Berlin. Die Einflussmöglichkeiten der soldatischen Interessenvertretungen sollen gestärkt werden. Dies sieht ein Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Soldatenbeteiligungsgesetzes vor. Konkret sollen die Ende 2012 in der Übergangsphase der Neuausrichtung der Bundeswehr untergesetzlich eingerichteten Vertrauenspersonenausschüsse bei den Kommandos der militärischen Organisationsbereiche nun gesetzlich verankert werden. Zudem sollen die Vertrauenspersonen durch eine „maßvolle Erweiterung“ ihrer Beteiligungsrechte in qualitativer und quantitativer Hinsicht gestärkt werden. Ebenso soll ihre Amtszeit verlängert werden. Das Parlament beriet am vergangenen Donnerstag (12. Mai) erstmals über das „Gesetz zur Änderung soldatenbeteiligungs- und personalvertretungsrechtlicher Vorschriften“.
Das Soldatenbeteiligungsgesetz (SBG) soll erstmals seit fast zwanzig Jahren wieder novelliert werden. Die Bundesregierung begründet dies so: Das SBG „wird in seiner jetzigen Form den Anforderungen des veränderten, insbesondere einsatzbezogenen Aufgabenspektrums der Streitkräfte nicht mehr gerecht. Auch infolge der Neuorganisation des Geschäftsbereichs des Bundesministeriums der Verteidigung ist die Soldatenbeteiligung den neuen Strukturen anzupassen.“
Im Rahmen der Steigerung der Attraktivität der Bundeswehr als Arbeitgeber sei es außerdem zwingend erforderlich, die Einflussmöglichkeiten der soldatischen Interessenvertretungen zu stärken, so die Regierung weiter. Die Gesetzesanwendung habe in der Vergangenheit Abgrenzungsfragen bei der in den Streitkräften bewährten zweigleisigen Interessenwahrnehmung durch Vertrauenspersonen und durch Personalräte ergeben.
Ziel der Gesetzesnovellierung ist es, „die Stellung der Vertrauensperson insbesondere durch eine Erweiterung der Beteiligungstatbestände zu stärken, das Gesetz an die neu eingenommenen Organisationstrukturen anzupassen und in besonderen Verwendungen der Streitkräfte im Ausland anwendungssicher zu gestalten sowie die Regelungen zum Dualismus der Beteiligung zu präzisieren“.
Mit der Änderung des Paragrafen 86 des Bundespersonalvertretungsgesetzes sollen zudem Sonderregelungen für den Bundesnachrichtendienst im Personalvertretungsrecht abgeschafft werden. Dadurch soll die Einrichtung eines Gesamtpersonalrats ermöglicht sowie die Beteiligungsrechte von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden ausgeweitet werden.
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen erinnerte am Donnerstag zu Beginn der SBG-Beratung daran, dass die „grundlegende Neufassung“ des aus dem Jahr 1991 stammenden und zuletzt 1997 novellierten Soldatenbeteiligungsgesetzes sowie seine „Anpassung an die Realitäten des 21. Jahrhunderts“ im Koalitionsvertrag verankert seien.
Zu den zentralen Punkten des Gesetzentwurfes sagte sie: „Wir stärken die Position der Vertrauenspersonen. Wir verlängern ihre Amtszeit von zwei auf vier Jahre. Das fördert die Kontinuität. Wir verbessern die Ausstattung. Ich finde, wenn man gute Arbeit leisten möchte, dann muss auch das Material, mit dem man seine Arbeit verrichtet, gut sein. Wir führen eine Aufwandsentschädigung für freigestellte Mitglieder der Vertrauenspersonenausschüsse und Sprecher der Versammlungen neu ein. Der Versetzungsschutz wird weiterentwickelt. Es gibt ferner die Möglichkeit, neben Sprechstunden in Zukunft auch Versammlungen abzuhalten und sich weiterzubilden. Die Vertrauenspersonen sind genau die Scharniere zwischen Truppe und Dienstherr und müssen dementsprechend immer à jour sein.“
Zudem sollen die „Beteiligungstatbestände“ erweitert werden. So werde es in Zukunft ein Recht auf Mitbestimmung bei der Festlegung der regelmäßigen Arbeitszeit, bei Maßnahmen, die der Förderung von Dienst und Familie dienen, und bei Maßnahmen der Berufsförderung geben. Es werde darüber hinaus ein Recht auf Anhörung geben – etwa bei der Gestaltung der dienstlichen Unterkünfte oder bei Themen wie der Genehmigung von Telearbeit. Von der Leyen erinnerte daran: „Ein modernes Beteiligungsrecht kennzeichnet nicht zuletzt den Dienstherrn als modernen und attraktiven Arbeitgeber.“
Die von der Bundesregierung geplante Reform der Mitbestimmung in der Bundeswehr geht der Opposition nicht weit genug. Die verteidigungspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Christine Buchholz, forderte bei der ersten Bundestagslesung unter anderem, die Vertrauenspersonen in der Truppe besser vor Versetzungen zu schützen. Zudem warnte sie vor einer Aushebelung von Beteiligungsrechten im Auslandseinsatz.
Buchholz sagte: „Wir sind für die Verbesserung der Mitbestimmung. Die gesetzliche Verankerung der Vertrauenspersonenausschüsse scheint hierfür ein richtiger Schritt zu sein, ebenso die nunmehr garantierte Anwesenheit von Gewerkschaftsvertretern in einer Dienststelle. Aber wir sind mit der jetzt gegebenen Möglichkeit nicht einverstanden, dass Vertrauenspersonen unter Umständen versetzt werden können. Denn dadurch bekäme der Vorgesetzte wieder ein Druckmittel in die Hand, was dem auch im Gesetzentwurf niedergelegten Schutz der Vertrauensperson widerspricht.“
Mit Blick auf den Paragrafen 53 des Gesetzentwurfes („Die Ausübung von Beteiligungsrechten in besonderen Verwendungen im Ausland erfolgt unter Beachtung des Vorrangs der Auftragserfüllung der Streitkräfte und […] der Sicherheit der Soldatinnen und Soldaten nach Maßgabe dieses Gesetzes“) gab die Bundestagsabgeordnete der Linken zu bedenken: „Wie wollen Sie verhindern, dass die dazugewonnenen Rechte im Einsatz mit dem Verweis auf den Vorrang der Auftragserfüllung abgewimmelt werden? Wir befürchten, dass dieser Paragraf im Ernstfall ein Blankoscheck für die Aushebelung von Beteiligungsrechten werden kann.“
Doris Wagner (Bündnis 90/Die Grünen) gab zu bedenken, eine Verlängerung der Amtszeit von Vertrauenspersonen widerspreche den beruflichen Realitäten. Mit Blick auf Ministerin von der Leyen sagte sie: „Ich teile Ihre Meinung nicht, dass die Verlängerung der Amtszeit der Vertrauensperson von zwei auf vier Jahre ein guter Vorschlag ist. Solch eine lange Amtszeit widerspricht doch völlig den Realitäten des Dienstes, der ja geprägt ist von kurzen Standzeiten und ständigen Versetzungen.“
Die Vertreterin der Grünen forderte auch, dass künftig alle Disziplinarvorgesetzten an einer intensiven Schulung zum Thema „Soldatenbeteiligung“ am Zentrum Innere Führung teilnehmen müssten. „Machen Sie diesen Kurs […] doch einfach zum Pflichttor. Damit zeigen Sie allen Angehörigen der Bundeswehr, dass Innere Führung für Sie mehr als nur eine wohlklingende Floskel ist.“
Zwei der geplanten gesetzlichen Neuerungen halte sie für „besonders wichtig“, erklärte die Bundestagsabgeordnete. „Zum ersten Mal seit Gründung der Bundeswehr sollen die Vertrauenspersonen ausdrücklich die aktive Wach- und Kontrollfunktion einnehmen. Wir hätten damit dem Vorgesetzten gegenüber endlich einen umfassenden Anspruch auf Information und Unterrichtung. Das ist ein wirklicher Fortschritt.“ Zum Zweiten: „Die Regelungen, denen die Vertrauenspersonen zustimmen müssen, bevor sie in Kraft treten, werden deutlich ausgeweitet – beispielsweise Regelungen zur Verteilung der Arbeitszeit auf die Wochentage oder auch zur Berufsförderung.“
Die SPD-Politikerin Gabi Weber bezeichnete es bei der Debatte als „überfällig“, das Soldatenbeteiligungsgesetz „endlich an die Möglichkeiten anpassen, die die Beschäftigten im öffentlichen Dienst und in der privaten Wirtschaft bereits haben“.
Seit der letzten Novellierung des SBG hätten sich außerdem die Strukturen der Bundeswehr und ihre Aufgaben deutlich verändert. Weber: „Die Wehrpflicht wurde mittlerweile ausgesetzt, und die Aufgaben der Bundeswehr wurden vielfältiger. Militärisches und ziviles Personal arbeitet enger zusammen denn je. Das macht an manchen Stellen neue Regelungen notwendig. Der Einsatzbezug hat sich deutlich verstärkt. Besonders aber durch die Auslagerung von Aufgaben und damit auch von Personal in die Kommandos der militärischen Organisationsbereiche hat sich ein deutlicher Bedarf an erneuter Gesetzesanpassung ergeben.“
Den vorliegenden Regierungsentwurf bezeichnete die Sozialdemokratin „von der Aufteilung her klarer gefasst als vorher“. Damit würden jetzt bereits zuvor untergesetzlich vorgenommene Änderungen in Gesetzesform gegossen.
Ingo Gädechens (CDU) machte bei der ersten Lesung einmal mehr deutlich, dass Mitbestimmung gerade in einer soldatischen Welt mühsam sein kann. Mitbestimmung sei jedoch keine Schwäche, sondern sie könne – richtig angewandt – zu einer besonderen Stärke werden. „Dies gilt umso mehr, da die Bundeswehr nicht nur eine Armee von Befehl und Gehorsam ist; vielmehr genießt das Prinzip der Inneren Führung eine herausragende Bedeutung“, so der Obmann der CDU/CSU-Bundestagsfraktion im Verteidigungsausschuss.
Gädechens betonte auch: „Heute ist es nicht mehr begründbar, warum die personellen, dienstlichen oder sozialen Belange der Soldaten weniger wert sein sollen als die von Beamten oder Arbeitnehmern an ein und demselben Dienstort, in einer gemeinsamen Dienststelle. Es ist deshalb richtig, dass wir die Beteiligungsrechte der Soldatinnen und Soldaten in dem hier vorgelegten Gesetz von Grund auf neu aufgesetzt haben.“ Im Sinne eines gemeinsamen Selbstverständnisses sei es zudem auch äußerst wichtig, dass sich „die Angehörigen der Bundeswehr gleichberechtigt in den Vertretungsgremien mit einheitlichen Beteiligungsverfahren“ wiederfinden.
Der CDU-Politiker zeigte sich überzeugt davon, dass mit der beabsichtigten Novellierung „die demokratischen Grundrechte des Staatsbürgers in Uniform nicht nur gewahrt, sondern auch im Kern gestärkt“ würden. Das SBG präzisiere die Interessenwahrnehmung zwischen Vertrauenspersonen und Personalräten. Gädechens schloss: „Die bei den Kommandos der militärischen Organisationsbereiche eingerichteten Vertrauenspersonenausschüsse werden gesetzlich verankert. Durch die Erweiterung der Beteiligungstatbestände wird die Rolle der Vertrauenspersonen deutlich gestärkt. Ich denke, der hier vorliegende Gesetzentwurf wird dem formulierten Ziel, eine effiziente, funktionale und vernetzte soldatische Interessenvertretung auf allen Ebenen zu gewährleisten, mehr als gerecht.“
Florian Hahn, letzter Redner bei dieser ersten Parlamentsberatung über den Regierungsentwurf eines „Gesetzes zur Änderung soldatenbeteiligungs- und personalvertretungsrechtlicher Vorschriften“, thematisierte zunächst ebenfalls Grundsätzliches: „Die Schwierigkeit einer Soldatenbeteiligung liegt nun gerade darin, dass vor allem Befehl und Gehorsam ein notwendiges Prinzip des Militärs bleiben und eine klassische Mitbestimmung nicht vollumfänglich zu verwirklichen ist. Trotzdem glauben wir an die wichtige Rolle demokratischer Elemente auch in den Streitkräften.“ Die Soldatenbeteiligung ermögliche die Wahrnehmung demokratischer Rechte, ohne die militärische Hierarchie infrage zu stellen, sagte der CSU-Politiker. Auch im Truppenalltag müsse das demokratische Prinzip für Soldatinnen und Soldaten erfahrbar sein. Zugleich sei Beteiligung auch ein militärischer Führungsgrundsatz.
Aktuell seien drei dringende Anpassungen zu leisten, erklärte Hahn. Zum einen müssten Beteiligungslücken geschlossen werden, die durch die Neuausrichtung und die damit verbundene Neuorganisation entstanden seien. Zweitens: Die Soldatenbeteiligung müsse auch in den zahlreichen Auslandseinsätzen der Bundeswehr funktionieren. Drittens: Aufgaben und Befugnisse der Vertrauensperson müssten an die Ziele der Bundeswehr als moderne Freiwilligenarmee angepasst werden.
Der Verteidigungsexperte der Union fasste zusammen: „Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf sind wir auf einem guten Weg zu einer Modernisierung der Soldatenbeteiligung. Wir stärken die Stellung der Vertrauenspersonen durch – erstens – eine Verlängerung der Amtszeit von zwei Jahren auf vier Jahre, durch – zweitens – die Erweiterung und Fortentwicklung der Beteiligungstatbestände und Mitbestimmungsrechte und – drittens – durch die Verbesserung auch der entsprechenden Ausstattung der Vertrauenspersonen.“
Der CSU-Bundestagsabgeordnete bezeichnete abschließend den Gesetzentwurf der Bundesregierung als einen „guten ersten Aufschlag“. Florian Hahn begründete dies: „Eine Soldatenbeteiligung, die Elemente der Offenheit, der Diskussionskultur und der Mitverantwortlichkeit für das Ganze in die Organisation der Bundeswehr einbringt, kann verhindern, dass das System ,Bundeswehr‘ mit den notwendigen Pfeilern von Befehl und Gehorsam und militärischer Hierarchie zu starr und unflexibel wird. Sie hilft, eine moderne Organisation zu schaffen, die damit zugleich effektiver und schlagkräftiger ihren Auftrag erfüllen kann.“
Der Gesetzentwurf ist dem Bundesrat am 11. März dieses Jahres zugegangen. Er beriet diesen in seiner Sitzung am 22. April (der Entwurf bedarf nicht der Zustimmung des Bundesrates). Das parlamentarische Verfahren soll im Juli 2016 abgeschlossen werden.
Unser Symbolbild zeigt den Bundesadler im Plenarsaal des Deutschen Bundestages.
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