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Bonn/Bor (Südsudan). Es gab viel Hoffnung, als am 9. Juli 2011 der südliche Teil des Sudans nach 23 Jahren Krieg mit dem Norden in die Unabhängigkeit entlassen wurde. Doch davon ist im neuen Staat Republik Südsudan nicht mehr viel übrig. Stattdessen schwelt ein politischer Machtkampf zwischen dem amtierenden Präsidenten Salva Kiir Mayardit und dem entlassenen Vizepräsidenten Riek Machar Teny, der zunehmend Züge eines Stammeskonfliktes annimmt. Kiir gehört zur Volksgruppe der Dinka, Machar ist Nuer. Seit Ausbruch der Kämpfe zwischen Regierung und Rebellen starben schätzungsweise 10.000 Menschen, knapp eine Million sind auf der Flucht. Der Fernsehsender phoenix berichtet aus dem krisengeschüttelten Südsudan, in dem sich die Bundeswehr seit 2011 an einer Friedensmission der Vereinten Nationen beteiligt.

ARD-Korrespondent Volker Schwenck beschreibt in seiner phoenix-Reportage die aktuelle Lage in Bor, Hauptstadt des südsudanesischen Bundesstaates Jonglei mit einst rund 73.000 Einwohnern. Viele Menschen haben hier im Dezember vergangenen Jahres ihre Häuser fluchtartig verlassen, als Rebellen einmarschierten und die Stadt etwa einen Monat lang besetzt hielten. Dekan Thomas Agou Kur wird nie vergessen, wie es damals rund um seine Kirche aussah, nachdem Regierungstruppen Bor zurückerobert und die Rebellentruppen vertrieben hatten. Der Boden war mit Blut getränkt, die Leichen von 20 Frauen hatten die Aufständischen wochenlang nicht bestattet. Sie hatten auch zwei Priester ermordet. Insgesamt starben 2000 Menschen in Bor, sie wurden in Massengräbern beerdigt.

Spirale der Gewalt und Vorboten einer schlimmen Hungersnot

Die meisten Bewohner haben mittlerweile die Stadt verlassen und in Mingkaman, zwei Stunden Bootsfahrt auf dem Nil entfernt, Zuflucht gesucht. Die Organisation „Ärzte ohne Grenzen“ kümmert sich dort in einem Feldhospital um Kranke, Verletzte und Schwangere. Auch unterernährte Kinder gibt es hier immer wieder. Hilfsorganisationen sehen erste Anzeichen für eine drohende Hungersnot.

Nhial Majak, der Bürgermeister von Bor, kämpft derweil darum, dass die geflohenen Einwohner wieder in ihre Heimatstadt zurückkehren. Doch er stößt auf viel Skepsis und Angst – viele glauben nicht, dass der Konflikt in absehbarer Zeit enden wird. Er kämpft deswegen auch gegen altes Denken. Längst hat eine Spirale der Gewalt begonnen, befeuert von den alten Traditionen der Blutrache.

Bundeswehrsoldaten als Vermittler zwischen verfeindeten Parteien

Mit welch brutaler Verbissenheit der ethnische Konflikt zwischen Dinka und Nuer im Südsudan geführt wird, war erst vor Kurzem wieder zu besichtigen. Bei einem Angriff auf ein Flüchtlingslager der Vereinten Nationen (VN) nahe Bor wurden mehr als 60 Zivilisten getötet. Bei der Attacke hatten etwa 350 Angreifer raketengetriebene Granaten eingesetzt, um auf das Gelände des Komplexes vorzudringen und die dort untergebrachten 5000 Flüchtlinge zu beschießen. Soldaten der VN-Mission UNMISS lieferten sich mit den Schwerbewaffneten ein erbittertes Feuergefecht und konnten diese schließlich zurückschlagen.

Die Bundeswehr beteiligt sich mit derzeit 13 Soldaten an UNMISS (United Nations Mission in South Sudan). Das Mandat des Deutschen Bundestages für diesen Auslandseinsatz endet am 31. Dezember 2014 (und wird vermutlich verlängert).

An Aufbauarbeit ist für die UNMISS-Angehörigen im Augenblick nicht zu denken. Der Schwerpunkt liegt jetzt auf der klassischen Vermittlerrolle zwischen den verfeindeten Parteien und auf dem Schutz der Zivilbevölkerung. Die deutschen Blauhelmsoldaten sind an verschiedenen Orten innerhalb des Südsudans stationiert. In den umkämpften Landesregionen und in der Hauptstadt Juba nehmen sie unter anderem auch an Treffen der militärischen Führer beider Lager teil.


Randnotiz                            

Südsudan – ein Land am Abgrund. Reportage von Volker Schwenck (ARD-Studio Kairo, phoenix/Bonn 2014). Erstausstrahlung auf phoenix: Mittwoch, 28. Mai 2014 (ab 21.45 Uhr). Weitere phoenix-Sendetermine: Freitag, 30. Mai 2014 (ab 18.00 Uhr) und Samstag, 31. Mai 2014 (ab 11.00 Uhr). Angaben ohne Gewähr.



Zu den beiden Aufnahmen:
1. Leben im südsudanesischen Flüchtlingscamp Mingkaman.
(Foto: Oxfam International)

2. Zivilisten erreichen auf der Flucht vor anhaltenden Kämpfen im Südsudan das Flüchtlingslager der Vereinten Nationen bei Bor. Am 17. April 2014 kam es auch hier zu Übergriffen auf Flüchtlinge, rund 60 Menschen starben.
(Foto: Hailemichael Gebrekrsto/Vereinte Nationen)

3. Volker Schwenck ist seit dem 1. Januar 2013 Auslandskorrespondent für die ARD-Fernsehberichterstattung und Leiter des Auslandsstudios Kairo.
(Foto: Alexander Kluge/SWR)


Kommentare

  1. Volker Seitz | 7. Mai 2014 um 14:21 Uhr

    Bei 80 Prozent Analphabeten haben es Politiker leicht auf ethnische Polarisierung zu setzen. Die weit verbreitete Korruption ist zudem gnadenlos und trifft vor allem die Armen, die sich am wenigsten dagegen wehren können. Die Ursache für die jüngsten Unruhen liegt in einem andauernden, seit langem gärenden Konflikt. Vergessen wird immer, dass Südsudan mit die fruchtbarsten Böden in Afrika, genügend Arbeitskräfte und damit eigentlich beste Voraussetzungen für eine blühende Landwirtschaft hat. Aber vor den jüngsten Unruhen flossen aber nur etwa zwei Prozent des Budgets in den Agrarbereich. Etwa 80 Prozent des Landes sind landwirtschaftlich nutzbar, aber nur auf zehn Prozent der Fläche wird tatsächlich etwas angebaut. Deshalb sollten es eine echte Landwirtschaftspolitik geben, Investitionen in Agrartechnik und in die Ausbildung von Agraringenieuren. Bisher wurden die Öleinnahmen -obwohl ein Drittel der Bevölkerung unterernährt ist- in den Ausbau der neuen Hauptstadt Juba, in die Armee, Polizei und Verwaltung gesteckt. Bei einem vielleicht möglichen radikalen Neuanfang ist das Denken in Stammesstrukturen und heftige ethnische Rivalitäten zu einer Belastung geworden. Der Präsident Salva Kiir hat inzwischen immer mehr Macht auf sich vereint und Schlüsselpositionen ausschließlich mit Vertretern der Volksgruppe Dinka besetzt. Journalisten werden drangsaliert. Die Versprechen aus der Unabhängigkeitserklärung wurden nicht erfüllt .Die Politiker in Südsudan müssen endlich ihr Schicksal stärker selbst in die Hand nehmen. Bei dem Herrschaftsapparat ist nicht erkennbar, dass sie einen Plan haben, mit dem sie in das Land und in die Menschen investieren wollen. . Es gibt keine Programme wie die Bildung und das Sozialsystem in ihrem Land aufgebaut werden soll.
    Volker Seitz, Botschafter a.D. und Autor „Afrika wird armregiert“

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