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Berlin/Koblenz/Überlingen. Unsere Luftwaffe erhält ab Mitte 2025 sechs Feuereinheiten des bodengebundenen Luftverteidigungssystems IRIS-T SLM (Infra Red Imaging System-Tail Surface Launched Medium Range). Das Koblenzer Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) unterzeichnete dazu am heutigen Donnerstag (22. Juni) einen Vertrag mit Vertretern des Generalunternehmers Diehl Defence, einem Anbieter von Hightech-Lenkflugkörpern. Diehl will mit seinen Partnern Hensoldt und Airbus der Luftwaffe das erste System planmäßig im dritten Quartal 2024 für Qualifikationszwecke zur Verfügung stellen.

Der Haushaltsausschuss des Bundestages hatte in seiner Sitzung vom 14. Juni grünes Licht für drei Rüstungsvorhaben der Bundeswehr gegeben. Beschafft werden sollen neben dem Luftverteidigungssystem IRIS-T SLM auch erste Anteile des israelischen Waffensystems Arrow (inklusive Munition in Form von Lenkflugkörpern Arrow 3) sowie weitere Wechselladersysteme (hochmobile, geländegängige Radfahrzeuge der Zuladungsklasse 15 Tonnen mit Wechselladereinrichtung und einer Wechselladerpritsche) aus einem bereits bestehenden Rahmenvertrag.

Die Beschaffung von sechs Feuereinheiten IRIS-T SLM zuzüglich zugehöriger Lenkflugkörper und weiterer Maßnahmen – beispielsweise für Qualifikation und Zertifizierung – kostet nach Angaben des Verteidigungsministeriums „insgesamt bis zu 950 Millionen Euro“ und soll aus Mitteln des Bundeswehr-Sondervermögens bestritten werden.

Schnelle Verlegbarkeit und Fähigkeit zur Bekämpfung von Mehrfachzielen

Über die Waffenanlage IRIS-T SLM, mit der eine bestehende Fähigkeitslücke im Bereich der bodengebundenen Luftverteidigung bei der Bundeswehr geschlossen werden soll, schreibt das BAAINBw in einer Pressemitteilung: „Ein entscheidender taktischer Vorteil des neuen Systems besteht darin, dass beide Hauptkomponenten des Flugabwehrsystems – Startgeräte und Radar – von einem gemeinsamen Gefechtsstand aus ferngesteuert und mit geringem Personalaufwand betrieben werden können. Zudem zeichnet es sich durch eine schnelle Verlegbarkeit und die Fähigkeit zur Bekämpfung von Mehrfachzielen aus. Die Feuereinheiten IRIS-T SLM können in den NATO-Verbund zur Luftverteidigung integriert werden.“

Das System IRIS-T SLM ist im Rahmen der Luftverteidigung mittlerer Reichweite laut Beschaffungsamt auf die Abwehr von Kampfjets, Helikoptern, Marschflugkörpern und Luft-Boden-Raketen ausgerichtet. Auch größere Drohnen gehören zum Zielspektrum.

Jede Feuereinheit IRIS-T SLM besteht aus einem Mittelbereichsradar mit einer Erfassungsreichweite von bis zu 250 Kilometern und drei Startgeräten mit jeweils acht Lenkflugkörpern (Reichweite rund 40 Kilometer). Die Systeme werden vom Auftragnehmer jeweils durch ein Nachladefahrzeug, zwei Logistikcontainer und eine Werkstattausstattung ergänzt.

Als rein deutsches System nicht auf ausländische Technologie angewiesen

Das Systemhaus Diehl Defence ist für IRIS-T SLM Systemintegrator aller Komponenten und liefert darüber hinaus das Startgerät und die Lenkflugkörper. Hensoldt steuert das Multifunktionsradar TRML-4D bei (siehe auch unseren früheren Beitrag). Vom Airbus-Konzern stammt die Gefechtsstand-Software IBMS-FC (Integrated Battle Management Software Fire Control).

In einem Pressetext von Diehl Defence heißt es zudem: „Die gemeinsamen Lösungen von Diehl Defence, Hensoldt und Airbus sind als rein deutsche Systeme nicht auf ausländische Technologie angewiesen und bieten deshalb ein Höchstmaß an Zulassung und Zertifizierung zum Betrieb in Deutschland und darüber hinaus eine höchstmögliche Versorgungssicherheit. Gleichzeitig sind sie mit der integrierten Luftverteidigungsarchitektur der NATO voll kompatibel und haben ihre Interoperabilität unter Beweis gestellt.“

Der Deutschen Luftwaffe ist das System bereits durch das Training für die ukrainischen Soldaten bekannt. Zugleich markiert die Beschaffung von IRIS-T SLM für Deutschland den Auftakt der „European Sky Shield“-Initiative (ESSI), der sich weitere Nationen anschließen können.

Stärkung des europäischen Pfeilers in der gemeinsamen NATO-Luftverteidigung

Mit der „European Sky Shield“-Initiative wollen sich die europäischen NATO-Staaten besser gegen Angriffe durch Geschosse, Flugkörper oder Luftfahrzeuge wappnen. Ziel der Initiative, die entstanden ist vor dem Hintergrund des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine, ist demnach die Stärkung des europäischen Pfeilers in der gemeinsamen NATO-Luftverteidigung.

In einem Onlinebeitrag des Verteidigungsministeriums vom Oktober vergangenen Jahres ist zu lesen: „Dafür müssen bereits vorhandene Fähigkeiten ausgebaut und existierende Fähigkeitslücken geschlossen werden. Um das möglichst schnell und effizient zu erreichen, haben sich bislang 15 Staaten zusammengetan. Sie wollen die entsprechenden Systeme gemeinsam beschaffen, nutzen und warten.“

Am 13. Oktober 2022 haben die Vertreter von 15 Nationen im Brüsseler NATO-Hauptquartier das ESSI-Abkommen unterzeichnet. Neben Deutschland beteiligen sich: Belgien, Bulgarien, Estland, Finnland, Großbritannien, Lettland, Litauen, Niederlande, Norwegen, Rumänien, Slowakei, Slowenien, Tschechien und Ungarn. Die Initiative steht weiteren Staaten offen.

Rasch die Fähigkeitslücke bei der territorialen Flugkörperabwehr schließen

Zum Schluss zurück zur Sitzung des Haushaltsausschusses vom 14. Juni und zu den Beschaffungsentscheidungen des Gremiums. Es sei daran erinnert: Große Rüstungsinvestitionen bedürfen in Deutschland der parlamentarischen Befassung – Rüstungsprojekte, die ein Investitionsvolumen von 25 Millionen Euro überschreiten, sind dem Haushaltsausschuss zur Billigung vorzulegen.

Wie bereits beschrieben, ging es in der Sitzung neben der Befassung mit der Beschaffung von IRIS-T SLM auch um das israelische Waffensystem Arrow, mit dem „schnellstmöglich die Fähigkeitslücke bei der territorialen Flugkörperabwehr geschlossen“ werden soll.

Bis Ende 2023 soll nun – so das Ziel der Bundesregierung – eine vorvertragliche Regierungsvereinbarung mit der israelischen Regierung getroffen werden. Um die angestrebte operationelle Anfangsbefähigung bis zum vierten Quartal 2025 zu erreichen, muss die israelische Regierung in Vorleistung gehen und zeitnah den Aufbau der Fertigung und die Produktion beauftragen. Das könne den Beschaffungsprozess um sechs Monate beschleunigen, so das Ministerium.

Das israelische Waffensystem Arrow besteht aus einem Führungsgefechtsstand, Radargeräten, Startgeräten und Lenkflugkörpern. Es kann rundum ballistische Flugkörper erfassen und abfangen. Mit Arrow 3 werden weitreichende feindliche Flugkörper außerhalb der Erdatmosphäre durch einen direkten Treffer (Hit-to-Kill) zerstört. Die USA sind als Kooperationspartner an der Entwicklung des Waffensystems Arrow mit Israel beteiligt.

Truppe erhält 164 geschützte und 203 ungeschützte Wechselladersysteme

In der Frage der Wechselladersysteme für die Bundeswehr wurde vom Haushaltsauschuss entschieden, dass jetzt aus einem bereits bestehenden Rahmenvertrag 164 geschützte und 203 ungeschützte Wechselladersysteme der Zuladungsklasse 15 Tonnen sowie 1634 Wechselladerpritschen mit Zubehör beschafft werden können.

Der Gesamtfinanzbedarf beläuft sich nach Informationen des Verteidigungsministeriums auf etwa 317,2 Millionen Euro. Die Lieferung der Wechselladersysteme soll spätestens im November dieses Jahres erfolgen, die der Wechselladerpritschen im Jahreszeitraum 2023 bis 2025.

Durch das Wechselladersystem – jeweils ein Lkw mit Wechselladereinrichtung und Wechselladerpritsche – entfallen weitere Umschlaghilfsmittel wie Kräne oder Gabelstapler.

Redaktioneller NACHBRENNER

Ein kurzer Nachtrag zum Thema „Luftverteidigung“: Die CDU-Bundestagsabgeordnete Kerstin Vieregge (Wahlkreis Lippe I), Obfrau der Union im Verteidigungsausschuss, hatte sich bei der Bundesregierung vor etlichen Wochen nach dem aktuellen Sachstand beim Projekt „Nah- und Nächstbereichsschutz der Bundeswehr“ erkundigt.

Ihr hatte am 9. Mai der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung Thomas Hitschler geantwortet. Hitschler hatte in seinem Schreiben folgende Details genannt: „Das Luftverteidigungssystem für den Nah- und Nächstbereichsschutz umfasst im Teilprojekt 3 – Folgebefähigung – vier kombinierte Feuereinheiten für den Nah- und Nächstbereichsschutz mit den Effektoren IRIS-T Surface Launched Medium Range (IRIS-T SLM) und IRIS-T Surface Launched Short Range (IRIS-T SLS), sechs Feuereinheiten rein für den Nahbereichsschutz mit dem Effektor IRIS-T SLM sowie Fähigkeiten zur Abwehr von Klein- und Kleinstdrohnen kleiner als 150 Kilogramm und zur Bekämpfung von Raketen, Artillerie- und Mörsergeschossen.“

Weiter hatte der Staatssekretär angekündigt: „Der Vertrag zur beschleunigten Beschaffung von sechs Feuereinheiten IRIS-T SLM im Rahmen des Sofortpaketes ,Bodengebundene Luftverteidigung‘ soll vor der parlamentarischen Sommerpause 2023 geschlossen werden [Anm.: Das ist inzwischen geschehen – siehe unseren Hauptbeitrag]. Die Lieferung der ersten Feuereinheit soll im Jahr 2024 erfolgen, der weiteren fünf bis in das Jahr 2027. Die Fähigkeitslücke zur Abwehr von Klein- und Kleinstdrohnen soll auf Basis einer Plattform mit Kanone und Lenkflugkörper ab dem Jahr 2025 ebenfalls beschleunigt geschlossen werden.“


Zu unserem Bildangebot:
1. und 2. Das bodengebundene Luftverteidigungssystem IRIS-T SLM soll nun auch für die Deutsche Luftwaffe beschafft werden. Die bewilligten sechs Systeme sollen der Teilstreitkraft ab Mitte 2025 zur Verfügung stehen.
(Bilder: Diehl Defence)

3. Nach Unterzeichnung der Dokumente zur Beschaffung von IRIS-T SLM: Helmut Rauch (CEO Diehl Defence) und Annette Lehnigk-Emden (Präsidentin des BAAINBw).
(Foto: Presse- und Informationszentrum BAAINBw)

Kleines Beitragsbild: IRIS-T SLM ist ein modulares Luftverteidigungssystem für den 360-Grad-Rundumschutz. Es besteht aus Startgerät, Radar und Tactical Operation Center – kurz TOC.
(Bild: Diehl Defence)


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