Rostock/Wilhelmshaven. Die Fregatte „Lübeck“ ist die letzte aktive Vertreterin der Bremen-Klasse der Deutschen Marine. Konzipiert und gebaut am Ende des Kalten Krieges, ist ihre Hauptfähigkeit die Uboot-Jagd in Nordsee und Nordatlantik. Dafür bekamen die Fregatte „Lübeck“ und ihre sieben Schwesterschiffe – erstmals in der Marine – Bordhubschrauber, heute ein Standard für alle Fregattenklassen. Das am 19. März 1990 in Dienst gestellte Kriegsschiff sollte eigentlich im Sommer 2018 aus dem aktiven Dienst verabschiedet werden. Enorme Verzögerungen bei der Bereitstellung der Nachfolgeschiffe der Klasse 125 führten jedoch dazu, dass die „Lübeck“ Anfang 2019 in Bremerhaven ein weiteres Mal überholt wurde, um länger in Nutzung bleiben zu können. Nach einem Bericht der Kieler Nachrichten vom 30. April 2019 investierte das Verteidigungsministerium damals rund 5,4 Millionen Euro zusätzlich in die Fregatte. So konnte die ursprünglich für 2018 vorgesehene Außerdienststellung um drei Jahre verschoben werden. Jetzt gab es noch einmal eine Terminverlängerung obendrauf …
Am 8. September gab der Inspekteur der Marine, Vizeadmiral Andreas Krause, im Kurznachrichtendienst Twitter bekannt: „Die Deutsche Marine ist seit vielen Jahren stark in Einsätzen, einsatzgleichen Verpflichtungen und Übungen gefordert und der vorgesehene Aufwuchs braucht seine Zeit. Deshalb werden wir die Fregatte ,Lübeck‘ ein weiteres Jahr bis zum 31. Dezember 2022 in Dienst halten.“
Nach der vom Ministerium im Jahr 2013 fixierten Planung für die Außerdienststellung der Einheiten der Bremen-Klasse (F122) sollte die „Lübeck“ als vorletztes Schiff der insgesamt acht Fregatten nur noch bis zum Sommer 2018 fahren. Als letztes Schiff der Klasse F122 sollte ursprünglich die „Augsburg“ aus dem Fahrbetrieb genommen werden. Zwar ist diese Fregatte tatsächlich am 18. Dezember 2019 in Wilhelmshaven feierlich außer Dienst gestellt worden, die „Lübeck“ aber ist immer noch auf den Weltmeeren unterwegs. Wir berichteten in der Vergangenheit mehrfach über das Schiff (etwa hier oder hier).
Zuletzt nahm die „Lübeck“ gemeinsam mit der Fregatte „Mecklenburg-Vorpommern“ und der Korvette „Erfurt“ vor der Küste Nordnorwegens am regelmäßig stattfindenden großen Flugkörperschießen unserer Marine teil. Die „Missile Firing Exercise 2020“ fand im Zeitraum 31. August bis 8. September statt. Die drei deutschen Kriegsschiffe verschossen dabei mehr als 30 gelenkte Raketen gegen Luft- und Seeziele und „ein Mehrfaches“ (so die Marine) an Artilleriegranaten gegen Landziele.
Das Landzielschießen (Naval Gunfire Support) übten die Schiffsbesatzungen dabei erstmalig gemeinsam mit dem Deutschen Heer. Bei der streitkräftegemeinsamen Feuerunterstützung arbeiteten Marinesoldaten und Artilleriebeobachter der Gebirgsjägerbrigade 23, sogenannte „Spotter“, eng zusammen. Die Gebirgsjäger lenkten dabei das Feuer der Schiffsgeschütze aus sicheren Beobachtungspositionen ins Ziel – die Schiffe richteten beim Naval Gunfire Support ihre Geschütze rein auf Anweisung der Heeressoldaten aus.
Die Fregatten „Lübeck“ und „Mecklenburg-Vorpommern“ sowie die Korvette „Erfurt“ sind inzwischen nach Beendigung der „Missile Firing Exercise“ wieder in ihren Heimatstützpunkte Wilhelmshaven und Warnemünde eingelaufen.
Die Fregatte „Lübeck“ und ihre inzwischen außer Dienst gestellten sieben Schwesterschiffe „Bremen“, „Niedersachsen“, „Rheinland-Pfalz“, „Emden“, „Köln“, „Karlsruhe“ und „Augsburg“ (siehe dazu auch unsere Infografik im Bildteil) haben sich nach 1990 in den Auslandseinsätzen nach Einschätzung der Marineführung hervorragend bewährt. Neben der Teilnahme an Manövern haben sie an Embargokontrollen, Evakuierungen, Piratenjagd und Seenotrettungen in Mittelmeer und Indischem Ozean teilgenommen.
Die kommenden Monate sehen für die Fregatte „Lübeck“ wieder größere Aufgaben vor. Ab Januar 2021 soll das Schiff einen der ständigen maritimen Reaktionsverbände der NATO (Standing NATO Groups) unterstützen. Abhängig von der weiteren Entwicklung der globalen Coronavirus-Pandemie könnte die „Lübeck“ zuvor im November zum militärpolitischen „Indian Ocean Naval Symposium“ (IONS) entsandt werden. Veranstaltungsort ist die Insel La Réunion, ein französisches Übersee-Département im Indischen Ozean.
Zunächst hätte das Symposium im Zeitraum 28. Juni bis 2. Juli 2020 stattfinden sollen. Die Marineführung hatte geplant, die Fregatte „Hamburg“ nach La Réunion zu entsenden (wir berichteten). Da viele Häfen in den Anrainerstaaten des Indischen Ozeans aber wegen der Corona-Krise nicht angelaufen werden konnten und können, wurde die Reise der „Hamburg“ letztendlich abgesagt.
Das Forum IONS, das nun auf den November verschoben worden ist, umfasst 23 Nationen (die dauerhaft Gebiete halten, die im Indischen Ozean anstoßen oder liegen) sowie neun Beobachternationen. Deutschland hat eine Beobachterrolle. Geleitet wird IONS von Frankreich.
Wer sich näher mit der Frage beschäftigen will, warum die Marine immer noch auf die Fregatte „Lübeck“ baut, sollte auch im ministeriellen „Bericht zur materiellen Einsatzbereitschaft der Hauptwaffensysteme der Bundeswehr I/2020“ vom 9. Juni – öffentlich zugänglicher Teil – nachschlagen.
Dort schreibt der Inspekteur Marine unter anderem: „Zur Steigerung der Einsatzbereitschaft der Marine kommt der rechtzeitigen Auslieferung neuer Einheiten eine besondere Bedeutung zu. Dies gelingt allerdings bislang nur unzureichend. Die Folge davon ist, dass für die der Marine erteilten Aufträge nur ein begrenzter Instrumentenkoffer zur Verfügung steht und die zum Einsatz kommenden Seekriegsmittel einer noch höheren Abnutzung unterliegen.“
Weiter heißt es im Zustandsbericht: „Wegen der Verkleinerung der Flotte in den letzten Jahren liegt die Einsatzbelastung weiterhin oberhalb des ursprünglich technisch ausgelegten Nutzungsprofils der Einheiten. Daraus resultierte im Bereich der schwimmenden und fliegenden Fähigkeitsträger ein überproportionaler materieller Verschleiß. In Verbindung mit Herausforderungen bei der Bereitstellung von Instandsetzungskapazitäten und Ersatzteilen und beim pünktlichen Abschluss von Instandsetzungen, führte das im Betrachtungszeitraum ein weiteres Mal dazu, dass die materielle Einsatzbereitschaft noch nicht den gewünschten Zustand erreicht hat. Als Konsequenz werden Umplanungen in der Bereitstellung von Kräften für den Ausbildungs-, Übungs- und Einsatzbetrieb weiterhin nicht zu vermeiden sein. Die Last tragen regelmäßig die Besatzungen, für die der Dienst in der Flotte kaum langfristig planbar ist.“
Als Beispiel für die angespannte Einsatzlage nannte Marineinspekteur Krause die Fregatte „Lübeck“. Die Teilnahme am „Indian Ocean Naval Symposium“ auf der Insel La Réunion im November, die neue Krisenbewältigungsmission EU NAVFOR Med – Operation „Irini“ und die „mangelnde materielle Verfügbarkeit alternativer Plattformen (O-Ton Krause) mache für die „Lübeck“ und ihre Besatzung eine einschneidende Dienstplanänderung erforderlich. Obwohl vorgesehen sei, die Fregatte ab Januar kommenden Jahres einem der maritimen NATO-Einsatzverbände zu unterstellen, könne man dem Schiff und der Mannschaft jetzt keine „einsatzvorbereitende Ruhepause“ einräumen. Der Inspekteur erinnerte daran, dass sich die Einheit zuvor erst bis Ende April dieses Jahres im Einsatz an der Seite des französischen Flugzeugträgers „Charles de Gaulle“ befunden habe.
Vizeadmiral Andreas Krause kommt im Berichtsteil „Deutsche Marine“ zu dem beunruhigenden Schluss: „Zusammenfassend können die Zielvorgaben des Bundesministeriums der Verteidigung zur Teilnahme an Einsätzen und einsatzgleichen Verpflichtungen wiederum erreicht werden, insgesamt lebt die Marine aber seit längerem von der Substanz und konnte deshalb im Berichtszeitraum nur unter großen Kraftanstrengungen ihre materielle Einsatzbereitschaft auf dem erreichten Niveau stabilisieren.“
Darüberhinausgehende Vorhaben – etwa die Teilnahme an nationalen und multinationalen Übungen zur Stärkung der Fähigkeiten im Rahmen Landes- und Bündnisverteidigung – würden einer „oft nicht kompensierbaren Wechselwirkung zwischen Einsatzvorgaben, materiellem Klarstand und verfügbaren Kräften“ unterliegen, so Krause. Dies zwinge die Teilstreitkraft zur Priorisierung und führe gegebenenfalls auch zu Verdrängungseffekten zugunsten von Einsatzverpflichtungen. Der Inspekteur forderte: „Zur langfristigen Steigerung der materiellen Einsatzbereitschaft ist ein anhaltender und planbarer Modernisierungsprozess zwingend erforderlich.“
Zu unserem Bildangebot:
1. Das Hintergrundbild unserer Infografik zeigt die Hafenanlagen der deutschen Marine in Wilhelmshaven, Heimat des 4. Fregattengeschwaders.
(Foto: Martina Nolte; Infografik © mediakompakt 09.20)
2. Die „Lübeck“ am 23. November 2014 im Golf von Aden. Die deutsche Fregatte nahm zu diesem Zeitpunkt an der Anti-Piraterie-Mission „Atalanta“ am Horn von Afrika teil. Im Golf von Aden wurde die „Lübeck“ vom australischen Tanker „Success“ mit Treibstoff versorgt. Ein Besatzungsmitglied der HMAS „Success“ machte dabei die Aufnahme vom Bug des deutschen Kriegsschiffes.
(Foto: Jake Badior/Royal Australian Navy)
Kleines Beitragsbild: Die Fregatte „Lübeck“ auf hoher See.
(Foto: Deutsche Marine)