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Calw/Berlin. Beim Kommando Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr werden „massenweise Munition und Sprengstoff“ – so beschrieb es am 1. Juli der SPIEGEL – vermisst. Der Verlust war im Zuge von Ermittlungen nach etlichen rechtsextremistischen Vorfällen im Eliteverband festgestellt worden. Ungeklärt sind bis jetzt der Verbleib von Zehntausenden Schuss Munition und 62 Kilogramm Sprengstoff. Bis heute nicht hinreichend geklärt werden konnte auch die Frage, wie eine zweistellige Zahl an Waffen sowie rund 55.000 Schuss Munition in die Hände eines früheren SEK-Polizisten aus Mecklenburg-Vorpommern gelangen konnte. Die Munition stammte unter anderem von Polizeibehörden in mindestens sieben Bundesländern, von der Bundespolizeieinheit GSG 9, vom Zoll und auch von der Bundeswehr. Glaubt man der Bundesregierung, dann sind zumindest bei der Bundeswehr Waffen- und Munitionsverluste in dieser Größenordnung eigentlich undenkbar.

Der frühere Angehörige eines Polizei-Spezialeinsatzkommandos, der vor dem Polizeidienst laut Medieninformationen Fernspäher und Fallschirmspringer bei der Bundeswehr gewesen war, geriet 2017 und 2019 ins Visier der Fahnder. Bei Razzien wurden in jenen Jahren im Haus von Marko G. das gefährliche Material gefunden. Marko G. war zudem Administrator einer rund 30-köpfigen Prepper-Gruppe namens „Nordkreuz“.

Gegen zwei Beschuldigte der mutmaßlich rechtsterroristischen „Prepper-Gemeinschaft Deutschland Nordkreuz“, die aus Mecklenburg-Vorpommern stammen, führt der Generalbundesanwalt seit dem 15. August 2017 ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat (siehe auch hier).

Die Gruppe „Nordkreuz“ ist nach fester Überzeugung der Berliner taz-Redaktion „Teil des bundesweiten ,Hannibal‘-Netzwerks, eines Verbunds unter anderem aus Spezialkräften von Bundeswehr und Polizei, privaten Sicherheitsleuten und Behördenmitarbeitern“. Wie die taz, die sich immer wieder intensiv mit dem Thema „Rechte Netzwerke in Sicherheitsbehörden“ befasst, schreibt, wurden „etliche Mitglieder von Verfassungsschutzbehörden und dem Militärischen Abschirmdienst als Rechtsextremisten eingestuft“.

In den Jahren 1991 bis 1998 nicht einmal auf dem Schirm des MAD?

Wie aus einer Parallelwelt klingen dazu Auskünfte der Bundesregierung, die am 23. Juni vom Bundesinnenministerium auf eine Anfrage der Linken erteilt wurden. Christine Buchholz, Heike Hänsel, Tobias Pflüger und weitere Abgeordnete der Fraktion hatten Informationen zum Komplex „Munitionsverluste im Zusammenhang mit der ,Nordkreuz‘-Gruppe“ verlangt und sich dabei sicherlich mehr Aufklärung erhofft.

Dass in der zehnseitigen Regierungsantwort die Mehrzahl der Fragen mit diversen Hinweisen – wie beispielsweise auf „die berechtigten Interessen bei der Durchführung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens“, die „strikte Vertraulichkeit bei Inhalten von Personalakten“ oder auf „Gründe des Staatswohls“ – abgeblockt worden sind, dürfte nicht nur die Linken enttäuschen.

Immerhin erfahren wir über Marko G., dass dieser am 1. Januar 1991 in das aktive Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit in die Bundeswehr eingetreten war. Bis zum 30. September 1996 leistete er Dienst in der Fernspähkompanie 100 in Braunschweig/Celle in Niedersachsen. Im Zeitraum 1. Oktober 1996 bis zum 31. Dezember 1998 war er im Panzerbataillon 403 in Schwerin in Mecklenburg-Vorpommern eingesetzt. „Mangels eines Bezuges zum Panzergrenadierbataillon 421 in Brandenburg gab es keine Veranlassung, G. zum Verlust der Waffe zu befragen“, schreibt die Bundesregierung. Marko G. sei zudem während der Zuständigkeit des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) – also zwischen 1991 bis 1998, als er Dienst in der Bundeswehr geleistet hat – „nicht bearbeitet“ worden. Er sei daher vom MAD auch nicht als Rechtsextremist eingestuft worden. Aktuell liege G. keine Zuständigkeit des MAD vor, so die Regierung.

Ein System zur verzugslosen Meldung von Sicherheitsvorkommnissen

Eine erschöpfende Auskunft erhalten die Linken auf ihre Frage: „Welche Maßnahmen wurden ergriffen, um weitere Fälle von Munitionsdiebstahl zu verhindern?“ Es klingt nach heiler Welt …

Die Bundesregierung erklärt: „Nach den Vorschriften der Bundeswehr zu Verfahren der Munitionsbewirtschaftung sowie zu Verfahren und Verantwortlichkeiten bei der Schießausbildung werden in Lagern und in materialnachweispflichtigen Dienststellen bevorratete Munition und Munitionsbestände in festgelegten logistischen Verfahren urkundlich und physisch nachgewiesen und bewirtschaftet. Jede Bewegung auf den Bestandskonten der Lagereinrichtungen und Dienststellen wird mit Belegen dokumentiert.“

Im Sinne des „Mehr-Augen-Prinzips“ erfolge die „körperliche Verwaltung der Munition“ – beispielsweise Lagerung, Ausgabe, Rücknahme – sowie Nachweisführung durch unterschiedliches logistisches Fachpersonal. Im Rahmen der Schießausbildung in den Einheiten werde dann das aus den logistischen Verfahren bekannte „Mehr-Augen-Prinzip“ fortgeführt.

Die Regierung versichert: „Die Bundeswehr hat ein System zur verzugslosen Meldung von Sicherheitsvorkommnissen implementiert, mit dem auch Diebstähle von Munition zentral erfasst und nachvollzogen werden. Für das Absetzen dieser Meldungen sind die Leiter der betroffenen Dienststellen verantwortlich. Im Rahmen der Meldung von Munitionsdiebstählen als Sicherheitsvorkommnis ist durch die jeweils betroffene Dienststelle – soweit möglich – zu bewerten, wie es zu dem Diebstahl kommen konnte und welche Maßnahmen zur Aufklärung und zur künftigen Verhinderung solcher Vorkommnisse ergriffen wurden und noch werden.“

Darüber hinaus – so die Regierungsantwort abschließend – werde regelmäßig ein Bericht zur militärischen Sicherheitslage in der Bundeswehr herausgegeben. Mit diesem Bericht würden alle Dienststellen der Bundeswehr über zurückliegende Sicherheitsvorkommnisse unterrichtet und gegebenenfalls „Empfehlungen zur Schließung von Sicherheitslücken“ gegeben werden. „Damit sind über die unmittelbar betroffenen Dienststellen hinaus alle Teile der Bundeswehr informiert und sensibilisiert, um ähnlichen Vorkommnissen im eigenen Bereich präventiv entgegenwirken zu können.“

Dass sich Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer und Generalinspekteur Eberhard Zorn am 1. Juli in Berlin bei ihrer Pressekonferenz zur Zukunft des KSK auch „äußerst besorgt“ über die großen Lücken in den Munitions- und Sprengstoffbeständen des Kommandos zeigten, macht aus der Darstellung der Bundesregierung zur „Vermeidung von Munitionsdiebstahl“ doch eine ziemliche Schönfärberei (siehe auch hier).


Unser Symbolbild „Bundeswehr-Munition“, entstanden am 23. Juli 2019 bei einem Schießlehrgang in Hammelburg, zeigt einen Munitionsgurt für das Maschinengewehr MG5.
(Foto: Jana Neumann/Bundeswehr)


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