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Berlin. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen will offenbar „in der nächsten Woche“ die Definition für den Begriff „Veteran der Bundeswehr“ bekannt geben. Dies teilte am Donnerstag (5. November) die Interessengemeinschaft Bund Deutscher Veteranen (BDV) in einer Presseerklärung mit. Wie der BDV weiter schreibt, sollen nun „auch ehemalige Einsatzsoldaten den Veteranenstatus der Bundeswehr“ erhalten. Das Ministerium prüfe derzeit außerdem, die Betreuungsmaßnahmen für Veteranen auszuweiten.

BDV-Vorsitzender Christian Bernhardt bezeichnete dies in dem Pressestatement seines Vereins als „historische Entscheidung in der 60-jährigen Geschichte der Bundeswehr“. Dadurch werde „unserer Gesellschaft die Möglichkeit [gegeben], einen zeitgemäßen und modernen Umgang auch mit ehemaligen Einsatzsoldaten zu suchen“.

Der Bund Deutscher Veteranen war im August 2010 in Berlin gegründet worden. Er versteht sich als „Interessenvertretung aller Veteraninnen und Veteranen der Bundeswehr“. Der BDV zum Begriff des Veteranen: „Bisher wurden in Deutschland üblicherweise die Soldaten des Ersten und Zweiten Weltkrieges als ,Veteranen‘ bezeichnet, ebenso die Kriegsteilnehmer anderer Nationen. Wir definieren uns als die ,jungen Veteranen‘ und verstehen darunter eine Soldatin oder einen Soldaten der Bundeswehr, die oder der in einem Auslandseinsatz eingesetzt war.“

Kooperation mit Bundeswehr-Verband und Verband der Reservisten

Der BDV hat in der Vergangenheit mit allen Fraktionen des Bundestages Gespräche geführt, um – wie er sagt – „für diese umfangreiche Aufgabe den politischen Überbau“ zu schaffen. Der Verein kooperiert auch mit dem Verband der Reservisten der Deutschen Bundeswehr (VdRBw) und mit dem Deutschen Bundeswehr-Verband (DBwV). „Nur gemeinsam werden wir die Veteranenkultur in Deutschland zukunftsfähig gestalten können“, sagt Bernhard Drescher, zweiter Vorsitzender des BDV.

Einer, der sich sehr für die Sache der Veteranen einsetzt, ist der Bundestagsabgeordnete Wilfried Lorenz. Der CDU-Politiker, im „ersten Leben“ Oberstleutnant a.D. mit rund 32 Dienstjahren, ist unter anderem Mitglied im Verteidigungsausschuss des Bundestages. Dort nimmt er für die CDU/CSU-Fraktion die Aufgabe „Berichterstatter für Materialerhaltung, alternative Finanzierungsmodelle, Reservisten und Veteranen“ wahr.

Als der BDV am 31. Mai vergangenen Jahres in Berlin seinen ersten Veteranentag veranstaltete, hatte Lorenz im Vorfeld gefordert: „Der Anfang ist gemacht. Zu lange wurde die Diskussion um Veteranen und den Umgang mit ihnen hintangestellt. Jetzt, wo der Bund Deutscher Veteranen seinen eigenen Veteranentag veranstaltet, müssen wir uns dem Thema stellen. Das ist richtig und wichtig. Denn jeder Soldat, der im Einsatz war, kann als Veteran gelten. Nicht nur dann, wenn er im Einsatz geschädigt wurde.“

Verbissene Debatte um die Definition eines Begriffes

Die Diskussion zum Thema „Bundeswehr-Veteranen“ wird in Deutschland noch nicht allzu lange geführt. Dafür aber mit den Jahren immer intensiver. Andere Staaten wie beispielsweise die USA sind da schon wesentlich weiter. Dort haben ehemalige Soldaten einen ganz anderen Stellenwert wie bei uns und genießen große Anerkennung. Schon ein kleiner Streifzug durch das Flickr-Bildangebot des U.S. Department of Veteran Affairs belegt dies eindrucksvoll.

In Deutschland hingegen ist bis jetzt immer noch umstritten, was einen „Gedienten“ überhaupt zum Veteranen macht. Zwei Definitionen haben wir ja bereits genannt. Dennoch ist und bleibt die Debatte schwierig. Muss der Bundeswehrsoldat an einem Auslandseinsatz teilgenommen haben, um als Veteran zu gelten? Und wird dann nicht schon wieder unterschieden zwischen den „Kämpfern im Feld“ und den „Unterstützern im sicheren Camp“? Was beispielsweise ist mit den Soldaten, die zu Zeiten des Kalten Krieges im Schichtdienst an der langen Grenze zum Warschauer Pakt arbeiteten – in den EloKa-Fernmeldetürmen etwa? Oder ist jeder ehemalige Soldat ein Veteran, auch wenn er nicht an einer Auslandsmission teilgenommen hat (diese Position vertritt der CDU-Bundestagsabgeordnete Roderich Kiesewetter, der zugleich Präsident des VdRBw ist)?

„Zur Einsatzrealität gehört auch, dass es in Deutschland wieder Veteranen gibt“

Angestoßen hat die Veteranen-Debatte von der Leyens Amtsvorgänger Thomas de Maizière. Der jetzige Innenminister hatte erstmals offiziell am 22. September 2011 von „Veteranen“ gesprochen. Im Rahmen der Debatte zum Jahresbericht 2010 des damaligen Wehrbeauftragten Hellmut Königshaus hatte de Maizière an diesem Donnerstag im Bundestag erklärt: „Ich bin dankbar, dass der Wehrbeauftragte in seinem Jahresbericht erneut darauf hingewiesen hat, dass unsere Soldatinnen und Soldaten eine – ich zitiere – ,für die Gesellschaft unverzichtbare und viel zu wenig gewürdigte Aufgabe‘ wahrnehmen. Für die meisten Menschen in Deutschland sind die teils extremen Eindrücke und Gewalterfahrungen, denen unsere Soldaten im Einsatz ausgesetzt sind, kaum nachzuvollziehen. Das ist verständlich. Es ist kaum ein größerer Kontrast vorstellbar als der zwischen mancher Einsatzrealität unserer Soldaten und unserem zivilen, weitestgehend gewaltfreien Leben in Deutschland. Zu dieser Einsatzrealität gehört auch, dass es in Deutschland seit einigen Jahren wieder Veteranen gibt, Veteranen der Bundeswehr. Ich bekenne mich heute zu diesem Begriff. Die Bundeswehr ist eine Armee im Einsatz. Wie andere Nationen sollten auch wir deshalb von unseren Veteranen sprechen.“

Spaltung der Truppe in Soldaten mit und ohne Veteranenstatus vermeiden

Mehr als ein halbes Jahr später, am 3. April 2012, überraschte de Maizière die Öffentlichkeit mit seinem Diskussionspapier „Eine Veteranenpolitik für die Bundeswehr“. Darin schlug er den 22. Mai als Gedenk- und Ehrentag für Bundeswehr-Veteranen vor und argumentierte, an diesem Tag im Jahr 1956 sei ja die wehrverfassungsrechtliche Grundlage für die Bundeswehr in Kraft getreten.

Ansprüche auf großzügige Versorgungsleistungen wie in anderen Ländern sollten mit dem Veteranenstatus allerdings nicht verbunden sein, heißt es im Diskussionspapier des Ministers weiter. In Deutschland seien die Sozialleistungen für aktive und ehemalige Bundeswehrangehörige bereits auf hohem Niveau.

Wünschenswert sei es allerdings – in Anlehnung an die Verbündeten Deutschlands – über ein Veteranenabzeichen, die Gründung von Veteranenheimen oder das Amt eines Sonderbeauftragten nachzudenken. Im Vordergrund stünden die praktische Betreuung und Unterstützung der Veteranen sowie die ideelle Würdigung. Wichtig sei es auf jeden Fall, eine „Spaltung der Streitkräfte in Soldaten mit und ohne Veteranenstatus“ zu vermeiden.

Wer nun nach Ansicht des damaligen Verteidigungsministers „Bundeswehr-Veteran“ genannt werden sollte, erfuhr die Öffentlichkeit am 16. Januar 2013. Bei einem Verabschiedungsappell in Bad Reichenhall für Soldaten der 10. Panzerdivision und der Division Spezielle Operationen, die vor ihren Auslandseinsätzen in Afghanistan und im Kosovo standen, definierte de Maizière: „Veteran der Bundeswehr ist, wer ehrenhaft aus dem aktiven Dienst in der Bundeswehr ausgeschieden ist und als Angehöriger der Bundeswehr im Ausland an mindestens einem Einsatz oder einer besonderen Verwendung im Rahmen von humanitären, friedenserhaltenden oder friedensschaffenden Maßnahmen teilgenommen hat. Gleiches gilt für die Teilnahme an mindestens einer Ausbildungsmission der NATO oder der EU außerhalb des NATO-Bündnisgebietes. Schließlich halte ich mir die Möglichkeit offen, den Status eines Veteranen der Bundeswehr aktiv zuzuerkennen, sollte dies angemessen und geboten sein.“

Soldaten verdienen Respekt, Anerkennung und Wertschätzung

Die Begriffsdefinition („Der Veteran, ein Begriff aus längst vergangenen Tagen oder aktueller denn je?“) stand im Juli dieses Jahres in Berlin auch im Mittelpunkt einer Podiumsdiskussion, die gemeinsam vom Bund Deutscher Veteranen und vom Landesverband Ost des Deutschen Bundeswehr-Verbandes veranstaltet wurde. Für die Diskussionsrunde, die der ARD-Journalist Christian Thiels moderierte, hatten BDV und DBwV eine Reihe kompetenter Gesprächspartner eingeladen.

Ministerialdirigent Wolfgang Müller vertrat das Büro des Wehrbeauftragten. Gekommen waren auch der SPD-Bundestagsabgeordnete Fritz Felgentreu und dessen CDU-Kollege Wilfried Lorenz. Matthias Heimer, Militärgeneraldekan und Leiter des Evangelischen Kirchenamtes für die Bundeswehr, sowie Ulrich Pohlmann, Leiter des Referats „Grundsatzfragen in Bundeswehr und Gesellschaft“ im Verteidigungsministerium, vervollständigten die Gästeliste. In die Veteranen-Diskussion ist Bewegung gekommen, darüber waren sich alle Diskussionsteilnehmer einig. Auch der Vorsitzende des DBwV, Oberstleutnant André Wüstner.

Mit ihm hatte vor einiger Zeit auch Julia Weigelt gesprochen. In ihrem Beitrag „Mangelndes Interesse der Bundeswehr-Führung? Warten auf ein Veteranen-Konzept“ für die NDR-Sendereihe Streitkräfte und Strategien schreibt sie: „Das Verteidigungsministerium arbeitet gerade an einem neuen Weißbuch. Wüstner hofft, dass mit der dadurch angestoßenen Diskussion über die Sicherheitspolitik und die Rolle der Bundeswehr auch die Veteranenfrage endlich offiziell geklärt wird. […] Er selbst lässt offen, wer Veteran ist, und wer nicht. Für den Chef des Bundeswehr-Verbandes hat eine genaue Veteranen-Definition nicht die höchste Priorität. Wichtig sei vielmehr, dass den Soldaten Respekt, Anerkennung und Wertschätzung entgegengebracht werde. Das sei die zentrale Herausforderung.“

Man darf – auch wenn diese journalistische Formel bereits überstrapaziert klingt– gespannt sein. Gespannt, ob die kommende Woche wirklich eine „historische Entscheidung“ in Sachen „Veteranen“ bringen wird. Gespannt dann auch darauf, wie künftige Betreuungsmaßnahmen aussehen sollen. Und gespannt darauf (sollte denn tatsächlich ein Veteranen-Konzept präsentiert werden), wie viel „de Maizière“ letztendlich darin stecken wird.


Die beiden Aufnahmen zeigen:
1. Rückkehrerappell der 10. Panzerdivision am 12. April 2011 im bayerischen Amberg. Der damalige Bundesminister der Verteidigung Thomas de Maizière zeichnete an diesem Tag fünf Soldaten aus Bad Reichenhall und Altenstadt mit dem Ehrenkreuz der Bundeswehr für Tapferkeit aus.
(Foto: Dana Kazda/PrInfoZ Heer/Bundeswehr)

2. Arlington National Cemetery (Virginia/USA), Impression vom Veteranentag 11. November 2012.
(Foto: Robert Turtil/U.S. Department of Veteran Affairs)

Kleines Beitragsbild: Kranzniederlegung und Gedenken der Interessengemeinschaft Bund Deutscher Veteranen am 11. Mai 2013 am Ehrenmal der Bundeswehr in Berlin.
(Foto: Bund Deutscher Veteranen e.V.)


Kommentare

  1. Michael Hartig | 6. März 2017 um 08:51 Uhr

    Leider hat sich da immer noch nichts getan. Zudem gibt es inzwischen mehr als einen eingetragenen Verein, der sich mit dem Thema Veteranen beschäftigt.

    Michael Hartig
    OBtsm a.D. und Veteran

  2. Winfried | 23. März 2019 um 08:26 Uhr

    Und was ist mit den Grenztruppen der NVA, die nicht eine Patronenwendehülse fallen ließen?

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