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Berlin/München. Am 27. Februar 2022, drei Tage nach Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine, hatte Bundeskanzler Olaf Scholz in einer Sondersitzung des Bundestages die Errichtung eines Sondervermögens „Bundeswehr“ und dessen Verankerung im Grundgesetz angekündigt. Ziel des Sondervermögens ist es, die „Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit der deutschen Streitkräfte“ zu stärken. Am heutigen Montag (10. Juli) gab die in München ansässige Forschungseinrichtung ifo Institut ein rund 30 Seiten umfassendes Debattenpapier zu der Regierungsinitiative heraus. Die Wirtschaftsexperten schlagen in der Veröffentlichung, die den Titel „Fiskalische Zeitenwende in Deutschland“ trägt, Alarm …

Nur die Hälfte des Sondervermögens „Bundeswehr“ von 100 Milliarden Euro könne zum Kauf zusätzlicher Ausrüstung für die Bundeswehr verwendet werden, so die Berechnungen des Instituts. ifo-Militärexperte Marcel Schlepper warnt denn auch: „Der Einsatz des Sondervermögens verfehlt damit die formulierten Ziele.“

33 Prozent des Sondervermögens würden Einsparungen beim Verteidigungsetat im Kernhaushalt ausgleichen, erklärt Schlepper weiter, acht Prozent müssten für Zinsen aufgewendet werden. Vor diesem Hintergrund sei auch das Erreichen des Zwei-Prozent-Ziels der NATO auf Dauer gefährdet.

Deutschland verfehlt NATO-Ziel 2023 um zweistelligen Milliardenbetrag

„Um dauerhaft zwei Prozent der Wirtschaftsleistung auszugeben, müsste der Verteidigungsetat bereits jetzt sichtbar steigen“, sagt ifo-Forscher Florian Dorn. „Das wäre eine echte Zeitenwende, die auch mit Geld abgesichert würde.“

Dorn weist darauf hin, dass aktuelle genau das Gegenteil passiere. Seit 2022 sinke der Verteidigungsetat nach Abzug der Inflation. In diesem Jahr verfehle Deutschland so das Zwei-Prozent-Ziel des Bündnisses um einen zweistelligen Milliardenbetrag und gehöre damit zu den NATO-Mitgliedstaaten mit dem größten Defizit. Geplante Investitionen würden in das Sondervermögen verschoben. Experte Dorn: „Waren im Verteidigungsetat selbst im Jahre 2022 noch zehn Milliarden Euro für neue Ausrüstung vorgesehen, so sind es 2024 weniger als drei Milliarden Euro.

Planbarkeit bei den Streitkräften und in der Rüstungsindustrie wird schwerer

Das ifo Institut macht auch noch auf einen Aspekt beim Sondervermögen „Bundeswehr“ aufmerksam. Wie Dorn erklärt, weite sich für die übrigen Bundesministerien der Spielraum in Folge der Einsparungen beim Verteidigungsetat aus. „Das Bundeswehr-Sondervermögen ermöglicht durch Verschiebungen im Haushalt indirekt eine Umgehung der Schuldenbremse – auch für jene Ausgaben, die nicht Zweck des Sondervermögens sind“, so der ifo-Vertreter. Die nächste Bundesregierung müsste mit Auslaufen des Sondervermögens deshalb eine noch größere Ausgabenlücke schließen.

Laut den Berechnungen der Wirtschaftsforscher liegt die jährliche Lücke zu den zwei Prozent (der NATO-Zielsetzung) für die Jahre 2026 bis 2029 durchschnittlich bei 25 Milliarden Euro. Hinzu kommen etwa drei Milliarden Euro für die Zinslast der um 100 Milliarden Euro gestiegenen Schulden. Militärfachmann Schlepper gibt zu bedenken: „Die aktuellen Haushaltspläne säen Zweifel, ob Deutschland das Zwei-Prozent-Ziel wirklich dauerhaft erfüllen will. Das erschwert die Planbarkeit bei den Streitkräften und in der Rüstungsindustrie.“

Wir haben in der Vergangenheit immer mal wieder über das Thema „Sondervermögen“ berichtet, so beispielsweise am 22. April 2022 im Vorfeld der anstehenden parlamentarischen Beratungen zweier Gesetzentwürfe dazu.

Die Veröffentlichung „Fiskalische Zeitenwende in Deutschland“ des Münchner ifo Instituts vom 10. Juli 2023 haben wir für Sie auch in unserem Servicebereich „bundeswehr-journal (Bibliothek)“ beim Dienstleister Yumpu-Publishing eingestellt. Sie können dort den Inhalt ansehen, ausdrucken und die Datei auch downloaden. Über die ESC-Taste in Yumpu kommen Sie hierhin zurück. Zu der Schrift des ifo Instituts:

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Kompakt                           

Das ifo Institut (Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München e.V. ) ist eine Forschungsstätte mit Sitz in München, die auf eine fast 75-jährige Geschichte zurückblicken kann. Gründungsjahr ist 1949, als sich das Süddeutsche Institut für Wirtschaftsforschung mit der Informations- und Forschungsstelle für Wirtschaftsbeobachtung zusammenschloss. Der damalige Bundeskanzler Ludwig Erhard agierte als eine der zentralen Figuren in der Entstehungsgeschichte der Einrichtung.

Das ifo Institut will die wirtschaftspolitische Debatte in Deutschland und in Europa mitgestalten. Verbunden wird – so eine Selbstdarstellung – „exzellente Forschung mit wirtschaftspolitischer Relevanz“. Die Forschungsergebnisse sollen Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft eine Grundlage für sachorientierte Entscheidungen bieten. Dabei werden wissenschaftliche Erkenntnisse so aufbereitet, dass Medien und die Öffentlichkeit das aktuelle ökonomische und politische Geschehen verstehen und einordnen können. Das ifo Institut kooperiert nach eigenen Angaben eng mit der Ludwig-Maximilians-Universität München.


Zu unserem Bildmaterial:
1. NATO-Flagge im niederländischen Den Haag, aufgenommen am 4. April 2023. Einmontiert in das Foto ist die Vorderseite der am 10. Juli 2023 erschienene Publikation „Fiskalische Zeitenwende in Deutschland“ der Wirtschaftsforschungseinrichtung ifo Institut.
(Foto: NATO; Bildmontage: mediakompakt)

2. Gebäudekomplex des ifo Instituts in der Poschingerstraße in München.
(Bild: nr)

Kleines Beitragsbild: Hinweisschild im Eingangsbereich des ifo Instituts.
(Bild: nr)


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