Bamako, Gao (Mali)/Niamey (Niger)/Berlin. Die Europäische Union schränkt ihre Ausbildungs- und Beratungsmission (European Union Training Mission, EUTM) in Mali drastisch ein beziehungsweise setzt die militärische Schulung aus. Am gestrigen Montag (11. April) erklärte der Hohe Vertreter der EU Josep Borrell nach einem Treffen der Außenminister in Luxemburg, man werde die Ausbildung für die Armee und die Nationalgarde Malis „vorerst beenden“. Künftig werde es „nur noch eine Ausbildung malischer Soldaten in rechtlichen Fragen, aber kein militärisches Training mehr“ geben.
Aktuell (Stand 11. April) trainieren im Rahmen von EUTM Mali 322 Bundeswehrangehörige – unter ihnen 25 Frauen und 19 Reservisten – malische Sicherheitskräfte zum Kampf gegen Milizen und Terrorgruppen. Nun soll die Mission auf ein Mindestmaß zurückgefahren werden. Dies bedeutet laut Borrell, dass sämtliche praktische Militärausbildung in Mali jetzt erstmal eingestellt wird. Hauptgrund dafür ist offenbar, dass die malische Übergangsregierung der privaten russischen Söldnerfirma „Wagner“ weit die Türen für ein zweifelhaftes Engagement in dem westafrikanischen Land geöffnet hat.
Nach einem Bericht der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) sollen malische Streitkräfte gemeinsam mit russischen Söldnern der „Gruppe Wagner“ Ende März während einer Militäroperation in Moura, einer Stadt in der Verwaltungsregion Djenné in Zentralmali, bis zu 300 Zivilisten ermordet haben. Laut HRW handelt es sich bei dem Massaker um „die schlimmste einzelne Gräueltat“ in Mali in den vergangenen zehn Jahren.
Die Bundesregierung hat unmittelbar nach Bekanntwerden der Ereignisse in Moura die malische Militärjunta zur Aufklärung der mutmaßlichen Verbrechen aufgefordert. Dazu eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes am 5. April in Berlin: „Die Berichte sind erschreckend, wonach bei einer malischen Militäroperation mit russischen Sicherheitskräften eine große Zahl unbeteiligter Zivilisten […] getötet worden sein soll. Wir fordern die malische Regierung auf, die schwerwiegenden Vorwürfe umgehend unabhängig untersuchen zu lassen.“ Zuvor hatten sich bereits die amerikanische und die französische Regierung besorgt gezeigt und von einer mutmaßlichen Beteiligung von „Wagner“-Söldnern gesprochen.
Die „Gruppe Wagner“, auch bekannt als „Putins Schattenarmee“ (so lautete ein Beitrag von Gesine Dornblüth und Bettina Rühl über russische Söldner in Afrika im Februar 2020 für den Deutschlandfunk), hatte bereits in der Vergangenheit mit schweren Menschenrechtsverletzungen für Negativschlagzeilen gesorgt. Das rechtsextreme russische „Private Sicherheits- und Militärunternehmen“ wird unter anderem mit Einsätzen in Syrien, Libyen, der Zentralafrikanischen Republik und jetzt in der Ukraine in Verbindung gebracht. Der Kreml bestreitet jegliche Verbindung zu der Organisation.
Internationale Beobachter gehen von bis zu 1000 „Wagner“-Söldnern aus, die sich momentan in Mali aufhalten sollen. Die Militärregierung Malis dementiert die Präsenz der Kämpfer und spricht lediglich von russischen „Ausbildern“ im Rahmen einer bilateralen Kooperationsvereinbarung.
Der Außenbeauftragte der Europäischen Union erklärte am gestrigen Montag in Luxemburg, es fehlten weiterhin ausreichende Garantien der malischen Übergangsregierung, dass es keine Einmischung der russischen Söldnerfirma „Wagner“ gebe. Zuletzt beschlossene Gelder für die Regierung in Mali und ihr Militär seien laut Borrell inzwischen eingefroren. Im Dezember hatten die EU-Staaten Hilfen für Mali in Höhe von 24 Millionen Euro, die 30 Monate lang gewährt werden sollten, auf den Weg gebracht.
Die Bundeswehr beteiligt sich in Mali an der Ausbildungsmission EUTM (in Koulikoro) und an der Stabilisierungsmission MINUSMA (Mission multidimensionnelle intégrée des Nations Unies pour la stabilisation au Mali/United Nations Multidimensional Integrated Stabilization Mission in Mali) mit Hauptsitz in Gao.
Ende Mai wird das Parlament über die beiden Bundeswehr-Mandate und eine mögliche Verlängerung entscheiden (siehe auch unseren Beitrag vom 10. März 2022). Verteidigungsministerin Christine Lambrecht machte sich nun in Mali vor Ort selbst ein Bild von den innen- und sicherheitspolitischen Verhältnissen im Land und von den Rahmenbedingungen für das deutsche Kontingent. Insgesamt führte ihre dreitägige Afrika-Reise im Zeitraum 8. bis 10. April nach Bamako und Gao in Mali sowie ins Nachbarland Niger. Dort besuchte sie den Lufttransportstützpunkt in der Hauptstadt Niamey sowie das Militärcamp nahe Tillia, wo im Zuge der EUTM-Operation „Gazelle“ nigrische Kräfte von Bundeswehr-Spezialisten ausgebildet werden.
Wegen der aktuellen Entwicklungen in Mali wird die Verlängerung der Missionen der Bundeswehr seit einiger Zeit im politischen Deutschland heftig diskutiert. Die Debatte erschwert der Umstand, dass Frankreich seine Streitkräfte aus Mali zurückziehen wird. Das Regime in Bamako, das nach dem Militärputsch installiert worden ist, zeigt derzeit keine Anstrengungen, möglichst bald demokratische Wahlen abzuhalten und dann die Macht an eine neue, legitime Regierung zu übergeben. Auch die Menschenrechtsverletzungen nehmen – wie das bereits erwähnte Massaker von Moura zeigt – zu.
Für Verteidigungsministerin Lambrecht steht fest, dass eine Beteiligung Deutschlands an den Mali-Missionen vor allem wegen der von HRW beklagten Verbrechen kaum mehr fortgeführt werden kann. In Mali bedürfe es vielmehr zügige Reformen und eines akzeptablen Wahltermins, so die Ministerin. Das Fortsetzen der Transition sei die Grundlage für eine weitere europäische Unterstützung – und auch entscheidend für die politische Stabilität des westafrikanischen Landes. Daher liege es nahe, dass Deutschland sein Engagement bei EUTM Mali nun einfriere, bis die notwendigen Rahmenbedingungen und Garantien für die Transition vorlägen.
Die gute deutsch-nigrische Zusammenarbeit könne „als Blaupause“ für künftige Kooperationen in der Region dienen, meinte Lambrecht am dritten Tag ihrer Auslandsreise im Gespräch mit Amtskollege Alkassoum Indattou in Niamey. Sie sprach sich dabei für ein weiteres Engagement der Bundeswehr in Niger aus, allerdings nicht im Rahmen von „Gazelle“ (diese Ausbildung soll zum Jahresende beendet werden). Man wolle die Zeit bis dahin nutzen, andere Optionen für eine Unterstützung Nigers zu finden, so die Ministerin. Eine Ausbildungsmission soll ebenfalls nicht vom Tisch sein, auch wenn sie unter derzeitigen Umständen in Mali nicht mehr wie bisher zu vertreten sei.
Wie Lambrecht in Niamey sagte, könne sie sich eine „Ausbildungsmission Sahel“ vorstellen. Davon könne auch Niger – das sich im Gegensatz zu Mali laut ihrem Gastgeber „ganz klar gegen eine Kooperation mit russischen Söldnern entschieden“ habe – profitieren.
Die Entscheidung des Hohen Vertreters der EU Borrell kommentierte Lambrecht nach ihrer Rückkehr aus Westafrika in Berlin wie folgt: „Der Schritt der EU, die Ausbildung malischer Soldaten im Rahmen der Mission EUTM vorerst zu beenden, ist konsequent und richtig. Angesichts möglicher massiver Menschenrechtsverletzungen, die malische Truppen gemeinsam mit russischen Kräften – womöglich sogar Söldnern – begangen haben, müssen wir uns fragen, wen wir da eigentlich ausbilden.“
Die SPD-Politikerin fügte an: „Unser Engagement im Sahel ist dennoch weiterhin wichtig. Das zeigt auch der Erfolg unserer Mission im benachbarten Niger, wo wir mit unseren Partnern gut und vertrauensvoll in der Ausbildung der Armee zusammenarbeiten. Die malischen Machthaber lassen dagegen keine Bereitschaft erkennen, die zugesagten Wahlen nun auch schnellstmöglich durchzuführen. Daher können wir auch mit Blick auf die anstehenden Entscheidungen des Bundestages über unsere Präsenz in Mali nicht so tun, als sei nichts geschehen. Wir werden uns nun eng mit unseren europäischen Partnern über das weitere Vorgehen abstimmen.“
Zu unserem Bildmaterial:
1. Außenbeauftragter Josep Borrell am 11. April 2022 bei der Sitzung der EU-Außenminister in Luxemburg. Hier verkündete der Spanier unter anderem das vorläufige Ende von EUTM Mali für den Bereich der Ausbildung malischer Sicherheitskräfte.
(Videostandbild: Quelle Rat der Europäischen Union)
2. Verteidigungsministerin Christine Lambrecht besuchte im Rahmen ihrer Westafrika-Auslandsreise nach Mali und Niger auch das Feldlager „Camp Castor“ im nordmalischen Gao. Sie informierte sich hier bei den Angehörigen des derzeitigen Bundeswehr-Einsatzkontingents über die Lage vor Ort und die Rahmenbedingungen der Mission. Neben der Ministerin Oberst i.G. Peter Küpper, Kommandeur des Kontingents.
(Foto: Sebastian Wilke/Bundeswehr)
3. Pressegespräch der Verteidigungsministerin nach ihrem Truppenbesuch im „Camp Castor“.
(Foto: Sebastian Wilke/Bundeswehr)
Kleines Beitragsbild: Ärmelpatch der Ausbildungs- und Beratungsmission EUTM Mali.
(Foto: Sebastian Vogt/Bundeswehr)