies gilt insbesondere für ein Projekt aus dem Sommer 2018, bei dem die PD wie eine Drehscheibe für einen Auftrag des Verteidigungsministeriums wirkte.
Bei dem Projekt mit einem Auftragsvolumen von 1,3 Millionen Euro (zuzüglich Mehrwertsteuer) sei es um die Unterstützung einer internen Arbeitsgruppe zur geplanten Reform des Beschaffungswesens der Bundeswehr gegangen, erklärt Capital. Nachdem sie vom Ministerium mit dem Projekt beauftragt worden war, habe die PD die Strategieberatung McKinsey als Subunternehmer an Bord geholt. Laut Vertragsunterlagen, die Capital nach eigener Aussage vorliegen, sollte McKinsey 1,036 Millionen Euro (zuzüglich Mehrwertsteuer) erhalten – also nahezu den kompletten Auftragswert.
Auch bei den beiden anderen Aufträgen an die PD, die in der Antwort auf die Kleine Anfrage der FDP fehlen, sollen laut Capital Teile der Auftragssumme an private Beratungsfirmen geflossen sein. So sei bei einem Gutachten zur europäischen Rüstungsindustrie, welches das Wehrressort im Jahr 2017 für 0,8 Millionen Euro bei der PD bestellt hatte, im Unterauftrag die Beratungsfirma Roland Berger zum Zuge gekommen, so das Wirtschaftsmagazin. Für ein Projekt zur Personalstrategie der Bundeswehr mit einem Volumen von rund zwei Millionen Euro im selben Jahr habe die PD als Unterauftragnehmer die Boston Consulting Group eingeschaltet, heißt es in der Vorab-Meldung weiter. Capital: „Wie hoch die Anteile der Subunternehmer in diesen Fällen waren, wollten auf Anfrage weder das Verteidigungsministerium noch die PD beziffern.“
Wie die Fachzeitschrift weiter berichtet, habe eine PD-Sprecherin auf Anfrage darauf verwiesen, dass die PD Rahmenverträge mit den Consultingfirmen McKinsey, Roland Berger und Boston Consulting Group abgeschlossen habe. Im Rahmen des geltenden Vergaberechts seien „Unterbeauftragungen unterschiedlicher Projektanteile möglich“.
Bei allen drei Aufträgen des Verteidigungsministeriums sei nach Darstellung der PD-Sprecherin unter den drei Rahmenvertragspartnern „ein Mini-Wettbewerb durchgeführt und dann der jeweilige Gewinner beauftragt“ worden. „Die PD bewegt sich ausschließlich in den Grenzen des gültigen Vergaberechts“, zitiert Capital die PD-Sprecherin.
Unser Bild zeigt einen Ausriss des Capital-Onlinebeitrages „Wehrressort verschweigt Bundestag heikle Berateraufträge“ vom 22. Januar 2020:
(Bildschirmfoto: Quelle Online-Portal des Wirtschaftsmagazins Capital;
Grafik und Bildmontage: mediakompakt)
Kleines Beitragsbild: Symbolbild „Parlament“ – Außenansicht des Reichstagsgebäudes, Sitz des Deutschen Bundestages. Die Aufnahme wurde am 2. Juni 2015 gemacht.
(Foto: Simone M. Neumann/Deutscher Bundestag)
Wenn AKK nicht mit ihrer Vorgängerin in einen Topf geworfen werden will, sollte sie diese Vorwürfe sofort klären und dafür sorgen, dass das Ministerium solche Spielchen unterlässt.