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Calw/Berlin. Das Kommando Spezialkräfte (KSK), stationiert in der Graf-Zeppelin-Kaserne im baden-württembergischen Calw, sieht sich momentan mit dicken Negativschlagzeilen konfrontiert. Staatsanwaltschaften ermitteln derzeit in insgesamt sechs Verfahren gegen Angehörige der Spezialeinheit. Die Tatvorwürfe: Vergewaltigung, sexueller Missbrauch von Kindern, Misshandlung Untergebener, Körperverletzung, Landfriedensbruch, Betrug sowie das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen.

Dass die Öffentlichkeit nun Kenntnis von den Ermittlungsverfahren gegen KSK-Soldaten erhält, ist der Bundestagsabgeordneten Martina Renner zu verdanken. Die stellvertretende Parteivorsitzende der Linken, die unter anderem Obfrau ihrer Fraktion im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum Anschlag auf dem Berliner Breitscheidplatz ist, hatte sich bei der Bundesregierung mit einer „Mündlichen Frage“ zur Anzahl der Verfahren gegen Angehörige des Kommandos erkundigt.

Ihre Frage beantwortete am vergangenen Mittwoch (28. November) in der Fragestunde der 67. Sitzung des Deutschen Bundestages Thomas Silberhorn, Parlamentarischer Staatssekretär bei der Bundesministerin der Verteidigung. Er gab zu Protokoll: „Nach Kenntnis der Bundesregierung werden derzeit gegen dem Kommando Spezialkräfte angehörende […] Soldaten insgesamt sechs Ermittlungsverfahren geführt.“

Der Großverband „Kommando Spezialkräfte“ untersteht truppendienstlich der Division Schnelle Kräfte, die ihren Sitz im hessischen Stadtallendorf hat. Die KSK-Einsatzschwerpunkte sind unter anderem Aufklärung, Terrorismusbekämpfung, Rettung, Evakuierung und Bergung, Kommandokriegsführung und Militärberatung (die Spezialeinheit, die wie ihre Operationen einer besonderen militärischen Geheimhaltung unterliegt, ist in der Vergangenheit bereits des Öfteren in die Negativschlagzeilen geraten – siehe unseren Beitrag vom 17. August 2017).

Nur Einzelfälle oder doch besorgniserregende Tendenzen?

Nach Auskunft des Staatssekretärs lauten die konkreten strafrechtlichen Tatvorwürfe dieser Ermittlungsverfahren wie folgt:
Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen;
Vergewaltigung;
sexueller Missbrauch von Kindern und Besitz von kinder- und jugendpornografischen Schriften sowie Abruf kinder- und jugendpornografischer Inhalte mittels Telemedien;
Misshandlung Untergebener;
besonders schwerer Fall des Landfriedensbruchs sowie Körperverletzung;
gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr sowie Abrechnungsbetrug.

Wie Silberhorn weiter darlegte, ist das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft in zwei weiteren Fällen abgeschlossen, eine gerichtliche Entscheidung stehe jedoch noch aus. In einem dieser Fälle sei der Erlass eines Strafbefehls beantragt, im anderen Fall Anklage erhoben worden. „Die Tatvorwürfe lauten in beiden Fällen: Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen; die beiden Fälle stehen allerdings in keinem inhaltlichen Zusammenhang zueinander“, so Silberhorn abschließend.

Konkrete Hinweise auf ein rechtes Netzwerk innerhalb der Sicherheitskräfte

Neben diesen Delikten steht der Verdacht im Raum, Angehörige der Elitetruppe KSK könnten sich einem bundesweiten Netzwerk angeschlossen haben, das verfassungsfeindliche Ziele verfolgt. Wie die taz am 16. November nach mehrmonatigen Recherchen berichtet hatte, sollen sich „Soldaten, Polizisten und selbst Mitarbeiter des Verfassungsschutzes in Chatgruppen zu einem rechten Netzwerk zusammengeschlossen haben und an einem bewaffneten Umsturz arbeiten“. Das Nachrichtenmagazin FOCUS hat das Lagebild der „rechtsradikale Kräfte, [die] sich sogar zu einer Art Schattenarmee zusammengeschlossen haben könnten, die Waffen hortet und sich auf schwere Gewalttaten für einen ,Tag X‘ vorbereitet“ inzwischen ergänzen können.

Die deutsche Medienlandschaft reagiert bis jetzt äußerst zurückhaltend auf die – sollten sie denn stimmen – alarmierenden Erkenntnisse der Rechercheteams von taz und FOCUS. Aus der Politik gibt es allerdings erste sorgenvolle Stimmen, die der Berliner Tagesspiegel am gestrigen Montag (3. Dezember) gesammelt hat.

So versicherte CDU-Politiker Henning Otte, verteidigungspolitischer Sprecher der Unionsfraktion: „Klar ist, dass es für Extremisten oder Straftäter keinen Platz in der Bundeswehr gibt. Wo sich in Einzelfällen solche Vorkommnisse bestätigen, wird dem streng entgegengetreten.“

Fritz Felgentreu, Obmann der SPD im Verteidigungsausschuss, kritisierte die bisherigen Antworten der Sicherheitsbehörden und des Ministeriums zum Thema „rechtes Netzwerk“ als zu vage. Der Politiker erklärte: „Es geht hier nicht um einzelne justiziable Vorwürfe, sondern um die Frage, ob sich in Teilen von Armee, Diensten, Polizei und Justiz eine Denkungsart festsetzen kann, die mit den Werten des Grundgesetzes nichts zu tun hat.“

Die Verteidigungsexpertin von Bündnis 90/Die Grünen Agnieszka Brugger sagte: „Es häufen sich höchst beunruhigende Hinweise darauf, dass auch Feinde der Demokratie in der Bundeswehr an der Waffe ausgebildet werden könnten“. Gerade bei einer Eliteeinheit wie dem KSK müssten solche Vorwürfe „hart und schnell“ aufgeklärt werden. Stattdessen verliere sich das Verteidigungsministerium in juristischer Haarspalterei über die genaue Definition eines rechten Netzwerkes.

Der Verteidigungsexperte der Linken, Alexander S. Neu, gab zu bedenken: „Insbesondere das KSK scheint den einen oder anderen Menschen mit ausgeprägten archaischen Charakterzügen anzuziehen. Das BMVg und in der Bundeswehrhierarchie scheint es zudem sehr viel Nachsicht mit der Elitetruppe zu geben. Das ist eine gefährliche Kombination.“

Mitglieder des Verteidigungsausschusses wollen umfassend informiert werden

Der Wehrbeauftragte des Bundestages, Hans-Peter Bartels, zeigt sich besorgt über ein mögliches rechtes Netzwerk in der Bundeswehr. Gegenüber der Süddeutschen Zeitung riet er: „Es ist erforderlich, genau hinzuschauen. Wir leben in Zeiten terroristischer Bedrohungen und erleben ja in der ganzen Gesellschaft einen gewissen Trend zum Extremen. Man kann nicht vorsichtig genug sein, auch in der Bundeswehr.“ Die Sensibilität bei den Soldaten sei hoch, versicherte Bartels. „Sie melden durchaus, wenn ihnen extremistische Verhaltensweisen auffallen. Das ist gut.“

Am 28. November befassten sich die Mitglieder des Verteidigungsausschusses des Bundestages unter dem Tagesordnungspunkt 12 mit den „Medienberichten über rechte Netzwerke in der Bundeswehr“. Die Obleute der im Ausschuss vertretenen Fraktionen machten deutlich, dass sie zu diesem Thema „umfassend informiert“ werden wollen.

Nach Einschätzung des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) gibt es in der Bundeswehr keine Hinweise auf solch ein „gewaltbereites, extremistisches Netzwerk“. MAD-Chef Christof Gramm hatte Tage zuvor, am 16. November, von einem „diffusen Bedrohungsbild“ gesprochen. Beim diesjährigen offenen Treffen im Bundestag mit dem Parlamentarischen Kontrollgremium hatte er darauf hingewiesen, dass die „neurechte Vielfalt samt ihrem intellektueller gewordenen Über- und Unterbau viel schwieriger in den Griff zu bekommen ist, als der Skinhead von einst“. Zu der Berichterstattung von taz und FOCUS sagte Gramm vor dem Kontrollgremium, es gebe „weder Hinweise noch Erkenntnisse“ auf ein Geflecht von Extremisten innerhalb der Bundeswehr.

Im Januar kommenden Jahres will sich der Verteidigungsausschuss von den deutschen Nachrichtendiensten erneut informieren lassen.


„Tag der Bundeswehr“ in Dresden – die Aufnahme vom 9. Juni 2018 entstand während einer Präsentation des Kommandos Spezialkräfte vor dem Militärhistorischen Museum.
(Foto: Christian Thiel/Bundeswehr)

Kleines Beitragsbild: Soldaten des Kommandos Spezialkräfte beim „Tag der Bundeswehr 2018“ in Dresden.
(Foto: Christian Thiel/Bundeswehr)

 


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