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Berlin. Der Verlust von Handfeuerwaffen und Munition bei der Bundeswehr ist immer wieder Gegenstand von Medienberichten. Müssen wir uns sorgen? Am Mittwoch (15. April) berichtete das ZDF in seinem Dokumentations- und Reportageformat ZDFzoom über Planungen rechtsextremer Sicherheitskräfte für einen Umsturz in Deutschland. Autor Dirk Laabs zeigte in seinem Beitrag „Angriff von innen“, dass die Planungen weiter gediehen waren als bisher bekannt. So seien für den „Tag X“ unter anderem „illegal Munition beiseite geschafft, Waffen gehortet und ganz konkrete Pläne geschmiedet“ worden.

Im Juni vergangenen Jahres sind in Mecklenburg-Vorpommern mehrere aktive und ehemalige Spezialkräfte der Polizei verhaftet worden. Ein zentraler Vorwurf: Die Gruppe soll einem der Beschuldigten in großer Menge Munition besorgt haben, Teile davon illegal. Bei dem mutmaßlichen Kopf der Gruppe, einem suspendierten SEK-Mitglied der Polizei Mecklenburg-Vorpommern, hatten die Ermittler nicht nur Zehntausende Schuss Munition, sondern auch eine bei der Bundespolizei entwendete Maschinenpistole gefunden. ZDFzoom-Recherchen belegen nun: Die Munition gehörte Bundeswehr- und Polizei-Spezialeinheiten in ganz Deutschland. Rund 1200 Schuss stammen allein aus Nordrhein-Westfalen. Aber auch Munition, die ursprünglich nach Bayern gehörte, wurde in Mecklenburg-Vorpommern entdeckt.

Florian Ritter, SPD-Abgeordneter im Bayerischen Landtag, sagte im Interview mit dem ZDF: „Wir haben es hier mit einer terroristischen Struktur zu tun. Und wenn es hier Munitionsflüsse gibt oder Waffenflüsse aus deutschen Behörden, bayerischen Behörden in solche Strukturen rein, dann muss man natürlich da ganz massiv hinterher sein, um diese Strukturen aufzudecken.“

Zu den neuen Erkenntnissen wollten sich – so beklagt es das ZDF – weder Bundesinnenminister Horst Seehofer noch Sprecher der diversen bundesdeutschen Sicherheitsbehörden äußern.

Militärischer Abschirmdienst untersucht Extremismusbezüge

Offizielles Schweigen auch bei Anfragen der Bundestagsfraktion der Linken zum Thema „Munitions- und Waffendiebstähle beziehungsweise Munitions- und Waffenverluste bei der Bundeswehr“. Weder bei der Kleinen Anfrage von Gökay Akbulut, André Hahn, Martina Renner und weiterer Abgeordneter der Linken am 22. August 2019 noch bei einer entsprechenden Nachfrage am 5. März dieses Jahres gab es erhellende Antworten, die direkt auch der Öffentlichkeit zugänglich gewesen wären.

Vielmehr teilte die Bundesregierung mit, dass Angaben zu Waffen- und Munitionsverlusten bei der Bundeswehr „aus Geheimhaltungsgründen“ nicht öffentlich bereitgestellt werden können. Die entsprechenden Angaben seien „im Hinblick auf das Staatswohl“ als Verschlusssache (VS) mit dem Geheimhaltungsgrad „VS – Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft worden und könnten von Berechtigten lediglich im Parlamentssekretariat eingesehen werden.

Aufschlussreich ist zumindest, dass die Bundesregierung bei der Anfrage der Linken vom September 2019 erklärte: „Grundsätzlich prüft der Militärische Abschirmdienst (MAD) bei Bekanntwerden von Munitions- oder Waffendiebstählen, ob beim MAD oder anderen Sicherheitsbehörden Erkenntnisse mit Extremismusbezug zu möglichen Tatverdächtigen vorliegen. Nach Bekanntwerden von Munitions- oder Waffendiebstahl ohne Tatverdächtige prüft der MAD, ob gegebenenfalls eigene aufgabenspezifische Hinweise im örtlichen Umfeld der Tat bekannt sind.“ Derzeit sei zu den entsprechenden Fällen „kein Extremismusbezug bekannt“. In der Antwort zur März-Nachfrage der Linken versichert die Bundesregierung ebenfalls: „[Es] konnte in den dem MAD bekannt gewordenen Fällen von Munitions- oder Waffendiebstahl aus Bundeswehrbeständen kein politischer Hintergrund im Sinne eines ,Extremismusbezuges‘ festgestellt werden.“

Zeitungen des RedaktionsNetzwerks Deutschland veröffentlichten Details

Dass der sorgsame Umgang mit Dienstwaffen und Munition nicht immer so sorgsam ist, wie er sein sollte, ist in der Vergangenheit auch bereits vom bundeswehr-journal dokumentiert worden. So hatten wir am 12. Mai 2018 über eine Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs beim Bundesminister des Innern Günter Krings berichtet, der damals bereitwillig Angaben zu Waffenverlusten bei der Bundespolizei und Bundeswehr machte (siehe hier).

Im September vergangenen Jahres ignorierten die Zeitungen des RedaktionsNetzwerks Deutschland (RND), der Zentralredaktion der Madsack-Mediengruppe, schlichtweg die Einstufung der Informationen zu Waffen- und Munitionsverlusten durch die Bundesregierung. Sie zitierten aus der als „VS – Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuften Auflistung aus dem Büro von Peter Tauber, dem Parlamentarischen Staatssekretär bei der Bundesministerin der Verteidigung. Dadurch wurde der Öffentlichkeit bekannt, dass die Bundeswehr „seit Anfang 2014“ insgesamt „39 Waffen, 39 Waffenteile und 19.445 Schuss Munition“ als Verlust hatte verbuchen müssen.

Dem Bericht des RND-Verbundes zufolge sollen später zwei Waffen, ein Waffenteil sowie 3474 Schuss Munition wieder aufgetaucht sein. Über die fehlende Bewaffnung hieß es im September 2019 im RND-Text: „Bei den nach wie vor verschwundenen Waffen und Waffenteilen handelt es sich unter anderem um sechs Maschinengewehre vom Typ MG3, elf Gewehre vom Typ G3, vier Gewehre vom Typ G36, sechs Signalpistolen sowie zwei Pistolen vom Typ P8. Zudem fehlen 30 Waffenrohre für Maschinengewehre vom Typ MG3.“


Randnotiz                                  

Bundeswehr und Polizei gehen offenbar nur halbherzig gegen rechtsextreme Verschwörer in den eigenen Reihen vor. Recherchen des ZDF konkretisieren die Gefahr, die von diesen Kräfte ausgeht. Sehen Sie dazu die ZDFzoom-Doko „Angriff von innen – die Umsturzpläne rechtsextremer Sicherheitskräfte“ von Dirk Laabs (Kamera: Felix Korfmann, Florian Lengert).
Erstausstrahlung der 28 Minuten langen Produktion war am 15. April 2020 ab 23 Uhr. Das Video ist bis 10. Mai 2021 in der ZDF-Mediathek verfügbar. Alle Angaben ohne Gewähr.


Unsere Symbolaufnahme zum Thema „Bundeswehr-Waffen“ zeigt Angehörige der Spezialisierten Einsatzkräfte Marine am 24. Oktober 2007 während einer Übung in der Nähe von Eckernförde.
(Foto: Carsten Heyng/Bundewehr)

Kleines Beitragsbild: Symbolaufnahme „Bundeswehr-Waffen“, entstanden am 31. Mai 2017 auf dem Standortübungsplatz Bodelsberg im Allgäu. Zu sehen sind Angehörige des Kommandos Spezialkräfte des Heeres kurz vor einer Lehrvorführung.
(Foto: Jana Neumann/Bundeswehr)


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