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Strausberg/Düsseldorf/Lüneburg. Der Inspekteur des Deutschen Heeres, Generalleutnant Alfons Mais, hat sich für die Neuaufstellung einer Heeresflugabwehrtruppe entschieden. „Die Fähigkeiten einer zukünftigen Heeresflugabwehr sind für das Überleben auf dem Gefechtsfeld essenziell“, argumentierte Mais. Mit der Aufstellung erhält die Teilstreitkraft nicht nur eine ehemalige Truppengattung zurück, sondern auch die Fähigkeit zum Nah- und Nächstbereichsschutz im bodennahen Luftraum. Dies sei – so der Heeresinspekteur – „ein weiterer wichtiger Beitrag zur Herstellung der Kriegstüchtigkeit der Landstreitkräfte“. Heimatstandort der neuen Truppengattung soll der niedersächsische Standort Lüneburg werden.

In aktuellen Konfliktsituationen sind die Operationen von Landstreitkräften am Boden angesichts massiver und neuer Bedrohungen aus der Luft einer steigenden und ständigen Gefahr ausgesetzt. Dazu erklärt Generalleutnant Mais: „Täglich sieht man, wie der Kampf mit klassischen Luftkriegsmitteln – also Flugzeugen und Hubschraubern, in der Ukraine vor allem mit Raketen und Drohnen – geführt wird.“ Als größte Teilstreitkraft reagiere das Deutsche Heer nun mit der Neuaufstellung auf die vom Generalinspekteur der Bundeswehr, General Carsten Breuer, angewiesene Planung eines Luftverteidigungssystems, so der Inspekteur weiter.

Die Heeresflugabwehrtruppe als Teil der Kampfunterstützungstruppen war im Jahr 2012 außer Dienst gestellt und vollständig aufgelöst worden. Nun, mit der Refokussierung auf den Auftrag der Landes- und Bündnisverteidigung, wird sie wieder dringend benötigt.

Kooperation der beiden Bundeswehr-Teilstreitkräfte Heer und Luftwaffe

In einem Online-Beitrag der Bundeswehr vom 30. April (Autor René Hinz) werden zu der geplanten Neuaufstellung einer Heeresflugabwehr weiterführende Details genannt. So sieht das sogenannte „Luftverteidigungssystem Nah- und Nächstbereichsschutz“ – kurz LVS NNbS – eine enge Kooperation der beiden Teilstreitkräfte Heer und Luftwaffe vor (siehe auch hier). Realisiert werden soll das ganze Projekt ohne neu zu schaffende Stellen, also „dienstpostenneutral“.

Die Luftverteidigung des Heeres wird als Erstbefähigung zunächst mit dem Flugabwehrsystem Skyranger 30 ausgestattet (siehe hier).

Als Hauptwaffensystem der Luftwaffe soll das bodengebundene Luftverteidigungssystem IRIS T-SLM (Infra-Red Imaging System – Tail/Thrust Vector Controlled, Surface Launched Medium Range) beschafft werden. Der Haushaltsausschuss des Bundestages hat hier unter anderem der Beschaffung von sechs Feuereinheiten IRIS-T SLM zuzüglich benötigter Lenkflugkörper und weiteren Maßnahmen für Qualifikation und Zertifizierung zugestimmt (die Kosten hierfür werden sich voraussichtlich auf insgesamt bis zu 950 Millionen Euro belaufen und sollen aus dem Sondervermögen „Bundeswehr“ bestritten werden). Mit der Lieferung der IRIS-T-Systeme soll bereits 2024 begonnen werden.

Mit der Beschaffung von Skyranger 30 und IRIS T-SLM wird die mobile Flugabwehr (short range) des Heeres mit weiterreichender Flugabwehr (medium range) der Luftwaffe kombiniert. Die gesamte Planung der Neuaufstellung der Heeresflugabwehrtruppe ist auf diesen gemeinsamen Einsatz von Heeres- und Luftwaffenkräften ausgerichtet.

Aufstellung der neuen Truppengattung und Ausrüstung bis ins Jahr 2028 hinein

In dem Online-Artikel der Bundeswehr heißt es weiter: „Neben der Beschaffung der Fahrzeuge und Geräte wird es für das Heer vor allem darum gehen, zunächst Personal für die neue Truppe zu identifizieren. Das Bundesamt für das Personalmanagement hat bereits damit begonnen. Noch in diesem Jahr werden erste [Angehörige der neuen Truppengattung] ausgebildet.“

Am Standort Lüneburg sollen nun erste Strukturen zum Aufbau der neuen Heeresflugabwehrtruppe entstehen. Geplant ist, im kommenden Jahr einen Aufstellungsstab zu Koordinierung und Steuerung der neuen Fähigkeiten einzusetzen. Im Jahr darauf, also 2026, soll bereits eine Einheit das Skyranger-System erhalten. Bis ins Jahr 2028 hinein soll die Truppe dann schrittweise aufgestellt und ausgerüstet sein.

Hersteller liefert zunächst Prototyp und danach 18 Serienfahrzeuge

Lieferant der mobilen Flugabwehrsysteme Skyranger 30 ist der Rüstungskonzern Rheinmetall. Der Vertrag zur Ausrüstung der Bundeswehr mit dem neuen Waffensystem hat laut Hersteller einen Wert von „595 Millionen Euro brutto“. Vereinbart wurde die Lieferung eines Prototyps Skyranger 30 sowie weitere 18 Serienfahrzeuge. Zusätzlich besteht Rheinmetall zufolge die „Option für 30 weitere Systeme“. Die Lieferung des Prototyps soll bereits Ende 2024 erfolgen.

Das Luftverteidigungssystem Skyranger 30 soll die derzeitige gefährliche Fähigkeitslücke der mobilen Flugabwehr schließen. Rheinmetall führt dazu in einer Pressemitteilung vom 27. Februar dieses Jahres aus: „Das System bietet eine optimale Kombination aus Mobilität, Schutz, Flexibilität und Präzision, um den wachsenden Anforderungen an herausfordernde Bedrohungsszenarien im Nah- und Nächstbereich gerecht zu werden.“ Und: „Als Hybrid-Lösung vereint der Turm des Systems Skyranger 30 die wirkungsstarke Revolverkanone 30mm x 173 KCE, Boden-Luft-Lenkflugkörper und die erforderliche Sensorik auf einer Plattform.“

Airburst-Munition mit programmierbarem Sprengpunkt für die Drohnenabwehr

Ausgestattet werden soll der Skyranger 30 in Deutschland mit dem Flugkörper Stinger. Je nach Kundenanforderung können laut Hersteller „diverse moderne Lenkflugkörper Verwendung finden, beispielsweise auch Mistral oder spezielle C-UAS-Flugkörper“. (Anm.: C-UAS = Counter-Unmanned Aircraft System/Abwehr von unbemannten Luftfahrzeugen.)

Der Rheinmetall-Text endet mit dem Hinweis: „Die durchdachte Auslegung verschiedenster Wirkmittel, eine hohe Dynamik und ein großer Elevationsbereich sowie modernste Sensoren ermöglichen sowohl einen autonomen wie auch einen vernetzten Einsatz [des Skyranger 30]. Durch die Airburst-Munition mit programmierbarem Luftsprengpunkt eignet sich das System besonders zur Abwehr von Drohnen. Der kompakte Turm wird auf dem taktischen 8×8-Fahrzeug Boxer integriert.“


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Das Bild zeigt ein mobiles Flugabwehrsystem Skyranger 30 von Rheinmetall auf Boxer-Basis.
(Foto: Rheinmetall AG)


Kommentare

  1. Klaus W. | 6. Mai 2024 um 13:04 Uhr

    Vielen Dank für diesen informativen Beitrag! In Internetforen wird derzeit (unter anderem) eifrig darüber diskutiert, wie denn 18 Skyranger-Systeme für ganz Deutschland ausreichen können. Und selbst wenn die Option bei Rheinmetall gezogen würde und insgesamt 48 Stück in den nächsten Jahren bestellt werden sollten, so sollte doch insgesamt die Dringlichkeit der Beschaffung mehr beachtet werden, damit die Bundeswehr wieder möglichst bald kampfbereit und auf einen Angriff vorbereitet ist. Mit einer schlagkräftigen und ausreichend dimensionierten neuen Flugabwehr im Nahbereich!

    Schon für die vorhandenen und noch zusätzlich geplanten Bundeswehr-Bataillone können 48 Skyranger nicht annähernd ausreichen. Und das ist ja noch lange nicht alles. Hinzu kommt noch der Objektschutz, außerdem der Flugabwehrschutz im Nahbereich für die Bundeswehrflugplätze (beispielsweise zur Abwehr von Drohnenangriffen).

    Man muss nur in die Ukraine schauen, um zu erkennen, um welche Stückzahlen an Flugabwehreinheiten es für den Nahbereich gehen müsste. Ich würde 1000 Skyranger bestellen – also lieber zu viele, als zu sparen. Denn ich halte ausreichende Flugabwehr für unbedingt notwendig und überlebenswichtig. Wie wir sehen, wurde beispielsweise mehr als die Hälfte der ukrainischen Energieinfrastruktur durch Russland aus der Luft zerstört.

    Weiterhin gilt es, wichtige Brückenverbindungen zu schützen. Zudem gibt es einen gewissen Bedarf an mobilen Flugabwehreinheiten im Nahbereich (Skyranger), die Veranstaltungen abschirmen können (denn, so zeigt es die aktuelle Sicherheitslage: Sabotageaktionen mit Drohnen werden immer wahrscheinlicher).

    Und noch sind die auf Flugabwehr spezialisierten geplanten deutschen Fregatten der Klasse 127 nicht gebaut, dies wird meiner Einschätzung nach wohl noch etwa zehn Jahre dauern. Diese Fregatten wären nach Indienststellung in der Lage, auch (russische) Langstreckenraketen und Hyperschallraketen abzufangen. Sie sollten dann auch auf Grund ihrer Reichweite in einen Wirkverbund der boden- und luftgestützten Luftverteidigung der Bundeswehr integriert werden, um so einen Beitrag zur territorialen Flugkörperabwehr und zum Heimatschutz für weite Bereiche der Bundesrepublik Deutschland zu leisten.

    Bis dahin sollten dringend auch die deutschen Marinebasen vor Luftangriffen geschützt werden, etwa mit Iris-T und Skyranger. Wiederum genügt hier der Blick in die Ukraine …

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