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Rostock/Dobbin-Linstow. „Kalter Krieg 2.0 – Bundesmarine als ‚abschreckendes‘ Vorbild?“: Unter dieser Fragestellung stand – immer mit Blick auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine – die diesjährige Historisch-Taktische Tagung, kurz HiTaTa, der Deutschen Marine. Die 63. HiTaTa fand im Zeitraum 9. bis 11. Januar im mecklenburg-vorpommerschen Dobbin-Linstow statt. Rund 620 aktive und auch frühere Angehörige der Bundeswehr nahmen teil, zudem Historiker sowie zahlreiche geladene Gäste. Ziel der alljährlichen, traditionsreichen Informations- und Diskussionsveranstaltung der Marine ist die Auseinandersetzung mit historischen und militärpolitischen Themen. Im Mittelpunkt stehen dabei stets die Vorträge junger Offiziere und die anschließende Aussprache. In diesem Jahr hatten die Organisatoren auch erstmals eine Podiumsdiskussion mit ins Programm aufgenommen. Daran beteiligten sich Dr. Claudia Major von der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik und Professor Dr. Carlo Masala von der Universität der Bundeswehr München.

Tagungsschwerpunkt der 63. HiTaTa war der Vortrag des Marineinspekteurs, Vizeadmiral Jan Christian Kaack. In seiner sicherheitspolitischen Standort- und Kursbestimmung erinnerte Kaack daran, dass sich das gesamte Sicherheitsumfeld „in einem massiven Umbruch mit beunruhigenden Effekten und in atemberaubender Geschwindigkeit“ befindet. Krisen und Konflikte existierten nicht mehr nebeneinander, sondern interagierten miteinander und beeinflussten und verstärkten sich gegenseitig, so der Inspekteur.

Kaack fuhr fort: „Hinzu kommen Megatrends wie Künstliche Intelligenz und ihre Militarisierung, Demografie, Hyperschallwaffen sowie der Einsatz autonomer Plattformen, die zunehmend den Takt angeben und auch das Kriegsbild von morgen wieder grundlegend verändern werden.“

Im Lichte dieser Zeitenwende seien die erste deutsche Nationale Sicherheitsstrategie und – darauf aufbauend – neue Verteidigungspolitische Richtlinien erlassen worden. Landes- und Bündnisverteidigung sei nun (erneut) Kernauftrag der Bundeswehr und Begriffe wie „Wehrhaftigkeit“, „Kriegstüchtigkeit“ und „Abschreckung“ seien seitdem in aller Munde. Selbst über verschiedenste Formen einer Dienstpflicht werde zumindest diskutiert. Der Marineinspekteur fasste zusammen: „Niemand stellt mehr in Frage, dass Krieg, auch für uns wieder unmittelbare Realität werden kann.“ Und: „All das hat uns veranlasst, jetzt zu handeln und im besten Clausewitz’schen Sinne die Initiative zurückzuerlangen.“

Immer fest im Blick der Teilstreitkraft: der „Kurs Marine 2035+“

Mit Blick auf das vergangene und auf die anstehenden Aufgaben für das aktuelle Jahr erklärte Vizeadmiral Kaack, eine der wesentlichen Herausforderungen 2023 sei gewesen, die Grundlagen für die Modernisierung der Teilstreitkraft zu schaffen – bezogen „auf unseren ,Kurs Marine 2035+‘, unserem Zielbild, das viel Aufmerksamkeit erfahren und dessen Erstellen sich als absolut richtig erwiesen hat“.

Neben etlichen bemerkenswerten Neuerungen – wie beispielsweise dem Marine-Ansatz des Umsteuerns bei Künstlicher Intelligenz und unbemannten Systemen, der Kooperation zwischen dem Koblenzer Beschaffungsamt, Forschungsinstitutionen, dem Planungsamt und der Marine oder etwa dem Zukauf des neuen Marinearsenals Warnow-Werft – gebe es aber leider auch Negatives zu berichten.

Ohne Trendwende bei der Nachwuchsgewinnung „ist alles andere Makulatur“

Kaack führte aus: „Wo und bei was wir in diesem Jahr noch nicht erfolgreich waren, ist die Nachwuchsgewinnung für unsere Marine. Die Personallage hat sich leider auch im vergangenen Jahr nicht verbessert und wird zunehmend kritisch. Auch in der schwierigen Frage, mehr Personal an Bord zu bringen, machen wir noch keine Fahrt über Grund. Die Verfügbarkeit voll ausgestatteter Besatzungen insbesondere bei den Fregatten ist – lassen Sie es mich so sagen – in Teilen desaströs.“

Zwar entwickelt sich die Personalbindung weiterhin positiv, berichtete der Inspekteur. Jedoch sei und bleibe die Nachwuchsgewinnung unter den aktuellen Rahmenbedingungen von Demografie und Fachkräftemangel schwierig. „Wenn uns hier keine Trendwende gelingt, ist alles andere Makulatur“, warnte Kaack.

Personal, Munition und Großvorhaben IPD 2024

Das Thema „Personalgewinnung“ behandelte der Inspekteur dann noch einmal am Schluss seines Vortrages unter dem Punkt „Prioritäten für das Jahr 2024“. Hier zählte Kaack drei Bereiche auf – Personal, Munition sowie das Großvorhaben „Indo-Pacific Deployment/IPD“ – und erläuterte diese.

Zum ersten Punkt „Personal“ sagte der Chef der Teilstreitkraft, hier gehe es vorrangig um den Dreiklang „Halten, gewinnen, neu strukturieren“. Die Marine brauche jetzt höchste Priorität bei der Personalgewinnung der Bundeswehr, so wie es in den vergangenen Jahren dem Kommando Cyber- und Informationsraum zuteilgeworden sei. „Alle Ebenen müssen zur Personalgewinnung einen Beitrag leisten. Sie ist im wahrsten Sinne des Wortes unser ,Allemannsmanöver‘.“

Zum Punkt „Munition“ sagte Kaack: „Damit meine ich mehr und vor allem schneller, wobei ein Schwerpunkt auf der ,Battle Decisive Munition‘ liegen muss. Alternativen wie beispielsweise ,Hochenergiewaffen‘ sind schnell voranzutreiben. Da die Verantwortung dafür nicht in der Marine liegt, muss der Druck auf die Verantwortlichen Ebenen übergreifend hochgehalten werden.“

Der dritte und letzte Punkt des Inspekteurs galt dem Vorhaben „Indo-pazifischer Raum“. Dazu Kaack: „IPD ist das Großvorhaben unserer Marine in diesem Jahr. Es ist keine ,Ausbildung in außerheimischen Gewässern‘, sondern ausdrücklich eine Operation. Das vergangene Jahr hat gezeigt, wie schnell und flexibel die Deutsche Marine im Notfall auf Lageänderungen reagieren kann und können muss. IPD 2024 wird ein Kraftakt über alle Führungsgrundgebiete hinweg.“

Historisch-Taktische Tagung erstmals mit einer Podiumsdiskussion

Es war eine Premiere bei dieser traditionellen Marineveranstaltung: die Podiumsdiskussion mit Experten „von außen“, in diesem Fall mit den beiden Militärhistorikern Dr. Claudia Major von der Stiftung Wissenschaft und Politik aus Berlin und Prof. Dr. Carlo Masala von der Universität der Bundeswehr in München.

Beide verglichen die Bedeutung der nuklearen Abschreckung zur Zeit des Kalten Kriegs (1947–1989) und heute. Masala wies auf die stärker werdende Verknüpfung konventioneller und nuklearer Abschreckung hin. Major appellierte in diesem Zusammenhang an Europa, die sicherheitspolitischen Anstrengungen fundamental zu verstärken.

Zur Erinnerung: Wir haben in der Vergangenheit bereits über die HiTaTa der Deutschen Marine berichtet, so im Januar 2018 und im Januar 2019. Nach der 60. HiTaTa im Jahr 2020 gab es dann eine COVID-bedingte Veranstaltungspause.

Die diesjährige Rede von Marineinspekteur Jan Christian Kaack haben wir für Sie auch in unserem Servicebereich „bundeswehr-journal (Bibliothek)“ beim Dienstleister Yumpu-Publishing eingestellt. Sie können sie dort ansehen und ausdrucken, ein Download der Datei ist nicht möglich. Über die ESC-Taste in Yumpu kommen Sie hierhin zurück. Zu der Rede von Vizeadmiral Kaack anlässlich der 63. Historisch-Taktischen Tagung der Marine:

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Das Bildmaterial zeigt:
1. 63. Historisch-Taktische Tagung der Deutschen Marine: Vizeadmiral Jan Christian Kaack, Inspekteur der Teilstreitkraft, bei seinem Vortrag in Linstow am 11. Januar 2024.
(Foto: Nico Theska/Bundeswehr)

2. Rund 620 aktive und ehemalige Bundeswehrangehörige (vor allem aus dem Bereich der Deutschen Marine), Experten und Gäste nahmen an der 63. Historisch-Taktischen Tagung – kurz HiTaTa – teil.
(Foto: Nico Theska/Bundeswehr)

Kleines Beitragsbild: Die Aufnahme erlaubt einen Blick in das Programmheft der diesjährigen Veranstaltung.
(Foto: Nico Theska/Bundeswehr)


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