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Berlin. Reicht das normale Soldatengehalt nicht aus? Sind viele Soldaten im Dienst nicht ausgelastet? Tatsache ist, dass die Zahl der Bundeswehrangehörigen mit Nebenjob kontinuierlich ansteigt. Waren es 2012 insgesamt noch 10.858 Soldaten, die neben dem eigentlichen Dienst zusätzlich einer Nebentätigkeit nachgingen, so wurden für das Jahr 2022 bereits 14.434 Vorgänge registriert.

Diese Zahlen zum Thema „Soldaten mit Nebenjob“ lieferte vor Kurzem die Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister der Verteidigung Siemtje Möller.

Angefragt hatte der AfD-Bundestagsabgeordnete Jan Ralf Nolte (Wahlkreis Waldeck, Nordhessen). Nolte, seit 2008 Soldat auf Zeit im Dienstgrad „Oberbootsmann“ (aktuell dient er in der Burgwaldkaserne in Frankenberg/Eder), ist Mitglied des Verteidigungsausschusses des Bundestages. Er wollte von der Bundesregierung wissen „Wie viele Soldaten der Bundeswehr übten neben ihrem Dienst einen oder mehrere Nebenjobs aus?“ und bat um Aufschlüsselung für die Jahre 2012 bis 2022 (unsere Infografik zeigt die Daten des Verteidigungsministeriums).

Über das Thema „Nebentätigkeit der Bundesbeamten (im Bundesministerium der Verteidigung)“ hatten wir bereits vor längerer Zeit berichtet (siehe hier).

Frühere Wochenarbeitszeit bei der Bundeswehr im Schnitt 48,2 Stunden

Die Arbeitszeit in der Bundeswehr beträgt seit dem 1. Januar 2016 offiziell 41 Stunden pro Woche. Grund dafür war und ist unter anderem eine Richtlinie der Europäischen Union (EU), die vor sieben Jahren in nationales Recht umgesetzt wurde.

Davor galt in der Öffentlichkeit das Bild, die Truppe sei „24/7 einsatzbereit – rund um die Uhr an sieben Tagen in der Woche“. Der jeweilige Auftrag bestimmte zu jener Zeit im militärischen Dienstalltag den Umfang der Stunden-Belastungen. Lediglich der (finanzielle) Ausgleich für besondere zeitliche Belastungen war geregelt. Tatsächlich gab es bis dahin noch niemals eine gesetzliche Regelung für die Arbeitszeit von Soldaten der Bundeswehr. Vor Umsetzung der EU-Richtlinie betrug die Wochenarbeitszeit in den deutschen Streitkräften im Schnitt 48,2 Stunden. Beim Heer und bei der Marine waren es pro Woche sogar mehr als 50 Stunden.

Überstundenabbau – jetzt Ausgleich durch Freizeit statt finanzieller Vergütung

Das Verteidigungsministerium schrieb damals zur Einführung der Arbeitszeitverordnung: „Die Bundeswehr leitet mit der Soldatenarbeitszeitverordnung ab 1. Januar 2016 einen bedeutenden Kulturwandel im Umgang mit der Arbeitszeit im täglichen Grundbetrieb ein und bietet damit als moderner Arbeitgeber den […] Soldaten zeitgemäße Arbeitszeitmodelle an. Gleichzeitig regeln Ausnahmen von der Soldatenarbeitszeitverordnung den soldatischen Dienst im Einsatz und vergleichbaren Diensten.“

Soldaten, die Überstunden ansammeln, erhalten seit Einführung der neuen gesetzlichen Regelungen statt Geld „lediglich“ einen Ausgleich durch Freizeit. Der Deutsche Bundeswehr-Verband wies bereits mit Einführung der neuen Soldatenarbeitszeitverordnung darauf hin: „Der Abbau von Zeitguthaben erfolgt jetzt nach Antrag durch Freistellung unter Beibehaltung der Geld- und Sachbezüge. Die Freistellung kann für ganze, aber auch halbe Tage, erfolgen. Alle […] Kameraden sollten jedoch wissen, dass das Zeitguthaben nach den aktuellen Regelungen nicht auszahlbar ist. Sollte der Soldat also noch Zeitguthaben auf dem Langzeitarbeitskonto – kurz LZK – haben, wenn er zur Ruhe gesetzt wird (beispielsweise wegen Dienstunfähigkeit), dann verfällt das Guthaben.“

Der AfD-Politiker Nolte vermutet einen engen Zusammenhang zwischen der EU-Arbeitszeitrichtlinie, der daraus folgenden Soldatenarbeitszeitverordnung und der ständig steigenden Zahl der Soldaten-Nebenjobs (in den Jahren 2012 bis 2022 insgesamt 134.879 genehmigte Nebentätigkeiten). Er sagt: „Während die Bundeswehr unter Personalmangel leidet, arbeiten seit Umsetzung der Arbeitszeitrichtlinie der Europäischen Union immer mehr ihrer aktiven Soldaten nebenher für andere Arbeitgeber. Das Bundesverteidigungsministerium scheint das Potenzial der eigenen Soldaten nicht optimal zu nutzen.“

Bundesbeamtengesetz und Bundesnebentätigkeitsverordnung regeln (fast) alles

In einem Online-Textbeitrag des Referats III 1 ES des Bundesministeriums der Verteidigung wird noch einmal dargelegt, welche Regeln für Beamte und Soldaten der Bundeswehr in Sachen „Nebentätigkeit“ zu beachten sind.

Das Referat schreibt: „Zunächst gilt es abzugrenzen, ob es sich bei der Nebentätigkeit um die Wahrnehmung eines Nebenamtes oder die Aufnahme einer dienstlich verordneten oder selbstgewählten Nebenbeschäftigung handelt. Nicht zu berücksichtigen sind rechtlich irrelevante Freizeitaktivitäten wie etwa Eigenleistungen beim Hausbau oder verschiedene Formen der Nachbarschaftshilfe. Generell unterscheidet das Recht zwischen genehmigungspflichtigen und genehmigungsfreien Nebentätigkeiten. Zur zweiten Gruppe zählen etwa wissenschaftliche, künstlerische oder Vortragstätigkeiten sowie die Verwaltung der eigenen Vermögenswerte.“

Weiter führt das Referat aus: „Die Abgrenzung der Nebentätigkeiten sowie die Bestimmungen über Umfang, Aufgabenzuschnitt oder auch die Vergütung eines Nebenamtes sind in den §§ 97 f. Bundesbeamtengesetz (BBG) und in den §§ 2 bis 8 der Verordnung über die Nebentätigkeit der Bundesbeamten, Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit/Bundesnebentätigkeitsverordnung (BNV) geregelt. Interessenkollisionen können entstehen, wenn Angehörige der Bundeswehr im Rahmen einer Nebentätigkeit für ein Unternehmen tätig werden wollen, welches Geschäftsbeziehungen zur Bundeswehr unterhält. Gleiches gilt auch, sofern die Beschäftigung für einen Verband oder eine Organisation der Wirtschaft erfolgt oder für einen Interessenverband ausgeübt wird, welcher auf Angelegenheiten der Bundeswehr Einfluss nehmen will. Besteht eine Interessenkollision gemäß § 99 BBG beziehungsweise § 20 Abs. 2 Soldatengesetz (SG), ist die Nebentätigkeit zu untersagen. Die Prüfung wird durch R III 1 ES durchgeführt. Die Bewertung ist bindend.“

Kleine Anfrage der Linksfraktion mit Schwerpunkt „Interessenkonflikt“

Dass das Thema „Nebenjobs von Soldaten“ im parlamentarischen Raum von Interesse ist, zeigt auch eine Kleine Anfrage der Linken vom 24. März. Ihre Bundestagsfraktion verlangt ebenfalls Auskunft über Nebentätigkeiten von Bundeswehrsoldaten und legt dabei den Schwerpunkt der Fragen auf den Komplex „Nebenjob im Widerstreit mit den dienstlichen Pflichten“.

Die Linken wollen unter anderem wissen, wie viele Anträge zur Genehmigung einer Nebentätigkeit nach § 20 SG seit 2017 gestellt und wie viele abgelehnt worden sind. Zudem erkundigen sie sich nach Nebentätigkeiten von Soldaten im Objekt- und Personenschutz, im Bereich des Sicherheits- oder Überlebenstrainings und bei Sicherheits- und Militärunternehmen. Gefragt wird zudem: „In wie vielen Fällen wurde seit 2017 […] Soldaten eine Nebentätigkeit im Medienbereich – wie beispielsweise Lokalpresse, Bild- beziehungsweise Video-Berichterstattung oder Publikationen – gestattet, welche auch Bezüge zur dienstlichen Tätigkeit der Betreffenden in der Bundeswehr hatten?“ Wir werden erneut berichten, sobald hierzu die Regierungsantwort vorliegt.


Zu unserer Infografik: Der Trend zum Zweitjob von Soldaten setzt sich fort – das Zahlenmaterial des Verteidigungsministeriums zeigt, dass seit 2012 immer mehr Bundeswehrangehörige den Dienstherren um eine entsprechende Genehmigung für eine Nebentätigkeit gebeten haben.
(Hintergrundfoto: Gerd Altmann/unter Pixabay License = freie kommerzielle Nutzung, kein Bildnachweis erforderlich; Infografik © Christian Dewitz/mediakompakt 04.23)

Kleines Beitragsbild: Symbolfoto „Doppeljob – Doppelbelastung“.
(Grafik: Mohamed Hassan/unter Pixabay License = freie kommerzielle Nutzung, kein Bildnachweis erforderlich; Schlussbearbeitung: mediakompakt)


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