New York/Köln. Laut UNICEF, dem Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, hat sich die Zahl der nachgewiesenen Angriffe auf Kinder seit 2010 verdreifacht. In Krisen- und Kriegsgebieten wurden bisher rund 170.000 schwere Kinderrechtsverletzungen registriert – das entspricht mehr als 45 Vorfällen pro Tag in den vergangenen zehn Jahren. Diese Zahlen gab UNICEF am heutigen Sonntagabend (29. Dezember) bekannt.
Die Zahl der Länder, die unter Konflikten leiden, ist seit der Verabschiedung der Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen im Jahr 1989 auf dem höchsten Stand. In Dutzenden gewaltsamen Auseinandersetzungen werden Kinder und Jugendliche getötet oder verletzt. Viele werden aus ihrer Heimat vertrieben.
„Auf der ganzen Welt dauern Konflikte heute länger an, verursachen mehr Blutvergießen und fordern mehr junge Menschenleben“, erklärte jetzt in New York UNICEF-Exekutivdirektorin Henrietta H. Fore. „Die Angriffe auf Kinder gehen unvermindert weiter, weil Konfliktparteien eine der Grundregeln des Krieges missachten: den Schutz von Kindern. Auf jede Gewalttat gegen Kinder, die Schlagzeilen macht und über die wir uns empören, kommen viele weitere, über die nicht berichtet wird.“
2018 haben die Vereinten Nationen mehr als 24.000 schwere Kinderrechtsverletzungen dokumentiert (siehe auch hier). Dazu gehören die Tötung und Verstümmelung von Kindern, sexuelle Gewalt gegen Kinder, Entführungen, der verweigerte Zugang zu humanitärer Hilfe, die Rekrutierung und der Einsatz von Kindern beim Militär und in bewaffneten Gruppen sowie Angriffe auf Schulen und Krankenhäuser. Obwohl die Maßnahmen zur Beobachtung und Dokumentation von schweren Kinderrechtsverletzungen verstärkt worden sind, ist die Zahl der Opfer heute mehr als zweieinhalb Mal so hoch wie im Jahr 2010.
2018 kamen mehr als 12.000 Kinder ums Leben oder erlitten schwere und schwerste Verletzungen. Verantwortlich dafür waren Luftangriffe, der Einsatz von Sprengwaffen wie Landminen, Mörser oder selbstgebaute Sprengkörper, außerdem Raketenangriffe, Artilleriebeschuss und immer wieder Streumunition.
Auch im Jahr 2019 ließen die Angriffe und die Gewalt gegen Kinder nicht nach. Allein in der ersten Jahreshälfte konnten die Vereinten Nationen rund 10.000 schwere Kinderrechtsverletzungen nachweisen. Die Weltorganisation vermutet, dass die Dunkelziffer deutlich höher ist. In einem Rückblick auf das in wenigen Stunden endende Jahr erinnert uns UNICEF an das unmenschliche Schicksal vieler unschuldiger Jungen und Mädchen:
Januar: In Nord- und Ostsyrien starben durch Gewalt, Vertreibung und extrem harte Wetterbedingungen mindestens 32 Kinder.
Februar: Im Osten der Demokratischen Republik Kongo kam es zu mehreren gewalttätigen Übergriffen auf Ebola-Behandlungszentren. Immer wieder werden solche Einrichtungen angegriffen.
März: Mehr als 150 Menschen, darunter 85 Kinder, starben bei dem Angriff einer bewaffneten Gruppe in Mali auf das Dorf Ogossagou in der Zentralregion Mopti. Bei einem anderen Angriff auf Sobanou-Kou kamen weitere 24 Kinder ums Leben.
April: Bei einer Explosion in der Nähe von zwei Schulen in Sanaa in Jemen wurden 14 Kinder getötet und 16 weitere schwer verletzt. Im Jemen kann jede fünfte Schule infolge des Konflikts nicht mehr genutzt werden.
Mai: Nach wie vor leben etwa 28.000 ausländische Kinder aus mehr als 60 verschiedenen Ländern – darunter fast 20.000 Kinder aus dem Irak – im Nordosten Syriens. Im gleichen Monat wurde berichtet, dass im Rakhaing-Staat in Myanmar Kinder bei der Eskalation von Gewalt getötet und verletzt wurden.
Juni: In dem Dorf Konduga im Nordosten Nigerias im Bundesstaat Borno wurden drei Kinder als Sprengstoffattentäter in den Tod geschickt. Bei dem Anschlag während der Übertragung eines Fußballspiels starben 30 Menschen, 48 wurden verletzt. Berichten zufolge wurden in den ersten beiden Juniwochen rund 20 Kinder bei Protesten im Sudan getötet und weitere 49 verletzt.
Juli: Zahlreiche Kinder wurden bei einer gewaltigen Explosion in der afghanischen Hauptstadt Kabul verletzt. Im gleichen Monat wurden 32 Kinder aus bewaffneten Oppositionsgruppen im nördlichen Südsudan freigelassen. UNICEF schätzt, dass in dieser Konfliktregion weiterhin Tausende Kinder von Streitkräften und bewaffneten Gruppen festgehalten werden.
August: An einem einzigen Wochenende wurden Berichten zufolge 44 Zivilisten bei Luftangriffen im Nordwesten Syriens getötet, darunter 16 Kinder und zwölf Frauen.
September: UNICEF berichtet, dass zwei Millionen Kinder im Jemen nicht zur Schule gehen können. Die Zahl beinhaltet fast eine halbe Million Kinder, die seit der Eskalation des Konflikts im März 2015 die Schule gänzlich abgebrochen haben.
Oktober: Bei einer Gewalteskalation im Nordosten Syriens wurden fünf Kinder getötet und 26 Kinder verletzt. In den ersten neun Monaten des Jahres 2019 starben demnach in Syrien 657 Kinder, 324 Kinder erlitten Verletzungen.
November: UNICEF gibt bekannt, dass nach drei Jahren Gewalt und Instabilität im Nord- und Südwesten Kameruns mehr als 855.000 Kinder nicht zur Schule gehen und 59.000 Jugendliche vertrieben wurden.
Dezember: Fünf Kinder starben bei einem bewaffneten Angriff auf eine Kirche in Burkina Faso. In der Ostukraine, wo fast eine halbe Million Kinder den Konflikt miterleben müssen, wurden im Jahr 2019 insgesamt 36 Angriffe auf Schulen gemeldet. Laut UNICEF wurden in Afghanistan in den ersten neun Monaten dieses Jahres täglich durchschnittlich neun Kinder getötet oder verstümmelt.
Unser Bildmaterial:
1. Kinder in Duma, der neuntgrößten Stadt Syriens. Hier tobten von Januar 2012 bis etwa März 2018 erbitterte Kämpfe zwischen verschiedenen islamistischen Gruppierungen und Regierungstruppen. Die Aufnahme wurde am 10. Dezember 2018 gemacht.
(Foto: Omar Sanadiki/UNICEF)
2. Jemen, Provinzhauptstadt al-Hudaida – ein verletztes Mädchen im örtlichen Krankenhaus. Die Hafenmetropole al- Hudaida gilt im Konflikt zwischen den Huthi-Milizen und den von Saudi-Arabien geführte Koalitionstruppen nach wie vor als gefährlichste Stadt des Landes. Das Bild wurde am 9. Juni 2018 im „Al-Thawra Hospital“ gemacht.
(Foto: Kamal Ayyashi/UNICEF)
Kleines Beitragsbild: 14. März 2018, zwei Mädchen im Süden Afghanistans. Zu sehen sind im Hintergrund die Hinterlassenschaften des Krieges.
(Foto: Celeste Hibbert/UNICEF)