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Berlin/Mainz/Sindelfingen/Schrobenhausen. Der 1. März war kein gutes Datum für die Bundeswehr, insbesondere nicht für die Deutsche Luftwaffe. An diesem Freitag veröffentlichte Margarita Simonjan, Chefredakteurin des russischen Staatssenders RT (früher bekannt als Russia Today), im Instant-Messaging-Dienst Telegram das Audio einer Schaltkonferenz von vier ranghohen deutschen Luftwaffenoffizieren – unter ihnen Luftwaffeninspekteur Ingo Gerhartz. Verbreitet wurde von Moskaus Spitzenpropagandistin zugleich eine Abschrift der Unterhaltung, bei der es um das Thema „Taurus“ ging. Der Abhörmitschnitt ist undatiert, nach Simonjans Angaben fand die virtuelle Telefonkonferenz der Deutschen am 19. Februar statt.

Nach dem Lauschangriff der Russen schien es, als sei Bundeskanzler Olaf Scholz blamiert, die westlichen Alliierten desavouiert und die Ukraine massiv verunsichert – die Abhöraktion gegen die Bundeswehr sorgte und sorgt nach wie vor für Destabilisierung auf mehreren Ebenen.

„Deutschland ausspioniert – Vertrauen verspielt?“ lautet am heutigen Donnerstag (7. März) denn auch das Debattenkomplex bei Moderatorin Maybrit Illner im ZDF.

Kanzler will Kontrolle über den Marschflugkörper nicht aus der Hand geben

Der Bundeskanzler wird nicht müde, seine grundsätzliche Ablehnung gegen die Lieferung des Marschflugkörpers Taurus KEPD 350 an die Ukraine zu bekräftigen. Er will die Kontrolle darüber offenbar nicht aus der Hand geben.

Taurus hat eine Reichweite von mehr als 500 Kilometern und kann damit von der Ukraine aus auch Ziele in Moskau treffen. Das System fliegt dabei unterhalb von 50 Metern Höhe, um feindlichem Radar zu entgehen, und folgt einem vorgeplanten Flugweg, wobei seine Sensoren ihn auf Kurs halten. In einem Beitrag des Deutschlandfunks heißt es: „Die Waffe ist gefährlich und präzise. Über Hunderte Kilometer kann sie gegnerischer Luftabwehr ausweichen und dann mit maximal drei Meter Abweichung ihr Ziel treffen.“

Bei einem offiziellen Besuch im baden-württembergischen Sindelfingen am Montag dieser Woche (4. März) hatte Scholz seine Argumentation, die er in der vergangenen Woche auf einer Chefredaktionskonferenz der Deutschen Presse-Agentur erstmals so deutlich geäußert und später in einem Bürgergespräch noch ergänzt hatte, wiederholt. Der Kanzler in Sindelfingen: „Es kann nicht sein, dass man ein Waffensystem liefert, das sehr weit reicht, und dann nicht darüber nachdenkt, wie die Kontrolle über das Waffensystem stattfinden kann. Und wenn man die Kontrolle haben will und es nur geht, wenn deutsche Soldaten beteiligt sind, ist das völlig ausgeschlossen.“ Scholz fügte unmissverständlich hinzu: „Diese Aussage habe ich sehr klargemacht. Ich bin der Kanzler, und deshalb gilt das!“

Ist das Verhältnis zwischen Deutschland und seinen Partnern nachhaltig belastet?

Was bedeutet das Kanzler-Nein, was die Taurus-Debatte insgesamt für die deutsch-ukrainischen Beziehungen? Und wie belastet ist das Verhältnis zwischen der deutschen Regierung und den westlichen Bündnispartnern nach der Lauschattacke auf völlig unvorsichtige Führungskräfte unserer Luftwaffe?

Bei Maybrit Illner diskutieren darüber SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert, CDU-Politiker Roderich Kiesewetter (Obmann im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages), der deutsch-französische Publizist Daniel Cohn-Bendit (langjähriger EU-Abgeordneter von Bündnis 90/Die Grünen) sowie Militärexperte Carlo Masala und Sarah Pagung (Programmleiterin „Internationale Politik“ der Körber Stiftung).

Bayerns Ministerpräsident Söder besuchte Taurus-Hersteller MBDA Deutschland

Die Absage des Bundeskanzlers an eine Lieferung des Taurus-Systems an die Ukraine ist in der Regierungskoalition umstritten. FDP und Grüne sind für eine Lieferung des Marschflugkörpers, ebenso die Union.

Einen Tag nach dem Scholz-Besuch in Sindelfingen war der Bayerische Ministerpräsident Markus Söder Gast des Unternehmens MBDA Deutschland im Hagenauer Forst in Schrobenhausen (wir berichteten). MBDA Deutschland ist an der Herstellung der Abstandswaffe Taurus beteiligt.

Bei der Stippvisite am 5. März bekräftigte Söder seine Forderung, der Ukraine endlich Taurus zu liefern. Deutschland sei schon jetzt weltweit der zweitgrößte Unterstützer des geschundenen Landes, zu einem Kriegspartner werde Deutschland damit nicht. Wörtlich sagte der CSU-Politiker: „Diese Waffe muss zum Einsatz kommen.“ Dies sei eine moralische Frage und liege zudem im Interesse Deutschlands. Bundeskanzler Scholz solle seinen Widerstand aufgeben. Seine „Bockbeinigkeit“ gehe am Ende zulasten der eigenen Sicherheit, warnte Söder, der zugleich eine Entscheidung des Parlaments in der Taurus-Frage verlangte.


Randnotiz                                  

Das ZDF-Format „Maybrit Illner“ befasst sich in einer Diskussionsrunde mit Experten am heutigen Donnerstag (7. März 2024) ab 22:15 Uhr mit dem Schwerpunktthema „Taurus-Lieferung an die Ukraine“ und den Folgen des russischen Lauschangriffs auf vier Offiziere der Deutschen Luftwaffe.
Die Sendung wird auch in der ZDF-Mediathek angeboten. Alle Angaben ohne Gewähr.


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Unser Bildmaterial zeigt:
1. Maybrit Illner, seit 1992 politische Redakteurin des ZDF. Vor der Wende Journalistin (Sport und Auslandsberichterstattung) des DDR-Fernsehens. Jeden Donnerstagabend erörtert die Moderatorin aktuelle Themen mit Gästen aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.
(Foto: Christian Schoppe; Bildmontage: mediakompakt)

2. Ein Marschflugkörper Taurus KEPD 350 wird für das Kampfflugzeug Tornado vorbereitet. Die Aufnahme vom April 2013 entstand in Manching bei der Wehrtechnischen Dienststelle für Luftfahrzeuge und Luftfahrtgerät der Bundeswehr 61, kurz WTD 61.
(Foto: Bernhard Huber/für MBDA Deutschland)


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