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Berlin/Karlsruhe. Seit gut zwei Jahren hat der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe eine Gruppe deutscher Prepper im Blick, die sich „Nordkreuz“ nennt. Gegen zwei Beschuldigte der mutmaßlich rechtsterroristischen „Prepper-Gemeinschaft Deutschland Nordkreuz“, die aus Mecklenburg-Vorpommern stammen, führt der Generalbundesanwalt seit dem 15. August 2017 ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat. Recherchen der taz zufolge gehören zu der rund 30 Personen umfassenden Gruppierung unter anderem auch Anwälte, Polizisten (darunter mehrere ehemalige sowie ein aktives Mitglied des Spezialeinsatzkommandos des Landeskriminalamtes Mecklenburg-Vorpommern), ein Kampfsportlehrer, Sportschützen sowie Reservisten der Bundeswehr. Die taz versichert belegen zu können, dass „Nordkreuz keine isolierte Gruppe und eingebettet in ein weit größeres Netzwerk [ist]“.

„Nordkreuz“ soll laut einem Medienbericht des RedaktionsNetzwerks Deutschland (RND), der Zentralredaktion der Madsack-Mediengruppe, politisch motivierte Morde in ganz Deutschland geplant haben. Die Gruppe habe auf ihren „Todeslisten“ Namen und Adressen von politischen Gegnern bundesweit gesammelt, so das RND unter Verweis auf Vernehmungsprotokolle des Bundeskriminalamtes. Demnach geht die Bundesanwaltschaft davon aus, dass die Rechtsextremisten aus Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg nicht nur Personendaten aus ihren Regionen sammelten.

Politiker in Bund und Land fordern jetzt „ernste Konsequenzen“. „Die neuen, schrecklichen Details über die rechtsextreme Gruppe ,Nordkreuz‘ müssen alle wachrütteln“, sagte SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil der taz. Der Staat sei den Personen, die auf den Feindeslisten stehen, eine lückenlose Aufklärung schuldig. Gerade mögliche Verbindungen in die Polizei, zu Reservisten und in die AfD müssten aufgedeckt werden. Der Sozialdemokrat forderte: „Schluss mit den Einzeltäter-Theorien – rechte Terrornetzwerke müssen ausgetrocknet werden.“

Zentraler Tagesordnungspunkt der nächsten Innenministerkonferenz

Zwei Männer der „Nordkreuz“-Gruppe, ein Anwalt und ein Kriminalpolizist, sollen geplant haben, an einem „Tag X“ politische Gegner zu töten und dafür Listen angelegt haben. Der Generalbundesanwalt ermittelt wegen „Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat“. Parallel wird gegen den Leiter der „Nordkreuz“-Gruppe und drei weitere aktive und ehemalige Beamte des Spezialeinsatzkommandos (SEK) wegen gestohlener Munition ermittelt. Insgesamt horteten die Männer mindestens 60.000 Schuss.

Bundesinnenminister Horst Seehofer plant nach taz-Informationen, das Thema „Rechte Netzwerke“ auf die Tagesordnung der nächsten Innenministerkonferenz zu setzen, die Anfang Dezember stattfindet. Zudem beschäftigt sich seit kurzem eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe der Verfassungsschutzämter mit Rechtsextremisten in Behörden.

Nach Jahren des Relativierens nun endlich entschlossen agieren

Konstantin von Notz, Stellvertretender Fraktionsvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag, fordert Hilfsangebote für mutmaßlich Betroffene – koordiniert vom Bund. „Nach Jahren des Relativierens müssen die Behörden jetzt transparent und entschlossen agieren“, sagte von Notz zur taz. „Der Mord an Regierungspräsident Walter Lübcke, mehrere Verfahren gegen rechtsterroristische Strukturen und die hohe Waffenaffinität dieser Kreise sollten uns alle alarmieren.“

Nach taz-Recherchen stammt der Großteil der sichergestellten Daten aus dem Hack eines Versandhandels. Zusätzlich haben die beiden Terrorverdächtigen zu einer dreistelligen Zahl an Personen Daten gesammelt. Bei 29 von ihnen wurden Informationen ergänzt, die mutmaßlich aus einem Polizeisystem stammen: Adressen und Geburtsdaten, aber auch ein Wohnungsgrundriss, den der Staatsschutz Jahre zuvor angefertigt hatte.

Ohne Wenn und Aber – jetzt alle Informationen auf den Tisch

Der FDP-Innenpolitiker Benjamin Strasser verlangt, dass der Innenausschuss des Bundestages endlich ordentlich zu „Nordkreuz“ und zu Zusammenhängen mit anderen Prepper-Chatgruppen informiert werden müsse. „Seit Monaten verweist die Bundesregierung entweder auf Nichtwissen oder versteckt sich hinter den Ermittlungen des Generalbundesanwalts“, sagte Strasser zur taz. „Das kann nicht so weitergehen.“

Auch in Mecklenburg-Vorpommern kritisieren Politiker den Umgang mit dem „Nordkreuz“-Fall. Für den SPD-Abgeordneten Dirk Friedriszik, der in Schwerin im Innenausschuss sitzt und lange Berufssoldat war, ist das Problem „viel größer und umfangreicher als wir jetzt sehen“. Von CDU-Innenminister Lorenz Caffier verlangt er: „Es muss jetzt alles auf den Tisch, ohne Wenn und Aber, ohne Rücksicht auf etwaige Parteikollegen.“


Unsere Aufnahme zeigt das T-Shirt eines Neonazis mit provokanter Gestaltung.
(Bild: nr)

Kleines Beitragsbild: Symbolfoto „Gegen Rechtsextremismus“.
(Bild: nr)


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