menu +

Nachrichten



Dschibuti (Republik Dschibuti)/Kuala Lumpur (Malaysia). Der aktuelle Piraterie-Report des Internationalen Schifffahrtsbüros (International Maritime Bureau, IMB) sorgte vor Kurzem für positive Schlagzeilen. Zwar dokumentiert der Bericht für den Zeitraum 1. Januar bis 31. Juni 2016 insgesamt 98 Piratenangriffe auf Schiffe weltweit. Diese Zahl bedeutet jedoch zugleich den absoluten Tiefstand in den IMB-Halbjahresberichten seit dem Jahr 1995 – damals verzeichnete das Büro 97 Überfälle. Erfreulich ist auch, dass es in den ersten sechs Monaten dieses Jahres nur eine einzige Attacke von Kriminellen auf einen Seefahrer vor der Küste Somalis gegeben hat. Damit setzte sich der Trend des vergangenen Jahres fort: Aus dem Seegebiet rund um das Horn von Afrika werden so gut wie keine Aktivitäten somalischer Seeräuber mehr gemeldet. Daraus zog nun die deutsche Marine Konsequenzen …

Erstmals seit Dezember 2008 hat die deutsche Marine kein Schiff mehr beim Einsatz der Europäischen Union (EU) gegen Piraten am Horn von Afrika. Sie beteiligte sich an EU NAVFOR Somalia – Operation „Atalanta“ mit schwimmenden Einheiten seit der ersten Mandatierung durch den Bundestag am 19. Dezember 2008.

Am 6. August hat die Königlich Niederländische Marine das internationale Kommando über die Operation „Atalanta“ von Deutschland übernommen. Flottillenadmiral Jan Christian Kaack, der den Marineverband der Europäer seit dem 24. März dieses Jahres als Commander Taskforce führte (siehe hier), übergab den Staffelstab an den niederländischen Commodore René Luyckx. Die Fregatte „Bayern“, gut vier Monate lang Flaggschiff des „Atalanta“-Verbandes, und der Betriebsstofftransporter „Spessart“ haben inzwischen die Heimreise angetreten.

Die „Bayern“ wird am 20. August in ihren Heimatstützpunkt Wilhelmshaven einlaufen, die „Spessart“ in Kiel am 26. August.

Drei Bordhubschrauber und ein Seefernaufklärer P-3C Orion

Neues Flaggschiff des EU-Marineverbandes vor der somalischen Küste ist jetzt die niederländische Fregatte „Tromp“. Hinzu kommen die beiden Fregatten „Euro“ (Italien) und „Santa Maria“ (Spanien). Alle drei Schiffe stellen einen Bordhubschrauber, Spanien beteiligt sich zudem an dem multinationalen Einsatz mit einem Seefernaufklärer vom Typ P-3C Orion.

Die „Tromp“ hat übrigens schon einmal – von Februar bis Mai 2010 – an der Anti-Piraterie-Mission teilgenommen. Damals, Anfang April, hatte eine Spezialeinheit der Niederländer die Besatzung des deutschen Containerschiffs „Taipan“ gerettet. Die 13 Seeleute der „Taipan“ – zwei Deutsche, drei Russen und acht Besatzungsmitglieder aus Sri Lanka – hatten sich vor zehn Piraten, die das Schiff geentert hatten, in einen Schutzraum gerettet. Zuvor hatten sie noch über Seefunk ein in der Nähe befindliches deutsches Aufklärungsflugzeug P-3C Orion und über Satellitentelefon die EU-Koordinationsstelle für „Atalanta“ alarmieren können.

Commandeur Luyckx und sein Stab werden die Militäroperation in den somalischen Gewässern bis Mitte Dezember leiten.

Einsatzbelastung der deutschen Marine weiterhin sehr hoch

Die deutsche Marine wird in diesem Jahr wahrscheinlich kein Schiff mehr für „Atalanta“ zur Verfügung stellen. Neben der entspannten Bedrohungslage dürften auch die zahlreichen anderen Einsatzverpflichtungen ein Hauptgrund für diese Entscheidung sein.

Das Presse- und Informationszentrum der Teilstreitkraft erklärte gegenüber dem bundeswehr-journal: „Die Einsatzbelastung unserer Marine ist bei gleichzeitig zurückgehenden Zahlen an schwimmenden und fliegenden Einheiten hoch. Die Besetzung der Einsätze und einsatzgleichen Verpflichtungen – wie beispielsweise der Einsatzverbände der NATO – unterliegen somit einem Priorisierungsprozess. Es ist deshalb möglich, dass nicht immer alle Einsätze und einsatzgleiche Verpflichtungen gleichzeitig mit schwimmenden und/oder fliegenden Waffensystemen besetzt werden können, wie das Beispiel ,Atalanta‘ zeigt.“

Wann genau und mit welcher deutschen Einheit die Operation „Atalanta“ wieder bestückt werden wird, will die Marine „zum gegebenen Zeitpunkt“ bekannt geben.

Natürlich hat sich Deutschland nicht komplett von der EU NAVFOR Somalia verabschiedet. Im Hauptquartier der EU-Mission in Dschibuti sind weiterhin Bundeswehrangehörige – Führungspersonal, Logistiker und Sanitäter – im Einsatz. Dort hatte Flottillenadmiral Kaack am Nachmittag des 6. August die nationale Führung an Korvettenkapitän Christian Borchardt übergeben. Auch Generalmajor Thorsten Poschwatta, Stellvertretender Befehlshaber des Einsatzführungskommandos, war zu dieser Zeremonie gekommen.

Borchardt befehligt momentan 32 Bundeswehrangehörige, darunter zwei Frauen. Zum deutschen Einsatzkontingent gehören auch zehn Reservisten (Stand: 12. August). Im September soll das Kontingent auch wieder durch die Marineflieger der Einsatzgruppe „P-3C Orion“ verstärkt werden.

Zahl der Piratenangriffe vor Somalia bereits seit 2013 rückläufig

Die Europäische Union verfolgt mit ihrer Operation „Atalanta“ seit Dezember 2008 das Ziel, die Piraten am Horn von Afrika und im Seegebiet bis zu 500 Seemeilen vor der Küste Somalias und seiner Nachbarländer abzuschrecken und die Seeräuberei einzudämmen. Vorrangig werden die Schiffe für das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (UN World Food Programme, WFP) geschützt. Aber auch anderen Schiffen mit humanitären Hilfsgütern, Schiffen unter EU-Flagge oder Schiffen teilnehmender Nationen wird militärische Hilfe zuteil.

Das Bundeswehr-Mandat für die Operation „Atalanta“ ist erst am 12. Mai dieses Jahres durch den Bundestag um ein weiteres Jahr bis zum 31. Mai 2017 verlängert worden.

Noch vor wenigen Jahren waren die Gewässer des Roten Meeres, im Golf von Aden oder entlang der somalischen Küste gefürchtet. Regelmäßig fielen hier Schiffe kriminellen Banden zum Opfer – 2011 beispielsweise waren es 237 gewesen. 2013 und 2014 entwickelten sich die Zahlen dann erstmals rückläufig.

Einsatz der internationalen Seestreitkräfte am Horn von Afrika zahlt sich aus

Das IMB, die Abteilung „Kriminalität auf See“ der Internationalen Handelskammer (International Chamber of Commerce, ICC), unterhält seit 1992 ein rund um die Uhr besetztes Meldezentrum für Piraterie in der malaysischen Hauptstadt Kuala Lumpur. Die Spezialisten des Zentrums nennen als Grund für die erfreuliche Entwicklung vor Somalia den Einsatz der internationalen Marinestreitkräfte und den verbesserten Schutz von Handelsschiffen auch in Zusammenarbeit mit privaten Sicherheitsdiensten (siehe dazu unseren früheren Beitrag).

Im ersten Halbjahr 2016 ereignete sich in der Region nur ein einziger Piratenangriff. Am 16. April versuchten Kriminelle im Golf von Aden mit Hilfe von fünf Schnellbooten ein Containerschiff einzuholen und zu entern. Der Versuch schlug fehl, da Sicherheitskräfte des britischen Unternehmens Solace Global von Bord aus Warnschüsse auf die Angreifer abgaben. Ein zu Hilfe eilendes japanisches Marineschiff konnte danach die Piraten endgültig vertreiben.


Zu unserer Bildsequenz:
1. Am Vormittag des 6. August 2016 wechselte im Hafen von Dschibuti das Kommando über die europäische Operation „Atalanta“ von Deutschland an die Niederlanden. Die Aufnahme zeigt die Übergabe an Bord der Fregatte „Bayer“. Links der bisherige Force Commander, Flottillenadmiral Jan Christian Kaack. Er übergibt die EU-Fahne an den niederländischen Commodore René Luyckx.
(Foto: EU NAVFOR Media and Public Information Office)

2. Die Übergabezeremonie leitete Flottillenadmiral Cristóbal González-Aller Lacalle (mit Mikrofon). Der Spanier ist Stellvertretender Operation Commander des EU-Marineverbandes im Hauptquartier in Northwood, England.
(Foto: EU NAVFOR Media and Public Information Office)

3. Eine Aufnahme, die während des „Atalanta“-Einsatzes der beiden deutschen Marineschiffe „Bayern“ und „Spessart“ entstand: der Betriebsstofftransporter (Mitte) bei der Versorgung der „Bayern“ und der italienischen Fregatte „Euro“ (unten) mit Treibstoff.
(Foto: EU NAVFOR Media and Public Information Office)

Kleines Beitragsbild: Kommandowechsel bei „Atalanta“ am 6. August 2016. Von links: Flottillenadmiral Jan Christian Kaack, Flottillenadmiral Cristóbal González-Aller Lacalle und Commodore René Luyckx.
(Foto: EU NAVFOR Media and Public Information Office)


Kommentieren

Bitte beantworten Sie die Frage. Dies ist ein Schutz der Seite vor ungewollten Spam-Beiträgen. Vielen Dank *

OBEN