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Berlin/Brüssel. Seit Mitte November vergangenen Jahres greift die militant-islamistische Huthi-Miliz aus Jemen die internationale Schifffahrt insbesondere im südlichen Roten Meer und im Bereich der Meerenge Bab al-Mandab an. Die Angriffe richten sich gegen die Sicherheit des Seeverkehrs und gefährden die Stabilität in einer Region, die schon zuvor unsicher war. Um die Angriffe abwehren zu können und die anhaltende Gewalteskalation einzudämmen, werden sich auch deutsche Streitkräfte künftig an der europäischen Mission EU NAVFOR Operation „Aspides“ im Roten Meer beteiligen. Das Kabinett hat entschieden, dass bis zu 700 Bundeswehrangehörige dafür eingesetzt werden können. Das Mandat des Parlaments soll bis zum 28. Februar 2025 gelten – der Bundestag muss noch zustimmen.

Details zu dem geplanten deutschen Auslandseinsatz nennt der Beschluss beziehungsweise der Antrag der Bundesregierung vom 16. Februar.

Das durch die Huthi-Angriffe betroffene Gebiet sei ein maritimer Raum von besonderer geostrategischer Bedeutung für die internationale Handelsschifffahrt, argumentiert die Regierung. „Über diese mit am stärksten befahrene Seeverbindungslinie der Welt transportieren Schiffe Güter zwischen Asien und Europa, darunter einen Großteil aller Energielieferungen für Europa. Etwa 65 Schiffe pro Tag, etwa zwölf Prozent des weltweiten Warenverkehrs, verkehren auf dieser Route.“ Der wirtschaftliche Schaden durch die Angriffe der Miliz sei erheblich – auch für Deutschland.

Die Wiederherstellung der Freiheit der Schifffahrt erfordere einen militärischen Einsatz im gemeinsamen Vorgehen mit Partnern und Verbündeten. Nach der Operation „Prosperity Guardian“ der USA zum Schutz ziviler Handelsschiffe habe die Europäische Union nun EU NAVFOR Operation „Aspides“ zum Schutz der Freiheit der Schifffahrt und zur Sicherheit des Seeverkehrs im Einsatzgebiet beschlossen „und damit die schnelle sicherheitspolitische Handlungsfähigkeit“ unterstrichen, erklärt die Bundesregierung in ihrem Antrag weiter (Anm. zu „Aspides“: altgriechisch für „Schild/Schilde/Schutz“).

Schutz von Schiffen gegen multidimensionale Angriffe auf See

Das Einsatzgebiet von EU NAVFOR Operation „Aspides“ umfasst den Regierungsangaben zufolge die Meerenge von Bab al-Mandab und die Straße von Hormus sowie die internationalen Gewässer im Roten Meer, im Golf von Aden, im Arabischen Meer, im Golf von Oman und im Persischen Golf. Hinzu kommt der Luftraum darüber. Ein Einsatz in Hoheitsgewässern erfolge grundsätzlich nur nach Zustimmung durch den jeweiligen Anrainerstaat.

Zu den Aufgaben der deutschen Kräfte soll der Schutz von Schiffen gegen multidimensionale Angriffe auf See und die Begleitung von Schiffen im gesamten Einsatzgebiet gehören, außerdem die Sicherstellung der Er- und Bereitstellung eines Lagebildes inklusive luftgestützter Aufklärung sowie Abstimmung, Kooperation, Informationsaustausch und logistische Unterstützung mit internationalen Verbündeten und Partnern.

Mandat des Deutschen Bundestages ist befristet bis längstens 28. Februar 2025

Als völkerrechtliche Grundlagen führt die Bundesregierung unter anderem eine Reihe von Resolutionen des Sicherheitsrates und das Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen an, des Weiteren das Übereinkommen zur Bekämpfung widerrechtlicher Handlungen gegen die Sicherheit der Seeschifffahrt sowie das Selbstverteidigungsrecht zur Abwehr eines gegenwärtigen rechtswidrigen Angriffs auf eigene oder fremde Schiffe und Besatzungen.

Das Mandat ist – wie bereits erwähnt – befristet bis Ende Februar 2025. Die einsatzbedingten Zusatzausgaben beziffert die Bundesregierung für diesen Zeitraum auf voraussichtlich rund 55,9 Millionen Euro.

Wir berichteten über den geplanten Einsatz der Bundeswehr in der Region unter Flagge der EU bereits erstmalig in unserem Beitrag vom 11. Januar.

Beschluss des Rates der Europäischen Union für Auswärtige Angelegenheiten

Auch die Europäische Union hat inzwischen offiziell den Militäreinsatz zur Sicherung der Handelsschifffahrt im Roten Meer und angrenzenden Seegebieten gestartet. Bei ihrem Treffen in Brüssel am 19. Februar fassten die Außenminister der 27 Mitgliedstaaten einen entsprechenden Beschluss.

Dieser Beschluss des Rates für Auswärtige Angelegenheiten (Foreign Affairs Council) sieht die Entsendung von europäischen Kriegsschiffen in die Region vor. Diese sollen dort Handelsschiffe vor Angriffen der Huthi aus dem Jemen schützen. Die Miliz will mit dem Beschuss von Schiffen ein Ende der israelischen Angriffe im Gazastreifen erzwingen, die auf das Massaker der Hamas in Israel folgten.

Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock sagte in Brüssel: „Wir haben gesehen, dass mit Blick auf die Angriffe der Huthi auf die zivile Seefahrt die ganze Weltwirtschaft getroffen wird.“ Es seien nicht nur europäische Schiffe, die im Roten Meer immer wieder von Huthi-Raketen gefährdet würden, sondern es betreffe die ganze internationale Schifffahrt.

Operation „Prosperity Guardian“ gegen die „Banditen im Roten Meer“

Die feindseligen Aktionen der Huthi gegen den Schiffsverkehr im Roten Meer begannen am 19. November 2023 mit der Entführung des Autofrachters „Galaxy Leader“ samt Besatzung in den Hafen Hodeidah an der Westküste des Jemen. Laut der im Mittler Report Verlag erscheinenden Fachzeitschrift MarineForum soll es danach bis Mitte Januar fast 30 verifizierte Huthi-Angriffe auf kommerzielle Seetransporte gegeben haben.

Am 14. Januar 2024 kam es schließlich im Seegebiet vor Hodeidah auch zu einem Angriff auf ein Schiff der U.S. Navy, der USS „Laboon“. Wie das United States Central Command mitteilte, wurde auf den Lenkwaffenzerstörer (Schiffskennung DDG 58) aus einem von den Huthi kontrolliertem Gebiet im südwestlichen Jemen heraus ein Seezielflugkörper abgefeuert, der jedoch von einem US-Kampfjet abgefangen und neutralisiert werden konnte. Schäden an Mensch und Material seien „nicht belegt“, so das Kommando. Die USS „Laboon“ gehört zu den amerikanischen Kräften der Operation „Prosperity Guardian“.

Die USA hatten die Bildung einer Koalition zum Schutz der Schifffahrt im Roten Meer nach verstärkten Angriffen der Huthi-Miliz auf internationale Handelsschiffe bereits Anfang Dezember ins Auge gefasst. US-Verteidigungsminister Lloyd James Austin III kündigte dann am 18. Dezember 2024 den baldigen Start der Operation „Prosperity Guardian“ an, zu der zum damaligen Zeitpunkt bereits zahlreiche Länder – so unter anderem Bahrain, Frankreich, Großbritannien, Italien, Kanada, die Niederlande, Norwegen, die Seychellen und Spanien – ihre Beteiligung zugesagt hatten.

Generalmajor Patrick S. Ryder, Sprecher des US-Verteidigungsministeriums, erklärte kurz darauf: „Die jemenitische Miliz greift das wirtschaftliche Wohlergehen von Nationen auf der ganzen Welt an.“ Die mit dem Iran und mit der Hamas verbündeten Huthi-Rebellen seien „Banditen auf der internationalen Autobahn, dem Roten Meer“. Die Koalitionsstreitkräfte würden „als eine Art Autobahnpatrouille fungieren“, um jetzt bedrohten Handelsschiffen „bei Bedarf zu helfen“. Wir berichten weiter …

Kompakt                           

Im Roten Meer herrscht seit Herbst vergangenen Jahres ein bewaffneter Konflikt, der Auswirkungen auf eine wichtige Seehandelsroute zwischen Europa und Asien hat. Die Social-Media-Redaktion der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) hat am 25. Januar 2024 in einem besonderen Beitrag einige zentrale Fragen dazu beantwortet. Wir haben den Text durch weitere Quellen ergänzt.

1. Worum geht es bei dem Konflikt?
Seit der Militäroffensive Israels im Gazastreifen infolge der Hamas-Terroranschläge vom 7. Oktober 2023 greift die jemenitische Huthi-Miliz im Roten Meer Handelsschiffe an. Hauptziele sind Schiffe auf dem Weg nach Israel.

Die Huthi sind mit der Islamischen Republik Iran, in der der schiitische Glaube Staatsreligion ist, verbündet. Mit den Angriffen unterstützen sie die Hamas und fordern ein Ende der israelischen Offensive im Gazastreifen.

Etwa zwölf Prozent des Welthandels laufen über die Route im Roten Meer. Wegen der Angriffe wählen nun rund 40 Prozent der Schiffe den erheblich längeren und damit teureren Weg um Südafrika herum.

2. Was ist mit der Bezeichnung „Huthi-Miliz“ gemeint?
Die schiitische, politisch-militärische Bewegung wurde in den 1990er-Jahren von Hussein Badreddin al-Huthi (1959–2004) gegründet. Er war in seinem Land eine Schlüsselfigur, die den zaidischen Zweig des schiitischen Islam, der den Jemen jahrhundertelang beherrschte, vertrat. Eine zentrale Forderung des Gründers lautete: „Tod für Amerika, Tod für Israel, Verdammnis für die Juden“. Die Miliz hat dieses als Schlachtruf übernommen.

Nach dem gewaltsamen Tod des Gründers Hussein al-Huthi übernahm dessen Bruder Abdul-Malik al-Huthi die Führung. Unter ihm wurde aus einem Haufen Rebellen aus den Bergen eine Art Armee mit heute Zehntausenden Kämpfern, die 2014 die Hauptstadt Sanaa besetzten, die Regierung stürzten und heute nach wie vor wichtige Teile des Landes kontrollieren.

Der Iran unterstützt die Huthi-Miliz, Saudi-Arabien (die meisten Saudis sind Sunniten, das Königshaus hat den extrem konservativen sunnitischen Wahhabismus zur Staatsreligion gemacht) steht mit einer Militärkoalition an der Seite der jemenitischen Regierung. Dieser Stellvertreterkrieg hat eine große humanitäre Krise in dem Land verursacht.

3. Welche internationalen Reaktionen haben die Huthi-Angriffe im Roten Meer ausgelöst?
Seit Mitte Januar bombardieren die USA und Großbritannien Huthi-Stellungen. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen forderte die Miliz bereits auf, die Angriffe auf die Seeschifffahrt sofort einzustellen.

Die EU initiiert – wie in unserem Beitrag beschrieben – neben den USA ebenfalls einen Militäreinsatz in der Region. Deutschland wird sich nach Zustimmung des Bundestages mit einer Fregatte beteiligen.

Unter den arabischen Ländern sammeln die Huthi mit ihrem Verhalten bisher eher Sympathien. Nach den westlichen Gegenangriffen sind mittlerweile Warnungen vor einer Gewalteskalation in der Region lautgeworden.


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Zu unserem Bildmaterial:
1. Deutschland entsendet die Fregatte „Hessen“ zur EU-Militäroperation „Aspides“ ins Rote Meer. Das Archivbild zeigt das Kriegsschiff im November 2013.
(Foto: Thomas Beierlein/Bundeswehr)

2. Die Illustration befasst sich mit der Bedrohung der internationalen Schifffahrt im Roten Meer durch das Waffenarsenal der Huthi-Miliz.
(Infografik © Christian Dewitz/mediakompakt 02.24)

3. Exportversion des chinesischen Seezielflugkörpers Yingji 1/YJ 1, der bei den Huthi – hier eine Aufnahme von einer Militärparade in Sanaa – als Lenkwaffe C-802 genutzt wird. Die C-802 kommt unter anderem als Anti-Schiff-Rakete zum Einsatz.
(Bild: nr)

4. Der amerikanische Zerstörer USS „Laboon“ – das Archivbild zeigt das Kriegsschiff im April 2015 in der Suda-Bucht – wurde am 14. Januar 2024 von den Huthi mit einem Seezielflugkörper angegriffen, der jedoch abgefangen werden konnte. Auf dem kleinen einmontierten Bild sind Besatzungsmitglieder der „Laboon“ auf der Brücke des Zerstörers zu sehen; die Aufnahme entstand bei der Passage der „Laboon“ durch die Meerenge Bab al-Mandab am 9. Januar 2024.
(Foto „DDG 58 in der Souda-Bucht“: Jeffrey M. Richardson/U.S. Naval Forces Europe-Africa/U.S. Sixth Fleet;
Foto „Auf der Brücke“: Alice Husted/U.S. Navy)

5. US-Verteidigungsminister Lloyd James Austin III am 19. Dezember 2023 in Manama, Bahrain. Hier äußerte er sich über den baldigen Start der Operation „Prosperity Guardian“, die er am Vortag angekündigt hatte.
(Foto: Chad J. McNeeley/U.S. Department of Defense)

Unser Großbild auf der START-Seite zeigt die Fregatte „Hessen“ bei Sonnenuntergang.
(Fotograf: Harald Matle/Bundeswehr)

Kleines Beitragsbild: Archivfoto von der Fregatte „Hessen“, einmontiert ist das offizielle Emblem der europäischen Mission EU NAVFOR Operation „Aspides“.
(Foto: Deutsche Marine; Bildmontage: mediakompakt)


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