Düsseldorf/Berlin. Ein 27 Jahre alter Stabsunteroffizier aus Solingen war von der Bundeswehr zum 30. November 2013 wegen dreier Dienstvergehen mit rechtsextremistischem Bezug entlassen worden. Dagegen hatte der frühere Zeitsoldat, der sogar für die Laufbahn der Feldwebel des Allgemeinen Fachdienstes zugelassen gewesen war, vor dem Verwaltungsgericht in Düsseldorf geklagt. Wie die zehnte Kammer des Gerichts, die unter anderem für Soldatenrecht zuständig ist, nun am heutigen Mittwoch (25. Januar) entschied, war die Entlassung rechtmäßig. Die Anrede anderer Soldaten als „Juden“, das Anfertigen eines Hakenkreuzes mit Kabelbindern im Unterricht sowie die Bezeichnung eines dunkelhäutigen zivilen Auszubildenden als „Nigger“ rechtfertigten die Entlassung aus dem Soldatenverhältnis auf Zeit, erklärte Verwaltungsrichter Dr. Robert Bach in seiner Urteilsbegründung.
Ein Zeuge sagte laut BILD-Zeitung bei der Verhandlung über den Solinger Kläger: „Es fing mit kleinen Äußerungen an, die ausländerfeindlich waren.“ Aus seiner Gesinnung habe der entlassene Stabsunteroffizier insgesamt keinen großen Hehl gemacht. So habe er beispielsweise über seinem Bett eine Deutschlandkarte gehabt, auf der „alle Morde der NSU eingezeichnet“ waren (Anm.: Der rechtsextremen terroristischen Vereinigung „Nationalsozialistischer Untergrund“ – kurz NSU – gehörten nach den Ermittlungsergebnissen der Bundesanwaltschaft Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe an; von der NSU wurden mutmaßlich zehn Menschen ermordet.)
Der Kläger habe zudem im Dienst mehrfach das Wort „Jude“ in der Absicht verwendet, andere Soldaten zu beschimpfen. Während eines Ausbildungsabschnitts habe er im Unterricht aus Kabelbindern ein Hakenkreuz gebastelt. Ferner habe er im Sommer 2011 in der Ausbildungswerkstatt einen Kameraden aufgefordert, dieser solle zu einem zivilen Auszubildenden einer anderen Klasse den Satz „Hey, Nigger, komm mal rüber, die Herrenrasse hat einen Auftrag für dich“ sagen.
Als das rechtsradikale Verhalten beim Kompaniefeldwebel bekannt geworden sei, habe die Bundeswehr umgehend reagiert und den Zeitsoldaten zum 30. November 2013 – vier Monate vor Ende seiner Vertragszeit – entlassen.
Es trifft sich gut, dass der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, Hans-Peter Bartels, gerade erst seinen neuesten „Jahresbericht 2016“ präsentiert hat. In dem am Montag (23. Januar) an Bundestagspräsident Norbert Lammert übergebenem Dokument erinnert Bartels noch einmal daran, dass die Truppe gegen Extremismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit in den eigenen Reihen konsequent vorgehen sollte. Denn: „Die Bundeswehr ist als Parlamentsarmee in die Werte- und Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland fest eingebunden. Daher besteht für alle Soldatinnen und Soldaten […] die Pflicht, für die im Grundgesetz verankerte freiheitliche demokratische Grundordnung einzutreten.“
Bereits der Anschein, dass ein Bundeswehrangehöriger eine verfassungsfeindliche Gesinnung vertrete oder extremistische Bestrebungen verharmlose, stelle einen Verstoß gegen diese soldatische Kernpflicht dar, warnt der Wehrbeauftragte. Derartige Vorkommnisse würden von den Streitkräften nach den geltenden Regelungen als „meldepflichtige Ereignisse mit Verdacht auf Extremismus oder Verstoß gegen die Grundsätze der freiheitlich-demokratischen Grundordnung“ mitgeteilt und von seinem Amt mit besonderer Sorgfalt ausgewertet (siehe auch hier).
Für die zehnte Kammer des Düsseldorfer Verwaltungsgerichts stand nach der Vernehmung weiterer Zeugen fest, dass die vom Kläger weitgehend bestrittenen Vorwürfe zutreffen. Auch wenn die Verwendung des Wortes „Jude“ nicht in Beleidigungsabsicht erfolgt sein sollte, lasse es der Kläger jedenfalls an einem sensiblen Umgang mit der deutschen Geschichte fehlen, heißt es in einer abschließenden Presseerklärung des Gerichts. Zusammen mit den beiden anderen Vorfällen habe die Beklagte [Anm.: die Bundeswehr] die Vorwürfe zu Recht als Dienstvergehen bewertet und die Schlussfolgerung der fehlenden charakterlichen Eignung des Klägers gezogen. Den Entlassungsbescheid habe das Gericht deshalb als rechtmäßig angesehen.
Verwaltungsrichter Robert Bach folgte demnach dem Antrag der Bundeswehr und wies die Klage des früheren Zeitsoldaten, der ein Streitwert rund 13.000 Euro zugrunde lag, ab. Gegen das Urteil ist der Antrag auf Zulassung der Berufung beim Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster möglich.
Was an diesem Fall so nachdenklich stimmt, ist die Tatsache, dass es offenbar doch länger dauerte, bis Vorgesetzte des 27-jährigen Unteroffiziers dessen „fehlende charakterliche Eignung“ aktenkundig machten. Immerhin hätte es der Mann fast bis in die Feldwebellaufbahn geschafft. Hätten nicht spätestens bei Entdeckung einer Deutschlandkarte mit NSU-Tatorten alle Alarmglocken schrillen müssen?
Nach den Angaben des Wehrbeauftragten hat es bei der Bundeswehr im Berichtsjahr 2016 insgesamt 63 „meldepflichtige Ereignisse mit Verdacht auf Extremismus oder Verstoß gegen die Grundsätze der freiheitlich-demokratischen Grundordnung“ gegeben. In den beiden Berichtsjahren zuvor waren es 63 (2014) und 57 (2015) Meldungen gewesen.
Im Berichtsjahr 2016 konnten bei 21 Meldungen die Ermittlungen bereits abgeschlossen werden. In sieben Verdachtsfällen konnten keine Dienstvergehen nachgewiesen oder keine Bundeswehrangehörige als Täter festgestellt werden.
Mit einer Änderung des Soldatengesetzes und des MAD-Gesetzes soll künftig verhindert werden, dass Extremisten Zugang zur Bundeswehr erhalten und an der militärischen Ausbildung teilnehmen (wir berichteten). Geplant ist, dass sich ab 1. Juli dieses Jahres alle Bewerber einer einfachen Sicherheitsüberprüfung nach dem Sicherheitsüberprüfungsgesetz unterziehen müssen, wenn durch ein Karrierecenter oder das Assessmentcenter für Führungskräfte der Bundeswehr beabsichtigt ist, diese Personen erstmalig in ein Dienstverhältnis zu berufen.
Dies gilt ebenso für Frauen und Männer, die freiwillig Wehrdienst leisten wollen und für Ungediente, die in ein Reservewehrdienstverhältnis berufen werden. Das Amt für den Militärischen Abschirmdienst (MAD) soll bei den jährlich prognostizierten 20.000 neuen Sicherheitsüberprüfungen mitwirken.
Unsere Aufnahme zeigt eine Innenansicht des Verwaltungsgerichts im Düsseldorfer Stahlhof-Gebäude.
(Foto: Verwaltungsgericht Düsseldorf)